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600 Millionen Euro: Infrastrukturpaket auf Westbalkan-Konferenz beschlossen

Angela Merkel und Werner Faymann zeigten Einigkeit.
Angela Merkel und Werner Faymann zeigten Einigkeit. ©APA/Georg Hochmuth
Die Westbalkan-Konferenz in Wien wurde von der Flüchtlingstragödie im Burgenland überschattet. Dennoch hat man sich auf wichtige Maßnahmen geeinigt.
Westbalkan-Konferenz in Wien
Flüchtlingskatastrophe auf A4

Die Flüchtlingskrise in Europa im Allgemeinen und die Tragödie auf der A4 mit bis zu 50 Toten haben die Konferenz zur EU-Integration der Westbalkan-Staaten am Donnerstag in Wien dominiert. Die Teilnehmer zeigten sich erschüttert über das Unglück. Bundeskanzler Werner Faymann und seine deutsche Amtskollegin Angela Merkel wollen ein gemeinsames Vorgehen in der Flüchtlingskrise in der EU forcieren.

Österreich und Deutschland wollen sich gemeinsam mit Frankreich, Italien und Griechenland in der EU durchsetzen. Merkel mahnte in Richtung EU-Partner, die sich bisher zögerlich oder gar ablehnend zeigten, Flüchtlinge zu übernehmen: Der eine dürfe nicht gegen den anderen arbeiten. “Die Welt schaut auf uns. Österreich und Deutschland und viele andere sind dazu bereit, und wir werden darüber mit Nachdruck reden.”

Faire Verteilung der Flüchtlinge gefordert

Merkel sprach sich für eine faire Verteilung von Flüchtlingen aus und sah eine direkte Verbindung zwischen geplanten Registrierungszentren in Italien und Griechenland, von denen aus Flüchtlinge verteilt werden sollen, mit Quoten. Sie will vor allem Asylanträge von Personen mit hoher Aufnahmechance, wie etwa Syrer, und Anträge von Personen mit äußerst geringer Aufnahmechance, wie Bürger des Westbalkans, schnell bearbeitet wissen.

Faymann forderte einmal mehr eine “faire Verteilung mit verpflichtenden Quoten”. Es gebe Länder die eine verhältnismäßig große Last bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise tragen würden, und andere, “die kaum jemand unterbringen. Die sind zu überzeugen.” Die Schlepperkriminalität verurteilte er scharf. Beim Arbeitsessen der Konferenzteilnehmer wurde im Beisein von Bundespräsident Heinz Fischer eine Schweigeminute für die umgekommenen Flüchtlinge auf der A4 abgehalten.

“Müssen zu einer echten Zusammenarbeit kommen”

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini mahnte: “Wir müssen von gegenseitigen Beschuldigungen zu einer echten Zusammenarbeit kommen.” Die EU-Kommission habe verbindliche Quoten schon im Mai vorgeschlagen, es liege freilich an den Mitgliedstaaten, welche zu beschließen. Die Dublin-Regelungen funktionieren aus ihrer Sicht in der jetzigen Situation nicht. Sie werde in Kürze auch eine Liste sicherer Herkunftsstaaten vorlegen, die für alle EU-Länder gelten solle, kündigte Mogherini an.

Der Westbalkan ist zu einer Durchgangsroute für Flüchtlinge aus der Nahost-Region geworden, die von Griechenland weiter über Mazedonien und Serbien nach Ungarn und schließlich in Zielländer wie Deutschland, Österreich oder andere west- und nordeuropäische Staaten wollen. Aber auch zahlreiche Bürger der Westbalkan-Staaten selbst, insbesondere dem Kosovo, aber auch Serbien wollen in der EU Asyl erhalten – vor allem in Deutschland und mit äußerst geringen Chancen auf Aufnahme. Die sechs Erweiterungsländer bekräftigten, dass sie sich selbst als sichere Staaten sehen.

Millionen-Investitionen

Wichtigster Beschluss der Konferenz ist ein 600 Millionen Euro schweres Paket für grenzübergreifende Infrastrukturprojekte für Albanien, Montenegro, Serbien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo und Mazedonien. 200 Mio. kommen aus der EU-Heranführungshilfe, weitere 400 Mio. Euro werden von verschiedenen Institutionen aufgebracht. Insgesamt werden damit zehn verschiedene Projekte angestoßen, unter anderem geht es um eine Autobahn vom serbischen Nis über die kosovarische Hauptstadt Prishtina bis zur albanischen Küstenstadt Durres. Weiters wird die Eisenbahnstrecke zwischen Belgrad und Sarajevo modernisiert.

Beschlossen wurde auf der Konferenz auch die Errichtung zweier Zentren in Tirana und Belgrad, die den Jugendaustausch innerhalb der Region und mit den EU-Staaten fördern sollen. Untereinander wollen sich die sechs Erweiterungsländer bei der EU-Annäherung nicht gegenseitig blockieren, wie sie in einer Erklärung festhielten. Montenegro unterzeichnete am Tag vor der Konferenz Grenzabkommen mit Bosnien sowie mit dem Kosovo.

Kritik an Brüssel

Am Rande der Konferenz wurde Kritik der Erweiterungsländer an Brüssel laut. So pochte der albanische Premier Edi Rama darauf, dass die Menschen auf dem Westbalkan endlich Verbesserungen in ihren Lebensbedingungen sehen wollten. Der mazedonische Vize-Premier Vladimir Peshevski sprach im APA-Interview von “Frustration” darüber, dass Griechenland seit zehn Jahren die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit seinem Land blockiert.

Der serbische Ministerpräsident Aleksandar Vucic wandte sich dagegen, die EU-Annäherung auf Finanzhilfen zu reduzieren und forderte politische Unterstützung: “Wir sehen die EU nicht als Bankomaten”, sondern als Block, der Werte repräsentiere, die wir teilen. Sein Außenminister Ivica Dacic wiederum übte Kritik an den Nachbarn: “Heute werden wieder alle von der großen Einheit reden, aber das trifft nur bis zum nächsten Problem zu”, sagte er.

Serbien und der Kosovo ernteten Lob für die jüngst erzielten Einigungen im Normalisierungs-Dialog. Mogherini etwa sprach von einem “Beispiel für die gesamte Region”. Ein Datum für die Eröffnung erster Verhandlungskapitel in den Beitrittsgesprächen mit Belgrad wollte sie aber ebenso wie Erweiterungskommissar Johannes Hahn zu Dacics Unmut nicht nennen.

(APA, Red.)

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