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Bergretter aus Salzburg bilden sich zu Selbstmord-Einsätzen fort

Salzburger Bergretter haben sich zu Selbstmord-Einsätzen und Suizid-Prävention fortgebildet
Salzburger Bergretter haben sich zu Selbstmord-Einsätzen und Suizid-Prävention fortgebildet ©BRK
Ein trauriges aber immer präsentes Thema: Selbstmord am Berg. Bergretter aus Bayern, Oberösterreich und Salzburg haben an einem Vortrag teilgenommen, der bespricht wie man mit Selbstmord umgeht, ob es Präventionsmöglichkeiten gibt und wie man die betroffenen Familien richtig betreut.

Er ist ein gesellschaftliches Tabuthema, mit dem sich die meisten Menschen nicht gerne auseinandersetzen: der Tod im Allgemeinen, der Selbstmord im Besonderen. Dennoch gehören beide regelmäßig zum Einsatzspektrum der Bergretter – weltweit. Auf Initiative des Leiters des Kriseninterventionsdienstes (KID) der Bergwacht Chiemgau, Klaus Überacker und seines Reichenhaller Kollegen Hermann Dietzinger, fand in der Bergrettungswache Bad Reichenhall eine grenzüberschreitende Fortbildungsveranstaltung für Bergretter aus Salzburg und Bayern zum Thema „Psychologische Betreuung – Suizid und Prävention” statt. Referent war Johann Kirschner von der Dopplerklinik in Salzburg – selbst seit vielen Jahren aktiver Notfallpsychologe und ehrenamtlicher Bergretter des Österreichischen Bergrettungsdienstes (ÖBRD).

Ausgebildete Krisenberater helfen

Nach jedem tödlichem Unfall in den Bergen treten bei den Begleitern und Angehörigen des Verstorbenen Traumata auf. Wurden früher bei solchen Einsätzen gerade die alt gedienten Bergretter zur Betreuung der Begleiter des tödich Verunfallten abgestellt, kommen seit den vergangenen rund 15 Jahren sowohl bei der Bergwacht Bayern als auch beim ÖBRD immer mehr speziell geschulte ehrenamtliche Krisenberater zum Einsatz, die zugleich ausgebildete Bergretter sind und bei Einsätzen vorwiegend im alpinen Bereich Familienangehörigen und anderen Betroffenen Beistand leisten.

Dunkelziffer bei Selbstmord am Berg hoch

Immer wieder haben es die Bergretter auch mit Selbsttötungen im Gebirge zu tun, wobei die Dunkelziffer ähnlich wie bei vielen ungeklärten Unfällen im Straßenverkehr einen ungeahnt hohen Anteil ausmachen dürfte. Der Vortrag „Suizid und Prävention” führte die Bergretter thematisch etwas über ihren Tellerrand hinaus, wobei Johann Kirschner als echter Praktiker von seinen jahrelangen Erfahrungen in der Klinik und im ÖBRD berichtete. Kann man suizidale Absichten erkennen, in der Familie, bei Freunden und Bekannten, bei Fremden? Welche präventiven Maßnahmen gibt es? Wie ist der Ablauf einer posttraumatischen Stressreaktion? Wie kann diese Situation bewältigt werden? Wie können die Angehörigen mit Suizid umgehen? Nicht zuletzt ist auch die Bergung eines Leichnams für die Bergretter eine oft sehr belastende Herausforderung; wie können sie damit langfristig umgehen ohne selbst Schaden zu nehmen?

Einsatzkräfte müssen Stress bewältigen

„Obwohl Kirschner die letzte Frage nicht direkt anschnitt, konnten die Zuhörer des Vortrags aus den Anleitungen zur Stressbewältigung für die Angehörigen auch Möglichkeiten der Stressbewältigung für sich selbst erkennen”, erklärt Überacker. „So verwundert es nicht, dass neben den Krisenberatern aus Bayern und Salzburg auch viele Einsatzleiter der Reichenhaller Bergwacht dem Vortrag gespannt lauschten. Sind sie es doch, die die Einsätze im Gebirge koordinieren und frühzeitig an die Spezialisten vom KID zur Unterstützung denken müssen. Im Hinblick auf die Fürsorge für unsere eigenen Einsatzkräfte können bei Bedarf auch noch speziell geschulte Helfer für Stressbewältigung für Einsatzkräfte (SbE) angefordert werden”, weiß Pressesprecher Marcus Goebel aus eigener, langjähriger Einsatzleiter-Erfahrung.

Thema „Selbstmord” ansprechen

Ohne auf die langfristigen Behandlungsmöglichkeiten näher einzugehen, ging es Kirschner vor allem darum, die Bergretter für die Thematik der Selbsttötung zu sensibilisieren. Einerseits ist vor allem die Stressbewältigung nach einem Suizidversuch maßgeblich verantwortlich für die Wiedereingliederung des Patienten in sein soziales Umfeld. Die Familie, enge Freunde und Kollegen können und müssen mitwirken, um den Menschen von der Selbstzerstörung wieder auf die Selbsterhaltung umzuprogrammieren – was für die Experten schwierig ist, da Suizid für viele noch immer ein gesellschaftliches Tabuthema ist, das bewusst ausgeblendet wird.

Angehörige Richtig betreuen

Andererseits sind gerade die Krisenberater der Bergwacht gefordert, die unmittelbar nach einem Ereignis die wichtigen Weichen stellen, wenn es um Stressbewältigung bei den Angehörigen geht. Wie können sie wieder langfristig in ein selbstbestimmtes und nicht von Zweifeln und Fragen dominiertes Leben zurück finden? „Mit vielen gut nachvollziehbaren, konkreten Beispielen aus seiner langjährigen Tätigkeit als Bergretter unterlegt konnte Kirschner in seinem kurzweiligen Vortrag konkrete Hilfestellungen und Informationen zum Thema Suizid und Prävention geben. Uns war aber nach dem Vortrag auch wieder klar, dass bei einem Suizid kein Einsatz wie der andere abläuft; die Hilfestellungen müssen wie sonst auch individuell auf die Menschen und ihre Umstände abgestimmt sein”, berichtet Überacker.

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