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Ausgegrabener "Il Germanico" bei Innsbrucker Festwochen

Sie wurde im Jahr 1732 in Rom uraufgeführt und geriet dann in Vergessenheit: Nicola Porporas Oper "Il Germanico". Zum Auftakt der Innsbrucker Festwochen holte sie der Künstlerische Leiter, Alessandro De Marchi, Mittwochabend erstmals wieder auf die Bühne zurück. Und katapultierte sie gleich in den Opern-Himmel. Es gab Standing Ovations für ein melodisches Arien-Feuerwerk mit Kammerspiel-Einschlag.


Mehr als vier Stunden lang wurden die Besucher im nicht ganz ausverkauften Tiroler Landestheater Zeugen einer furiosen Wiederauferstehung, eines geschliffenen Rohdiamanten, der wieder vollends zum Strahlen gebracht wurde. Der Erfolg hatte viele Väter, der Erfolgskuchen mehrere Meisterbäcker. Einer davon war der Mann am Dirigentenpult, Alessandro De Marchi. Virtuos führte er seine Musiker der Academia Montis Regalis durch den Abend und diese antworteten mit derselben, fehlerfreien Virtuosität. Wie ein schöner Morgenschleier wirkte dieses harmonisch dargetane Klangbild, das die langen Melodiebögen Porporas perfekt akzentuierte. Gleichzeitig konnte aber auch szenisch bedingten Rhythmuswechseln intensiver Ausdruck verliehen werden.

Die Inszenierung des deutschen Regisseurs Alexander Schulin vermied auf wohltuende Art und Weise jegliche Effekthascherei und Regietheater-ähnliche Einsprengsel. Das Primat von Musik und Gesang in Porporas Oper war und bleibt unumstößlich und das Gravitationszentrum des Werks. Auch in punkto Bühnenbild verzichtete man auf überbordendes Zur-Schau-Stellen. Die Sänger agierten in einer sich ein paar Mal ändernder römischer Veduten-Landschaft, ab dem zweiten von drei Akten kommt das Werkzeug der Drehbühne zum Einsatz.

“Il Germanico” mit dem Libretto von Niccolo Coluzzi spielt in der Zeit der Eroberung Germaniens durch Rom, nachdem das Imperium im Jahre neun nach Christus noch in der Varusschlacht von einem germanischen Heer unter der Führung des Arminio geschlagen worden war. Germanico, der römische Befehlshaber, nimmt die Stadt ein, doch Arminio will lieber sterben, als unfrei zu werden und gibt sich nicht geschlagen. Es kommt zur Schlacht, Arminio wird gefangen genommen und soll hingerichtet werden. Rosmonda, die Tochter des inzwischen auf der Seite Roms stehenden germanischen Fürsten Segeste, will mit ihm in den Tod gehen. Erst als man Arminio bei der Hinrichtung seinen Sohn bringt, lässt er von seiner Unbeugsamkeit ab und schwört den Römern Freundschaft.

Es ist eine Geschichte mit vielen Zutaten, die das Leben schreibt – gestern, heute und morgen: Unfreiheit, Verrat, Unterdrückung, Aufbegehren, Stolz, Liebe. Sechs Sänger bzw. Darsteller agieren auf der Bühne. Fast eine Art Kammerspiel mit einer extremen Eindringlichkeit der Dialoge.

De Marchi hatte im Vorfeld stets betont, dass die Vokalität im Zentrum von Porporas Kompositionen stand. Er sprach auch von den extrem hohen Anforderungen in Sachen Virtuosität an die Sänger. Nach Mittwochabend weiß der objektive Besucher: Die Anforderungen wurden erfüllt. Famos wie sämtliche Sänger die Fülle an Arien meisterten, die ihnen Meister Porpora hinterließ. Nach nahezu jedem dieser gesanglichen Leuchttürme brandeten Applaus und Bravo-Rufe im Publikum auf. Die Ausdrucksstärke von Porporas Arien und Melodien, bei denen De Marchi laut eigenen Angaben immer den temperamentvollen Neapolitaner spürt, wurde nicht nur sehr eindrücklich über die Bühnen-Rampe gebracht, sondern auch in die Herzen der Festwochen-Besucher imprägniert. Ein über vierstündiger Dauerlauf auf höchstem Gesangs- und Darstellungsniveau.

Vom sechsköpfigen Ensemble fiel niemand ab. Als hervorstechend zu bezeichnen wären Countertenor David Hansen als zunächst unbeugsamer, stolzer und dann doch zerrissener und klein beigebender Arminio. Famos auch Klara Ek als Rosmonda, die zwischen der Liebe zu ihrem, Germanien verratenden Vater Segeste (Carlo Vincenzo Allemano) und der zu ihrem Gatten Arminio hin und hergerissen ist. Solide agierte Patricia Bardon als Germanico. Das Publikum sah einen denkwürdigen Abend. Porpora wäre stolz gewesen.

INFO: “Il Germanico”, Oper in drei Akten von Nicola Porpora. Alessandro De Marchi (Musikalische Leitung), Alexander Schulin (Regie), Alfred Peter (Bühnenbild und Kostüme), Dramaturgie (Micaela von Marcard); Patricia Bardon (Germanico), David Hansen (Arminio), Klara Ek (Rosmonda), Emilie Renard (Ersinda), Hagen Matzeit (Cecina), Carlo Vincenzo Allemano (Segeste). Tiroler Landestheater, weitere Aufführung am 14. August, 18 Uhr; 16. August, 15 Uhr; Innsbrucker Festwochen der Alten Musik, Karten: 01 / 88 0 88,

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