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Bayerisches Staatsorchester mit Petrenko in Wien

Kirill Petrenko hat es gerne laut. Der gefeierte Münchner Generalmusikdirektor ließ gestern im Musikverein das in voller Mannschaftsstärke angetretene Bayerische Staatsorchester die längste Zeit loslegen, als gäbe es kein Morgen. Erst nach der Pause bewies er mit einem zarten Mittelsatz von Berlioz' "Symphonie fantastique": Er kann auch leise. Umso lauter war dafür wieder der Schlussapplaus.


Ein Konzert in Wien mit einem Walzer zu beginnen, ist an sich nicht die schlechteste Idee. Das von Maurice Ravel für Djagilew verfasste (aber von diesem letztlich doch nicht aufgeführte) Ballett “La Valse” erwies sich in der bombastisch aufgetragenen Interpretation Petrenkos jedoch mehr schmetternd als schmeichelnd. Mal fühlte man sich an Strawinskys “Le sacre du printemps” erinnert, mal an die Musik zu einem Eislauffilm von Federico Fellini, nie jedoch an das Wiegen im Walzertakt, das im Goldenen Saal nicht nur zu Neujahr ganz natürlich die Besucher erfasst.

Auch in den Gesängen aus “Sodom und Gomorrha” von Karl Amadeus Hartmann (1905-1963) gab es kein Erbarmen – immerhin ging es dabei um nichts weniger als die lasterhafte Menschheit, die sich den Weltuntergang selbst zuzuschreiben hat. Zuzuschreiben wohlgemerkt, und nicht zuzuschreien: Der sonst so famose Bariton Christian Erhaher wurde vom entfesselten Dirigenten derart zum Forcieren gezwungen, dass man ihn bewunderte, für die gesprochenen (nicht mehr zur Vertonung gelangten) Schlussworte noch genug Stimme zu haben: “Es ist ein Ende der Welt! Das Traurigste von allen!”

Nach der Pause des Konzerts, das sich neben dem Bundespräsidenten und seinem einstigen Musiklehrer Friedrich Cerha auch der Intendant der Bayerischen Staatsoper, Nikolaus Bachler, nicht entgehen ließ: wieder ein Walzer – diesmal jedoch eingebettet in die “Symphonie fantastique”. Die pure Programmmusik, die eine tragische Liebe zwischen Begehren und Todessehnsucht nachbildet, wurde mit deutlich mehr Sentiment gespielt.

Auch hier trieb Petrenko mehr an als er bremste, doch ließ er auch erkennen, dass die Bayern – zumal in den Positionen Flöte und Oboe – fantastische Solisten in ihren Reihen haben und bescherte dem Abend mit einer ungemein idyllischen “Szene auf dem Lande”, in der noch die kleinste Regung zu hören war, seinen Höhepunkt.

Beim finalen Hexen-Sabbat war Petrenko wieder ganz in seinem Element. Das Publikum auch. Es umjubelte die Gäste und den unlängst für seinen ersten Münchner “Ring”-Zyklus wie ein Popstar gefeierten Dirigenten lautstark. Petrenko bedankte sich und versprach, dem Publikum abschließend vorzuspielen, wie die Zugfahrt von München nach Wien gewesen sei. Sie muss wie im Flug vergangen sein. Wie im “Hummelflug”.

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