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Akten kopiert und kassiert: Prozess gegen Kanzleileiter

©VOL.at/Bernd Hofmeister
Feldkirch - Feldkircher Gerichtsbeamter soll mit privatem Kopierservice 400.000 Euro erwirtschaftet haben – Prozess morgen.
Anklage gegen Gerichtsbeamten

Jahrzehntelang arbeitete Harald S. am Landesgericht Feldkirch, zuletzt als Leiter der Strafkanzlei. Morgen wird sich der 50-Jährige in einer ungewohnten Rolle wiederfinden: als Angeklagter vor Gericht. Der Prozess findet in Innsbruck statt, weil sich die Feldkircher Richter für befangen erklärt hatten. Wie berichtet, wird dem seit Sommer 2009 suspendierten Justizbeamten das Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck legt Harald S. zur Last, er habe „über einen Zeitraum von 14 Jahren (bis 2009) Aktenkopien für Verfahrensbeteiligte hergestellt, diese teilweise über den amtlichen Postversand verschickt und sich dafür über 400.000 Euro auf ein privates Konto überweisen lassen“. Rechtsanwälte und Versicherungen ersparten sich dadurch den Amtsweg und kamen rascher an die Strafakten. Für den Express-Service soll der Beamte zumeist höhere Kopiergebühren als das Gericht verlangt haben. Nach Ansicht der Innsbrucker Anklagebehörde hätte der Beschuldigte „die gesetzlich vorgeschriebenen Gerichtsgebühren vorschreiben und die Verfahrensbeteiligten anweisen müssen, die Kosten auf das Konto des Gerichts zu überweisen“. Dies sei im Jahre 1995 mit einem Erlass unmissverständlich klargestellt worden, weshalb die davon abweichende Praxis ab diesem Zeitpunkt einen wissentlichen Missbrauch darstelle.

Gerichtsintern bekannt?

Aufgeflogen war der Fall im Zuge einer internen Revision im Jahr 2009. Den Prüfern fielen damals mehrere Akten mit unerledigten Kopie-Ansuchen auf. Nachforschungen ergaben, dass in diesen Fällen sehr wohl Akten kopiert und auch bezahlt wurden. Jedoch nicht auf das Konto des Landesgerichts, sondern auf ein privates. Und wie es der Zufall wollte, wurde eines Tages auch noch ein falsch adressiertes Paket mit Aktenkopien samt einer Rechnung mit der privaten Kontonummer des nun Beschuldigten an das Gericht retourniert. Der heikle Fall wirft einige Fragen auf – nicht zuletzt deswegen, weil die Praktiken des Beamten laut Insidern offenbar bereits lange vor 1995 gerichtsintern bekannt waren und dennoch erst im Jahr 2009 angezeigt wurden. Dass die Justizverwaltung von den Machenschaften des Beamten gewusst haben soll, wies Gerichtssprecher Reinhard Flatz in einem VN-Interview im Jänner dieses Jahres vehement zurück. Flatz räumte allerdings ein, dass es in der Vergangenheit aufgrund unklarer Regelungen Probleme in Sachen Aktenkopien gegeben hatte. Auch eine Beschwerde und ein anonymer Hinweis seien eingegangen.

Freispruch im Jahr 1991

Neben dem Kopieren von Strafakten war Harald S. unter anderem auch für die Erstellung der wöchentlichen Medienmitteilungen mit Verhandlungsterminen zuständig. Für den – laut Oberlandesgericht – kostenlosen Service verlangte er jahrelang Geld. Trotzdem sah man in Innsbruck bisher keinen Grund für eine Anklage. Das Betrugsverfahren wurde vorläufig eingestellt und wird vermutlich zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgenommen. Besonders pikant: S. stand bereits vor zwanzig Jahren wegen des Verkaufs von Prozessterminen vor Gericht. Der Prozess endete jedoch mit einem Freispruch.

Bei einem Schuldspruch wegen Amtsmissbrauchs drohen dem Angeklagten bis zu zehn Jahre Haft. Des Weiteren beantragte die Staatsanwaltschaft den Verfall der erlangten Vermögenswerte. Auch seinen Beamtenstatus könnte der Beschuldigte verlieren. Offen ist, ob auch Anwälte und frühere Vorgesetzte des Beamten im Falle einer Verurteilung strafrechtlich verfolgt werden. Es gilt die Unschuldsvermutung.

(VN)

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