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Außenministerin Kneissl trifft in der Türkei auf Amtskollegen Cavusoglu

Karin Kneissl will die bilateralen Beziehungen zwischen Wien und Ankara verbessern.
Karin Kneissl will die bilateralen Beziehungen zwischen Wien und Ankara verbessern. ©APA/AFP/TIZIANA FABI
Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) unternimmt nach jahrelanger Eiszeit zwischen Wien und Ankara einen Versuch zu Verbesserung der bilateralen Beziehungen. Kneissl reist am Donnerstag nach Istanbul, um ihren Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu zu treffen.
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Es gehe darum, “wieder eine positive Gesprächsatmosphäre” zu schaffen, sagte Kneissls Sprecherin Elisabeth Hechenleitner der APA. Die bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und der Türkei hatten sich wegen der Verhaftungswelle nach dem Putsch gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan im Juli 2016 rapide verschlechtert. Der damalige Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) sprach sich als erster EU-Regierungschef explizit für einen Abbruch der EU-Beitrittsgespräche mit Ankara aus, der damalige Außenminister und heutige Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) legte demonstrierenden Erdogan-Anhängern das Verlassen Österreichs nahe und der damalige FPÖ-Generalsekretär und heutige Innenminister Herbert Kickl verlangte einen unbegrenzten Einbürgerungsstopp für Türken in Österreich. Streit gab es auch wegen Wahlkampfauftritte türkischer Regierungspolitiker in Österreich, denen die rot-schwarze Regierung sogar mit einer Gesetzesänderung einen Riegel vorschieben wollte.

Eiszeit zwischen Wien und Ankara

Als Kurz im Dezember 2016 einen Beschluss der EU-Außenminister zu den Türkei-Gesprächen torpedierte, schien das Maß für Ankara voll. Cavusoglu sagte damals, er werde nun “auf allen Ebenen gegen Österreich auftreten”. Schon im September 2016 hatte die Türkei österreichische Archäologen aus der Grabungsstätte Ephesos geworfen. Ebenfalls im Sommer begann Ankara, die Kooperation der NATO mit dem Bundesheer zu blockieren. Angefacht wurde der Konflikt durch wiederkehrende Verbalattacken, etwa vom scharfzüngigen Europaminister Ömer Celik. Dieser bezeichnete erst im Jänner in einem “profil”-Interview die FPÖ als islamfeindlich, antisemitisch, migrantenfeindlich und xenophob.

Auf höchster Regierungsebene hat es schon länger keine Besuchskontakte gegeben. Kurz war im September 2015, am Höhepunkt der Flüchtlingskrise, als bisher letzter österreichischer Außenminister in der Türkei. Im Oktober 2015 nahm der damalige türkische Außenminister Feridun Sinirlioglu an einer internationalen Syrien-Konferenz in Wien teil und absolvierte dabei auch bilaterale Termine.

Kneissl will Beziehung zwischen Wien und Ankara verbessern

Kneissl und Cavusoglu möchten die bilateralen Beziehungen nun offenbar in etwas ruhigeres Gewässer bringen. “Ich bin bereit dazu, die Beziehungen zu normalisieren, wenn Sie auch dazu bereit sind”, berichtete Cavusoglu kürzlich von seinem ersten Telefonat mit der österreichischen Außenministerin. Diese habe zugestimmt. “Herr Minister, ich mag die Türkei, ich mag die Türken”, versicherte sie dem türkischen Chefdiplomaten nach dessen Angaben. Kneissls Sprecherin wies darauf hin, dass die Ministerin in ihrer Kindheit “sehr viel Zeit” mit ihrer Familie in der Türkei verbracht habe.

Die gute Chemie zwischen Kneissl und Cavusoglu kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Wien und Ankara in zentralen Fragen über Kreuz liegen. So will sich die neue schwarz-blaue Regierung aktiv um einen Abbruch der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei bemühen und dafür Verbündete suchen.

Der Zwist in der Beitrittsfrage soll bei dem Treffen in Istanbul möglichst ausgeklammert werden. Kneissl wolle bei dem Gespräch mit Cavusoglu “den Fokus auf bilaterale Fragen legen”, sagte ihre Sprecherin. “Fragen, in denen unterschiedliche Ansichten vertreten werden, sollen nicht die für beide Seiten wichtige Zusammenarbeit auf vielen anderen Gebieten behindern”, betonte Hechenleitner. Das Treffen “soll in erster Linie wieder eine positive Gesprächsatmosphäre schaffen, damit zumindest auf bilateraler Ebene wieder vernünftig miteinander gesprochen werden kann.”

Außenministerin reist am Donnerstag nach Istanbul

Die Außenministerin wird am späten Vormittag (Ortszeit) in Istanbul erwartet und soll dann mit Cavusoglu zu einem Vier-Augen-Gespräch zusammenkommen. Für 16.00 Uhr (Ortszeit) ist eine gemeinsame Pressekonferenz im Dolmabahce-Palast am Bosporus geplant, dem ehemaligen Regierungszentrum des Osmanischen Reiches. Die Wahl des Gesprächsortes hat Symbolcharakter, waren doch das Osmanische Reich und Österreich-Ungarn Verbündete gewesen. Auch Kneissl will offenbar an diese Zeit anknüpfen. Sie hat Cavusoglu nämlich eingeladen, bei seinem geplanten Gegenbesuch in Wien “etwas zu tun, um das osmanische Erbe im Land zu fördern”.

Thema des Gesprächs dürfte wohl auch die derzeitige türkische Offensive in Syrien sein. Kneissl hatte sich am Montag am Rande des EU-Außenministerrates in Brüssel wie andere internationale Spitzenpolitiker besorgt gezeigt. Mit Blick auf die Wiener Syrien-Gespräche am Donnerstag und Freitag pochte sie auf eine Verhandlungslösung. Die Außenministerin wird am späten Donnerstagabend wieder in Wien erwartet. Die Istanbul-Visite ist die vierte bilaterale Auslandsreise der Ministerin, die in diesem Monat bereits die Slowakei, Italien und Bulgarien besucht hatte.

Laut Experten kein Spielraum für Kneissl

Der Wiener Politikwissenschafter Cengiz Günay begrüßt das Engagement Kneissls, sieht aber nur wenig Spielraum für sie. “Wir werden sehen, wie weit sie agieren und sich gegen die FPÖ und (Bundeskanzler Sebastian) Kurz durchsetzen kann”, sagte er im APA-Interview. “Ich glaube schon, dass sie die Beziehungen verbessern will”, sagte Günay mit Blick auf die freundlichen Töne der Außenministerin in Richtung Türkei. Der Forscher am Österreichischen Institut für Internationale Politik (oiip) zweifelt aber daran, dass mehr als eine atmosphärische Verbesserung möglich ist. Er verweist auf die “selbst auferlegte Identität” der österreichischen Politik, europäischer Vorkämpfer gegen die Türkei zu sein: “Man hat sich einzementiert.” Somit wäre es schon als Erfolg zu werten, wenn Kneissl und ihr türkischer Amtskollege Mevlüt Cavusoglu bei ihrem Treffen einen “neuen Ton” anschlagen würden.Günay glaubt auch nicht, dass eine mildere Haltung der nunmehrigen Regierungspartei FPÖ einen Durchbruch bringen könnte. Als “Scharfmacher” könnte dann nämlich die SPÖ einspringen, wie dies bei der ersten schwarz-blauen Regierung der Fall gewesen sei. “Gusenbauer hat damals die Debatte um einen EU-Beitritt der Türkei befeuert”, sagte der Forscher mit Blick auf den damaligen SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer.

Türkei habe “enorme Präsenz” in öffentlicher Diskussion Österreichs

Mittlerweile sei dies “Mainstream” und es gebe sogar “einen Wettkampf, wer eine härtere Position gegenüber der Türkei hat”, sagte Günay mit Blick auf die Scharmützel zwischen dem früheren Kanzler Christian Kern (SPÖ) und seinem damaligen Außenminister Kurz nach dem Türkei-Putsch im Sommer 2016.

Günay sprach von einer “enormen Präsenz” der Türkei in der öffentlichen Diskussion Österreichs: “Erdogan hat sich zu einem innenpolitischen Spieler in Österreich entwickelt.” Allerdings würden dabei oft nur “Vorurteile perpetuiert”, wie jenes von der “unveränderbar nicht europäischen” Türkei. “Keinen Platz” hätten da etwa Berichte über die Frauenbewegung im Land. “Die Türkei wird in einem ganz bestimmten Licht wahrgenommen”, sagte Günay. Diese Diskussion entfremde viele Austrotürken. “Die Leute fühlen sich durch die Debatte und die Form, wie über sie gesprochen wird, als in ihrem Wesen nicht akzeptiert.” Gerade bei jüngeren Türken ortet Günay inbezug auf die Erdogan-Regierung einen “Jetzt-erst-recht-Effekt” und zieht einen Vergleich zur Reaktion vieler Österreicher auf die Waldheim-Affäre.

Experte glaubt nicht an Annäherung Ankaras an Wien

Der Experte glaubt nicht an eine wesentliche Annäherung Ankaras an Wien, solange dieses auf EU-Ebene für einen Abbruch der Beitrittsgespräche kämpft. “Wenn man dauernd darauf pocht, wird es schwierig sein”, sagte Günay. “Es gibt eine breite Wahrnehmung in der türkischen Öffentlichkeit, dass Österreich eine rassistische Haltung gegenüber der Türkei hat.”

Günay sieht dennoch Chancen für eine “Beruhigung” in den aufgeheizten bilateralen Beziehungen. “Positiv bemerkt” habe er, dass die Türkei-Frage im Nationalratswahlkampf “nicht mehr so eine große Rolle gespielt” habe. Auch Ankara sei an einer Entspannung im Verhältnis mit den EU-Staaten gelegen, obwohl “viel Porzellan zerschlagen” worden sei. Der Grund dafür ist auch ein wirtschaftlicher. “Die Türkei rutscht immer tiefer in eine schwere Wirtschaftskrise”, sagte der Experte.

Mit seiner “Eskalationspolitik” habe sich Erdogan zwar Unterstützung beim wichtigen Verfassungsreferendum gesichert, doch hätte diese auch “viel Schaden gebracht auf wirtschaftlicher Seite”. Nun brauche der Präsident “dringend ein paar Erfolge” vor den Präsidenten- und Parlamentswahlen im nächsten Jahr. Denn: “Es ist gar nicht so hundertprozentig gegessen, dass Erdogan die Wahl gewinnt.” Außerdem ist das Land, vor allem seitdem sich die Beziehungen zu den USA verschlechtert haben, zunehmend isoliert. Die Türkei suche auch deshalb nach einer Beruhigung der Beziehungen zur EU.

Eine Chronologie der Ankara-Wien-Beziehungen

Was vor drei Jahrhunderten die Türkenbelagerung war, ist heute der EU-Beitritt: Seit Jahren gefällt sich die österreichische Politik in der Vorkämpferrolle gegen die Türkei. Doch gab es in der wechselvollen Geschichte der österreichisch-türkischen Beziehungen auch Phasen von Freundschaft und sogar Bündnissen. Eine Chronologie:

1529 – Erste Türkenbelagerung Wiens durch Süleyman den Prächtigen.

1554 – Österreich und das Osmanische Reich nehmen diplomatische Beziehungen auf: Kaiser Ferdinand I. schickt Ogier Ghislain de Busbecq als Gesandten an den Hof des Sultans. Mit kaum einem Land hat Österreich längere diplomatische Verbindungen wie mit der Türkei.

1683 – Zweite Türkenbelagerung Wiens durch Großwesir Kara Mustafa. Die Habsburger-Metropole kann sich nur durch Truppen des polnischen Königs Jan III. Sobieski retten.

1791 – Das Osmanische Reich errichtet in Wien seine erste Botschaft in Europa.

1878 – Österreich-Ungarn besetzt die osmanische Provinz Bosnien-Herzegowina.

1908 – Annexion Bosnien-Herzegowinas nach Revolution der Jungtürken in Konstantinopel.

1914-18 – Österreich-Ungarn und das Osmanische Reich sind Verbündete im Ersten Weltkrieg. Die Mittelmächte Wien und Berlin schauen weg, als die Osmanen im Jahr 1915 den Völkermord an den Armeniern verüben.

12. November 1918 – Auf den Trümmern der Donaumonarchie entsteht die Republik Österreich.

29. Oktober 1923 – Nach der Zerschlagung des Osmanischen Reiches gründet General Mustara Kemal Atatürk die laizistische Republik Türkei.

28. Jänner 1924 – Österreich und Türkei schließen einen Freundschaftsvertrag.

12. September 1933 – Der autoritäre Ständestaat begeht den 250. Jahrestag des Endes der Türkenbelagerung als offiziellen Feiertag (“Türkenbefreiungsfeier”), unter anderem mit einer Massenveranstaltung auf dem Wiener Heldenplatz.

15. Mai 1964 – Österreich und die Türkei unterzeichnen ein “Anwerbeabkommen” zur Entsendung von Gastarbeitern. Das geplante Rotationsprinzip scheitert auch daran, dass die Unternehmen nicht ständig neue Mitarbeiter einschulen wollen. Mittlerweile leben etwa 270.000 Menschen mit türkischem Migrationshintergrund in Österreich, davon 116.000 türkische Staatsbürger. Formell gilt das Abkommen immer noch.

14. April 1987 – Die Türkei beantragt den Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft (EG).

3. November 1988 – Der vom westlichen Ausland isolierte Bundespräsident Kurt Waldheim wird von seinem türkischen Amtskollegen Kenan Evren in Istanbul empfangen. US-Abgeordnete hatten Ankara zuvor vor einer “schweren Belastung” der Beziehungen zwischen den NATO-Partnern gewarnt. Waldheim betont, dass er “keine Konkurrenzsituation” zwischen Wien und Ankara bei der EG-Annäherung sehe.

17. Juli 1989 – Österreich beantragt den Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft. Belgien, das Fürsprecher des türkischen EG-Beitritts ist, äußert Vorbehalte gegen die Aufnahme des neutralen Österreichs in die Gemeinschaft.

23. Juli 1989 – Bei einem Treffen in Bregenz vereinbaren der türkische Außenminister Mesut Yilmaz und sein österreichischer Kollege Alois Mock (ÖVP) intensive Konsultationen beider Länder in der Frage des EG-Beitritts. Die SPÖ wirft Mock daraufhin wegen der Menschenrechtsverletzungen in der Türkei “Instinktlosigkeit” vor.

10. Juli 1992 – Die Ratifizierung eines EFTA-Türkei-Freihandelsabkommens sowie eines Agrarabkommens zwischen Österreich und der Türkei lässt im Nationalrat die Wogen hochgehen. FPÖ-Abgeordneter Alois Huber spricht von “Entwicklungshilfe (…) auf dem Rücken der heimischen Landwirte”, der Grün-Mandatar Severin Renoldner kritisiert, dass Österreich mit dem Abkommen “die menschenrechtsverachtende Regierung der Türkei salonfähig” mache.

17. November 1999 – FPÖ-Chef Jörg Haider spricht sich für eine Beitrittsperspektive der Türkei aus, die geopolitisch ein wichtiger Verbündeter sei.

11. Dezember 1999 – Der EU-Gipfel in Helsinki erkennt der Türkei den Status eines Beitrittskandidatenlandes zu. Bundeskanzler Viktor Klima (SPÖ) und Außenminister Wolfgang Schüssel (ÖVP) begrüßen den Schritt.

17. Dezember 2004 – In Brüssel beschließt ein EU-Gipfel den Beginn von Beitrittsgesprächen mit der Türkei. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) legt sich unmittelbar nach dem Beschluss öffentlich auf eine Volksabstimmung über den EU-Beitritt der Türkei fest: “Es ist wichtig, dass am Ende dieses Prozesses das österreichische Volk das Sagen haben wird, nicht nur das Parlament.” In den Jahren 2006, 2008 und 2013 bekräftigen rot-schwarze Bundesregierungen diese Festlegung.

3. Oktober 2005: Außenministerin Ursula Plassnik (ÖVP) stimmt nach tagelanger Blockade der Eröffnung der Beitrittsgespräche mit der Türkei zu. Auf Betreiben Wiens wird festgelegt, dass die Gespräche “ergebnisoffen” geführt werden.

12. Juni 2006 – Unter österreichischem EU-Ratsvorsitz wird das erste Verhandlungskapitel in den Beitrittsgesprächen (“Wissenschaft und Forschung”) eröffnet und erfolgreich abgeschlossen. Bis heute ist es das einzige der 35 Kapitel, das abgeschlossen werden konnte.

September 2010 – Die Türkei wird zum Thema im Wiener Gemeinderatswahlkampf. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ermutigt in einem Comic einen Buben dazu, einem türkischen Belagerer Wiens (“Mustafa”) mit einer Steinschleuder zu Leibe zu rücken.

6. Oktober 2010 – Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) bemüht sich bei einem mehrtägigen Besuch in der Istanbul, Ankara und der Schwarzmeer-Stadt Samsun um Entspannung und wirbt um eine engere wirtschaftliche Kooperation. Man müsse “rauskommen” aus der Debatte über den EU-Beitritt der Türkei. Der türkische Präsident Abdullah Gül erinnert an frühere Zeiten: “Man übersieht oft, dass wir auch im Ersten Weltkrieg auf der gleichen Seite waren.”

10. November 2010 – Der später abberufene türkische Botschafter in Österreich, Kadri Ecvet Tezcan, übt in einem Zeitungsinterview scharfe Kritik an der österreichischen Integrationspolitik, attackiert Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) und rät internationalen Organisationen wenig verhüllt zum Verlassen Wiens. Den Österreichern wirft er vor, sich nur im Urlaub für fremde Kulturen zu interessieren. Die österreichische Politik reagiert empört, Ankara beruft den Diplomaten einige Monate später ab.

9. Juni 2011 – Die Ernennung von Ex-Außenministerin Ursula Plassnik zur Generalsekretärin der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) scheitert an einem Veto der Türkei. Als Grund wurde dem Vernehmen nach die Skepsis Plassniks gegenüber dem türkischen EU-Beitritt genannt. Außenminister Spindelegger warf der Türkei vor, wortbrüchig geworden zu sein.

19. Juni 2014 – Ein Wahlkampfauftritt des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Wien sorgt für Erregung. 7.500 Menschen kommen in die Albert-Schulz-Halle, fast 8.000 Menschen nehmen an einer Gegenveranstaltung teil. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) wirft Erdogan vor, für “Unruhe” zu sorgen. “Respekt vor dem Gastland schaut eindeutig anders aus.” Die oppositionelle türkische Zeitung “Cumhuriyet” attestiert dem Präsidenten, sich “wie ein Elefant im Porzellanlanden” verhalten zu haben.

22. April 2015: Der Nationalrat beschließt eine Sechs-Parteien-Erklärung zur Verurteilung des Genozids an den Armeniern im Jahr 1915. Die Türkei beruft Botschafter Hasan Gögüs aus Wien ab und erklärt die bilateralen Beziehungen als “dauerhaft beschädigt”.

16. Juli 2016: Nach dem gescheiterten Putschversuch finden in Wien Pro-Erdogan-Demos statt, bei denen sich auch gewaltsame Zwischenfällen ereignen. Österreichs Politik von den Präsidentschaftskandidaten Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer abwärts übt Kritik an den Demonstrationen. Außenminister Kurz sagt der APA mit Blick auf Erdogan-Anhänger: “Wer sich in der türkischen Innenpolitik engagieren will, dem steht es frei, unser Land zu verlassen”.

21. Juli 2016: Wegen der Verhaftungswelle nach dem Putschversuch zitiert Außenminister Kurz den türkischen Botschafter Gögüs ins Außenministerium, um abzuklären, “in welche Richtung sich die Türkei entwickelt”.

3. August 2016: Österreichs Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) spricht sich als erster EU-Regierungschef für den Abbruch der Beitrittsgespräche mit der Türkei aus. Diese seien eine “diplomatische Fiktion”. Beim EU-Gipfel in Bratislava im September bleibt Kern aber mit seiner Forderung isoliert.

5. August 2016: Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu bezeichnet Österreich in einer Reaktion als “Hauptstadt des radikalen Rassismus”. Außenminister Kurz lässt daraufhin Botschafter Gögüs ins Außenministerium zitieren.

4. September 2016: Auf Anordnung des türkischen Außenministeriums müssen österreichische Archäologen ihre Grabungen in der antiken Westküstenstadt Ephesos nach 120 Jahren einstellen.

10. November 2016: In einer gemeinsamen Entschließung fordern alle sechs Parteien im Nationalrat wegen der Verhaftungswelle einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei.

24. November 2016: Die sechs Nationalratsparteien fordern die Regierung auf, ein Waffenembargo gegen die Türkei zu verhängen.

13. Dezember 2016: Außenminister Kurz torpediert eine Einigung der EU-Europaminister zur Fortsetzung der Beitrittsgespräche mit der Türkei, deren Abbruch Österreich fordert. Der türkische Außenminister Cavusoglu betont, dass er nun “auf allen Ebenen gegen Österreich auftreten” werde.

28. Februar 2017: Außenminister Kurz erklärt, dass Auftritte von Erdogan bei Veranstaltungen vor dem türkischen Verfassungsreferendum im April “unerwünscht” seien. Ankara spricht von “unverantwortlichen Kommentaren”.

März 2017: Es wird bekannt, dass die Türkei seit Sommer 2016 NATO-Partnerschaftsprogramme blockiert, um Österreich zu treffen. Erdogan bestätigt dies am 24. Mai: “Wer blockiert, wird auch blockiert. So einfach ist das.”

16. April 2017: Nach dem knappen Votum der Türken für die Einführung des umstrittenen Präsidialsystems sehen sich Politiker von SPÖ, ÖVP und FPÖ in ihrer harten Linie gegenüber Ankara bestätigt. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sagt mit Blick auf die hohe Zustimmung der Auslandstürken in Österreich, die “Freunde der Diktatur” sollten “am besten sofort in die Türkei zurückkehren”.

19. April 2017: FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl fordert als Konsequenz aus der hohen Zustimmung für Erdogan unter Türken in Österreich ein “Aussetzen aller türkischen Einbürgerungen auf unbestimmte Zeit”. Zudem soll das Innenministerium alle Einbürgerungen aus der Türkei in den vergangenen 15 Jahren genau prüfen.

21. April 2017: Das Auftauchen von Listen mit türkischen Wahlberechtigten in Österreich führt zu einer Diskussion über illegale Doppelstaatsbürgerschaften von Austrotürken. Die FPÖ übermittelt dem Innenministerium einen Datenstick mit rund 100.000 Namen.

23. August 2017: Inmitten des Nationalratswahlkampfs attackiert der türkische Europaminister Ömer Celik ÖVP-Chef Kurz. Dieser sei ein “Feind der Flüchtlinge und ein Symbol einer rassistischen Politik”.

6. September 2017: Außenminister Kurz spricht sich gegen einen Ausbau der Zollunion mit der Türkei aus, nachdem zuvor schon Deutschland eine Blockade angekündigt hat.

16. Dezember 2017: Die nach der Nationalratswahl gebildete schwarz-blaue Koalition setzt sich in ihrem Regierungsprogramm die Suche nach Verbündeten “zur Erreichung eines endgültigen Abbruchs der EU-Beitrittsverhandlungen” mit der Türkei zum Ziel.

19. Dezember 2017: Die neue Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) und ihr türkischer Kollege Cavusoglu nehmen in einem Telefonat einen “Neustart” der bilateralen Beziehungen in Aussicht.

APA/Red.

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