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Anträge der Vermieter abgelehnt: VfGH tastet Wiener Richtwert-Mieten nicht an

Der VfGH lehnte Anträge von Vermietern auf Überprüfung des Richtwertgesetzes ab
Der VfGH lehnte Anträge von Vermietern auf Überprüfung des Richtwertgesetzes ab ©APA (Sujet)
Ein klares Nein: Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) lässt die derzeit geltenden Richtwert-Mieten, die vor allem für Gründerzeithäuser in Wien gelten, unangetastet. Anträge von Vermietern, das Richtwertgesetz zu überprüfen, haben die Verfassungsrichter nun abgelehnt.
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Bei den – relativ günstigen – Richtwertmieten, die hierzulande vor allem für Wohnungen in Wiener Gründerzeithäusern gelten, bleibt alles beim Alten. Eine Gruppe von Vermietern wollte unter anderem die Lagezuschlags- und Befristungsregelungen kippen, die für Altbaumieten gelten. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) habe die Anträge auf Überprüfung des Richtwertgesetzes abgelehnt, hieß es am Mittwoch.

Leistbares Wohnen als öffentliches Interesse

“Die Regelungen dienen dem öffentlichen Interesse des leistbaren Wohnens”, so die Verfassungsrichter, die sich in ihrer Juni-Session einmal mehr mit dem Mietrecht befassten und mehrere Anträge von Hauseigentümern ablehnten bzw. in Teilen zurückwiesen.

Von den Wohnungseigentümern angefochten wurden beispielsweise die je nach Bundesland unterschiedlich hohen Richtwerte, bei denen Wien besonders billig davonkommt, sowie das Ende des Zweiten Weltkrieges (8. Mai 1945) als Stichtag für die Vollanwendung des Mietrechtsgesetzes. Nur Wohnungen, deren Bau nach diesem Datum bewilligt wurde, fallen nicht unter das Richtwertsystem. Die Richtwerte sorgen de facto für eine Deckelung der Mieten.

VfGH beurteilte Regelung als “nicht verfassungswidrig”

Der VfGH hat die angefochtenen Regelungen als “nicht verfassungswidrig” beurteilt. Die Vermieter hatten ins Treffen geführt, sich betreffend des Gleichheitsgrundsatzes, des Grundrechts auf Eigentum und des Grundrechts auf Freiheit der Erwerbsbetätigung verletzt zu fühlen.

Ein Stein des Anstoßes für die Eigentümer: Der Richtwert für die gesamte Steiermark und die Stadt Graz ist höher als für die Bundeshauptstadt Wien, obwohl doch in Wien die Grund- und Baukosten höher seien als in der steirischen Landeshauptstadt. Nur im Burgenland ist der Richtwert niedriger als in Wien, am höchsten ist er in Vorarlberg.

Pro Bundesland verschiedene Richtwerte darf es geben

Diese Bedenken wiesen die Verfassungsrichter am 28. Juni 2017 ab, wie sie am Mittwoch mitteilten. Der Gleichheitsgrundsatz verbiete zwar nicht begründbare Regelungen, doch innerhalb dieser Schranken sei der Gesetzgeber frei, seine politischen Zielvorstellungen zu verfolgen. “Mit der Festsetzung der Richtwerte hat der Gesetzgeber seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum nicht überschritten”, heißt es in dem aktuellen Erkenntnis.

Es widerspreche nicht der Verfassung, dass das Richtwertgesetz je nach Bundesland verschiedene Richtwerte vorsehe und die Vermieter damit unterschiedlich belaste. “Der Gleichheitsgrundsatz zwingt zu keiner Regelung, die für Vermieter in Bezug auf die Mietzinsbegrenzung in allen Ländern eine gleichmäßige Belastung schafft”, so der VfGH. Unterschiedliche Richtwerte belasteten Vermieter nicht unverhältnismäßig.

Anträge auf Überprüfung des Richtwertgesetzes abgelehntAuch der vergleichsweise niedrige Richtwert für das Land Wien ist den Angaben zufolge “nicht unsachlich”: Die Wohnungssituation in Wien und die stärkere Angewiesenheit der Bevölkerung auf erschwinglichen Wohnraum sowie die vergleichsweise hohe Miet- bzw. niedrige Eigentumsquote “rechtfertigen eine abweichende Behandlung innerhalb der Grenzen der Sachlichkeit”.

Weiters sei die im öffentlichen Interesse des leistbaren Wohnens zulässige Belastung der Vermieter “nicht unverhältnismäßig”. Dies würde etwa dann zutreffen, wenn die Eigentümer angesichts der Mietpreise nicht mehr in der Lage wären, ihr Eigentum angemessen zu erhalten. Die Antragsteller hätten aber eine entsprechende Behauptung weder näher ausgeführt “noch deckt sich eine solche Annahme mit der allgemeinen Lebenserfahrung”.

Vermieter hatten Gesetzesbeschwerde eingebracht

Der Gerichtshof stellte zudem fest, dass auch die Festlegung eines Stichtages für die Vollanwendung des Mietrechts in den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers falle. Die Richter halten die Regelung für sachlich gerechtfertigt, “auch weil damit die Schaffung von Wohnraum im Rahmen des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg honoriert werden sollte”. Außerdem stünden dem durch den Richtwert begrenzten Mietzins im Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes auch eingeschränkte Erhaltungspflichten des Vermieters gegenüber.

Anlass für die Verfahren waren laut VfGH jeweils Entscheidungen von Bezirksgerichten, wonach Mietern eine Herabsetzung des Mietzinses zugesprochen worden war. In Reaktion darauf begehrten die Vermieter auch die Aufhebung von Teilen des Mietrechts- sowie des Richtwertgesetzes. Sie brachten eine Gesetzesbeschwerde ein und ließen die Verfassungskonformität der Regelungen überprüfen. Da an dem Verfahren ein breiteres öffentliches Interesse bestand, fand dazu am 3. Oktober 2016 auch eine öffentliche Verhandlung im Verfassungsgerichtshof statt.

Wiens Wohnbaustadtrat Ludwig erfreut

Der Wiener Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) hat am Mittwoch die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zu den Richtwert-Mieten ausdrücklich begrüßt. Damit werde leistbarer Wohnraum auch künftig gesichert. Erfreut zeigte er sich nicht zuletzt darüber, dass die Wiener Regelung gutgeheißen wurde. In der aktuellen Entscheidung würden die Verfassungsrichter feststellen, “dass der vergleichsweise niedrige Richtwert für das Land Wien eben nicht unsachlich ist”. Es werde klargestellt, dass mit der Festsetzung der Richtwerte der Gesetzgeber seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum nicht überschritten habe.

“Wichtige Grundlage für die zukünftige Wohnversorgung”

Die nunmehrige Entscheidung des Höchstgerichtes sowie ein vergleichbares früheres Urteil hätten enorme Bedeutung: “Sie bilden eine wichtige Grundlage für die zukünftige Wohnversorgung der Wiener Bevölkerung.” Man sehe sich auch in der Ansicht bestätigt, dass durch die geltenden gesetzlichen Bestimmungen der Richtwertfestsetzung keine unverhältnismäßige Belastung der Vermieter gegeben sei. Die klare Entscheidung verhindere ein “Aushöhlen” der Rechte von Mietern.

Der Ressortchef betonte, wie wichtig – “gerade vor dem Umstand der unterschiedlichsten gesetzlichen Regelungen” – eine grundlegende Reform des bundesweit geltenden Mietrechtsgesetzes sei. Dieses müsse fairer und transparenter ausgestaltet sein, forderte er.

Chef der Wiener Immo-Treuhänder enttäuscht

Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zu den Richtwert-Mietzinsen ändert nichts an den Ungerechtigkeiten in den Wiener Gründerzeitvierteln. Davon ist jedenfalls Michael Pisecky, der Fachgruppenobmann der Immobilientreuhänder in der Wiener Wirtschaftskammer, überzeugt. Die Regelungen, so befand er, seien “unlogisch”.

“Wird ein Gründerzeithaus abgerissen und ein neues gefördertes Wohngebäude im Gründerzeitviertel errichtet, liegen die Mieten aktuell bei rund acht Euro netto. Wird ein Gründerzeithaus mit staatlicher Förderung saniert, darf netto zwischen acht und neun Euro Miete verlangt werden. Saniert jedoch ein privater Eigentümer sein Gründerzeithaus mit eigenen Mitteln, darf er auch nach der Totalsanierung mit Millionenaufwand weiterhin lediglich den Richtwert von 5,58 Euro an Miete verrechnen”, beklagte Pisecky in einer Aussendung.

Alleine daraus sehe man, dass das System des Gründerzeitviertels lediglich darauf abziele, Private zu diskriminieren. Das Ziel leistbares Wohnen zu erhalten, stehe offenbar gar nicht im Vordergrund: “Denn wenn staatliche Förderungen automatisch zu höheren Mieten führen, dann stimmt hier etwas nicht.”

(apa/red)

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