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Aufruf zur Welt-Rettung: Starkes Neil Young-Konzert in Wien

Neil Young beim Konzert in Wien
Neil Young beim Konzert in Wien ©APA
"Old Black", eine von Neil Youngs Gitarren, schnauft, kreischt, dröhnt. Die Gibson Les Paul von 1953 muss am Mittwoch in Wien viel Dampf ablassen. Denn Young ist erzürnt: Sein Auftritt mit Crazy Horse in der Stadthalle ist nicht nur Konzert, sondern ein Manifest gegen Krieg und Umweltzerstörung.
Neil Young in Wien
Konzerte im Juli

Wer kann die Welt noch retten? “Me and you”, brüllt Neil Young am Ende mit rund 8.000 Fans.

Neil Young überzeugte Fans

“Love And Only Love” stand am Anfang eines wohlüberlegten, wunderbaren Programms. Es dauerte sehr lange, bis der Kanadier die ersten Zeilen des Liedes sang, fast endlos mäanderten die Gitarren dahin, um sich dann zwischen den Strophen noch einmal zu reiben, gegenseitig anzufeuern und ineinander zu verschmelzen. Erst nach rund 15 Minuten ließen Young und seine “Garagenband” die Instrumente ausklingen. Das Gastspiel mit Crazy Horse war trotzdem weniger wild als die gemeinsamen Darbietungen im Rahmen der Tourneen von 2013.

Denn statt Billy Talbot, der sich von einem leichten Schlaganfall erholt, spielte Youngs langjähriger Weggefährte Rick Roses auf konventionellere Weise Bass. Außerdem sorgten zwei Backgroundsängerinnen für feine Nuancen im Gesang, was den Liedern zusätzliche Dramatik, aber auch Geschmeidigkeit verlieh. Mit dem zweiten Gitarristen Frank “Poncho” Sampedro lieferte sich Young die berühmt-berüchtigten Gitarrenduelle, bei denen die ergrauten Herren hin und her wackelten, während Roses wie der Ruhepol im Auge des Hurrikans wirkte und Drummer Ralph Molina stoisch den Rhythmus mal vorgab, dann nachschleppte.

Lieder über und gegen Krieg

Young hat für seine aktuelle Reise ein paar Gustostückerl ausgegraben, etwa “Goin Home” mit treibenden Kriegstrommeln, das Glanzstück vom sonst glanzlosen Album “Are You Passionate?”. Oder das lange nicht mehr regelmäßig aufgeführte melancholisch-bittere “Days That Used To Be”. “Living With War”, seinerzeit als Reaktion auf den zweiten Irak-Krieg entstanden, passte gut ins Gesamtbild des Abends: Die aktuelle Weltlage hat Young in Fahrt gebracht. Über Strecken klang die Reaktion wütend, manchmal ohnmächtig, letztendlich aber lösungsorientiert: “You better take a chance, a chance of love”, schmetterte der unermüdliche Kämpfer beim ebenfalls ausufernden “Love To Burn” ins Mikro.

Vor dem epischen “Cortez The Killer”, mit für Crazy Horse ungewöhnlich filigranen Zwischentönen, und der stampfenden Rockerhymne “Rockin’ In The Free World” hatte Young solo mit Bob Dylans “Blowin In The Wind” und mit seinem eigenen größten Hit “Heart Of Gold” auch jene zufriedengestellt, die den ruhigeren Neil bevorzugen. Dazu reichten Mundharmonika und akustische Klampfe.

Aufrührerisches Konzert in der Stadthalle

Am Ende wurden wieder Fäuste geballt: “Who’s Gonna Stand Up And Save The Earth” hieß die Zugabe, ein brandneuer, bisher unveröffentlichter Song. “Du und ich”, appellierte der 67-Jährige, der beim Eingang T-Shirts mit der Aufschrift “Protect” (für die Frauen) und “Earth” (für die Männer) gratis verteilen ließ und selbst ein Exemplar trug. Keine Frage: Der alte Mann hat Anliegen und bleibt auch musikalisch relevant. Aber wo ist eigentlich die Reaktion der derzeit hippen Acts auf die aktuellen Konflikte?

(apa/red)

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