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Aliyev-Prozess: Neue Details im Zusammenhang mit Aliyevs Ableben

Beim Aliyev-Prozess in Wien
Beim Aliyev-Prozess in Wien ©APA (Sujet)
Rund um das Ableben von Rakhat Aliyev sind am Freitag im Prozess gegen zwei ehemalige Mithäftlinge, die den früheren kasachischen Botschafter in der Justizanstalt (JA) Wien-Josefstadt erpresst haben sollen, neue Einzelheiten bekannt geworden.
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Aliyev-Prozess in Wien

Aliyev war am 24. Februar 2015 erhängt in seiner Zelle aufgefunden werden. Drei Monate danach gibt es noch immer keine offizielle Todesursache.

Aussage: “Er war so wie immer”

Der Stockchef in der Krankenabteilung der JA hatte in der Nacht, in der Aliyev unter zumindest für seine langjährigen Wiener Rechtsvertreter schwer aufklärungswürdigen Umständen ums Leben kam, noch Kontakt mit dem 52-Jährigen. Der Beamte hatte Nachtdienst, und nachdem er bereits um 18.00 Uhr Aliyev mit Medikamenten versorgt hatte, war er auch bei der letzten Medikamentenausgabe um 22.00 Uhr dabei. Er habe noch mit Aliyev gesprochen, sagte der Justizwachebeamte im Straflandesgericht unter Wahrheitspflicht: “Er war in einem ganz normalen Zustand. So wie immer. Es war nichts Außergewöhnliches.”

Kein Hinweis auf Selbstmord

Grundsätzlich habe er an jenem Tag nichts an Aliyev wahrgenommen, was auf einen Selbstmord hindeuten hätte können: “Es war den ganzen Tag nicht Auffälliges.” Am Nachmittag sei der frühere Schwiegersohn des kasachischen Staatschefs Nursultan Nasarbajew von einer Besprechung mit einem seiner Anwälte zurückgekommen und habe dann mit seiner Ehefrau telefoniert.

Aliyev habe Wert darauf gelegt, auf Deutsch und nicht auf Englisch angesprochen zu werden, schilderte der Beamte: “Er hat gesagt ‘Sprechen Sie Deutsch mit mir, ich muss es lernen'”.

Des Doppelmordes angeklagt

Aliyev, der hinter der Entführung und Ermordung zweier kasachischer Banker stecken soll und der sich – wäre er noch am Leben – als Hauptangeklagter in einem seit fünf Wochen im Straflandesgericht laufenden Doppelmord-Prozess vor Geschworenen verantworten müsste, war Anfang Juni 2014 in U-Haft gekommen. Er landete in einer Zelle, die er sich mit einem schwer vorbestraften 41-Jährigen und einem 20-Jährigen teilte. Die beiden sollen Aliyev ab 7. Juni psychisch unter Druck gesetzt und von diesem Geld verlangt haben, indem sie ihm laut Anklage erklärten, in der Justizanstalt gebe es “viele verrückte Leute”. Wenn er, Aliyev, überleben wolle, müsse er 3.000 Euro bezahlen, ansonsten könne ihn jemand während des Waschens im Duschraum umbringen und dies wie einen Selbstmord aussehen lassen.

Aliyev in Furcht und Unruhe

Das soll Aliyev derart in Furcht und Unruhe versetzt haben, dass er dem Älteren über seinen Anwalt 1.000 Euro zukommen ließ. Der Jüngere soll ihm ein T-Shirt und eine Telefonwertkarte abgenommen haben. Die Ex-Mithäftlinge bestreiten die ihnen angelastete Erpressung. Sie hätten Aliyev nicht gedroht. Dieser habe ihm von sich aus Geld angeboten, damit er das Honorar für seinen Anwalt zahlen könne, hatte der Ältere der beiden schon beim Prozessauftakt erklärt, der ausgerechnet mit Aliyevs Todestag ident war. Ihrer Ansicht nach hatte Aliyev sie bewusst fälschlicherweise angezeigt, um unter Verweis auf die angeblich erlittene Erpressung von der Anstaltsleitung eine Einzelzelle genehmigt zu bekommen.

Der Stockchef wurde übrigens nicht offiziell davon in Kenntnis gesetzt, als kurz nach Einbringen der Anzeige tatsächlich die Verlegung Aliyevs in einen Einzelhaftraum erfolgte. Er erfuhr das zufällig bei laufendem Betrieb.

Aliyev besorgte sich kurz vor Tod “Cola Light”

Nur wenige Stunden vor seinem Tod hatte sich Rakhat Aliyev bei einem anderen Häftling auf der Krankenabteilung der Justizanstalt (JA) Wien-Josefstadt noch vier “Cola Light”-Dosen besorgt. Das sagte der 46-jährige Mann als Zeuge im Prozess um die angebliche Erpressung am kasachischen Ex-Botschafter in Wien aus.

“Wenn er Selbstmord geplant gehabt hätte, hätte er sich das nicht ausgeborgt”, stellte der Häftling fest, der seinen Angaben zufolge einen “relativ engen Kontakt” mit Aliyev hatte. Er habe mit diesem am Vormittag und auch noch am Nachmittag vor dessen Tod Kaffee getrunken. Es habe “überhaupt keine Anzeichen” für einen Suizid gegeben: “Er hat gesagt, dass er morgen seine Frau sieht. Er war überhaupt nicht depressiv. Wir haben sogar noch gelacht.”

Lange Ermittlungen um Aliyev-Ableben

Der Häftling, der sich nach wie vor als Strafgefangener in der JA Josefstadt befindet, ist übrigens bis jetzt nicht von der Staatsanwaltschaft als Zeuge zum Ableben Aliyevs vernommen worden. Die entsprechenden Ermittlungen laufen seit drei Monaten.

Der Prozess gegen die angeblichen Aliyev-Erpresser wurde auf unbestimmte Zeit vertagt, da das zweite Obduktionsgutachten, das die Justiz zur endgültigen Klärung der Todesursache Aliyevs beim Institut für Rechtsmedizin in St. Gallen in Auftrag gegeben hat, noch ausständig ist. Der Schöffensenat will diese Expertise abwarten, da “eine Relevanz für das gegenständliche Verfahren nicht ausgeschlossen werden kann”, wie der Vorsitzende Norbert Gerstberger kundtat. Im ersten, vom Wiener Department für Gerichtliche Medizin vorgelegten Obduktionsgutachten wird von Selbstmord ausgegangen.

(apa/red)

 

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