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"Desaster": OMV im Kreuzfeuer der Kritik

Turbulenzen beim börsenotierten Öl- und Gaskonzern OMV, es hagelt Kritik. Während Finanzminister Schelling die jüngsten Vorgänge einmal mehr als "unprofessionell" bezeichnete, kritisierte Bundeskanzler Faymann die "chaotischen Zustände", Vizekanzler Mitterlehner die "fortgesetzt problematische Vorgehensweise" und Nationalbankpräsident Claus Raidl spricht von einem "Desaster". ÖIAG-Vorstand Rudolf Kemler indes verteidigte den erzwungenen Abgang Roiss'.

Der Aufsichtsrat der OMV AG und Vorstandschef Gerhard Roiss hatte sich am Dienstag über dessen vorzeitiges Ausscheiden per Ende Juni 2015 geeinigt. Nun werde ein Nachfolger für Roiss gesucht. Weiters werden die Geschäftsbereiche umgebaut, wodurch Gasvorstand Hans-Peter Floren seinen Bereich an einen anderen Vorstand verliert. Auch Florens Abgang dürfte somit bevorstehen. Mit ihm werden “Vertragsverhandlungen” aufgenommen werden.

Konkret werden zwei Geschäftsbereiche ab 1. Jänner 2015 zur neuen Sparte “Downstream” verschmolzen. Der Geschäftsbereich Gas und Power, der bisher von Floren geleitet wurde, soll mit dem Geschäftsbereich Raffinerien und Marketing von Vorstand Manfred Leitner zusammenkommen. Der neue Bereich werde unter der Führung von Leitner stehen.

Ein Grund für den vorzeitigen Abgang von Roiss wurde in der Unternehmensmitteilung nicht genannt. In Medien hieß es, dass es Kritik an seinem Führungsstil gebe. Er soll die Entmachtung von Floren betrieben haben. Nun dürften offenbar beide gehen.

OMV - Mitglieder im Vorstand - Aktualisiert
OMV - Mitglieder im Vorstand - Aktualisiert

Spekulationen über Abgang von ÖIAG-Chef Kemler

Auch über einen Abgang von ÖIAG-Chef Rudolf Kemler war in den letzten Wochen immer wieder spekuliert worden. Der OMV-Aufsichtsratspräsident und Chef der Staatsholding ist seit der Übernahme der Telekom Austria durch den mexikanischen Konzern America Movil umstritten. Die ÖIAG hält 31,5 Prozent an der OMV. Die Koalition plant einen Umbau der ÖIAG.

Bereits im September wurde mitgeteilt, dass der für Exploration und Produktion zuständige Vorstandsdirektor Jaap Huijskes seine Funktion vorzeitig zurücklegen und im 1. Halbjahr 2016 aus dem Unternehmen ausscheiden wird. Sein Vertrag wäre bis Ende September 2018 gelaufen. Insgesamt sitzen im OMV-Vorstand derzeit fünf Manager.

Turbulenzen bei der OMV: Heftige Kritik

Kritik an den jüngsten Vorgängen in der OMV kommt von der Regierung. So kritisierte Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) die Vorgänge am Mittwoch vor dem Ministerrat einmal mehr als “unprofessionell”. Nicht festlegen wollte sich der Finanzminister auf die Frage, ob er sich die Ablöse des Chefs der Staatsholding ÖIAG, Rudolf Kemler, wünschen würde.

Dass nicht sofort ein neuer OMV-Chef bestellt wurde, begrüßte Schelling. Der nun aufgesetzte Prozess sei besser als ein “Hüftschuss”. Grundsätzlich verwies der Finanzminister allerdings darauf, dass Österreich nicht der Mehrheitseigentümer der OMV und die Vorgehensweise Sache der zuständigen Organe sei.

Faymann kritisiert “chaotische Zustände”

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) sieht die Turbulenzen in der OMV als Beleg für die Richtigkeit der Reformpläne in der Staatsholding ÖIAG. Es müsse Ordnung herrschen, “chaotische Zustände nützen niemandem”, sagte Faymann am Mittwoch. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) forderte die ÖIAG auf, sich die im Oktober anstehende Verlängerung von Alleinvorstand Rudolf Kemler gut zu überlegen.

ÖIAG: Regierung will Aufsichtsrat selbst besetzen

Die Regierung will den ÖIAG-Aufsichtsrat wieder selbst besetzen und die unter schwarz-blau eingeführte Selbsterneuerung der Staatsholding beenden. Der “Selbsterneuerungsclub” könne nicht bestehen bleiben, sagte Faymann und verwies darauf, dass die Politik für die Vorgänge in den Staatsbetrieben verantwortlich gemacht werde. “Wenn man Schuld ist, soll man wenigstens entscheiden können und nicht traurig zuschauen müssen”, sagte Faymann nach dem Ministerrat.

Die Reform der ÖIAG soll bis Jahresende ausverhandelt und bis März im Parlament beschlossen werden, sagte Faymann. Grundsätzlich hätte er sich die Reform schon früher gewünscht, die politische Einigung sei aber erst bei der jüngsten Regierungsklausur möglich gewesen.

Mitterlehner sieht “fortgesetzt problematische Vorgehensweise”

Mitterlehner forderte die ÖIAG-Gremien auf, sich die noch im Oktober anstehende Entscheidung über die Verlängerung von Alleinvorstand Rudolf Kemler angesichts der geplanten Reform gut zu überlegen. Zwar habe die Regierung kein Weisungsrecht, räumte der Wirtschaftsminister ein. Er erwartet aber, “wenn jemand merkt, dass die ÖIAG politisch neu ausgerichtet werden soll, dass dann wahrscheinlich überlegt wird, ob es richtig ist, jemanden schon vorweg zu binden”.

Mitterlehner kritisierte am Mittwoch jedenfalls die “fortgesetzt problematische Vorgehensweise” bei der OMV. Schließlich dauere die öffentliche Debatte über Österreichs größtes Unternehmen schon seit August an. “Wenn ich eine angeblich zerstrittene Führungsmannschaft habe und die gleiche Mannschaft macht dann weiter, dann verstehe ich die öffentliche Debatte nicht”, so Mitterlehner. Auch die nun im Raum stehenden 10 Mio. Euro schweren Abfindungen für die vor der Ablöse stehenden OMV-Manager seien “für Bürger unverständlich”.

Mitterlehner sieht den nun noch bis Mitte nächsten Jahres im Amt befindlichen Konzernchef Roiss zwar nicht als “lame duck”, stellte aber die Frage, wozu die Turbulenzen der letzten Zeit nötig gewesen wären, wenn dann ohnehin alles beim Alten bleibt.

Stöger: “Nicht mit Ruhm bekleckert”

Deutliche Kritik am Vorgehen der Staatsholding ÖIAG kam in diesem Zusammenhang auch von Verkehrsminister Alois Stöger (SPÖ): “So wie die ÖIAG derzeit aufgestellt ist, hat man sich nicht mit Ruhm bekleckert.” Er plädiert daher für eine rasche ÖIAG-Reform, mit der auch der Zugriff der Bundesregierung auf die Bundesbeteiligungen gesichert werden müsse.

Derzeit ist die Staatsholding noch nach einem von der schwarz-blauen Regierung beschlossenen Modell organisiert, wonach sich der Aufsichtsrat selbst erneuert und nicht von der Regierung beschickt wird. Die rot-schwarze Regierung möchte dies nun ändern und hat eine entsprechende Arbeitsgruppe zur Reform der Staatsholding angekündigt.

ÖIAG-Reform: Arbeitsgruppe kommt

Die Arbeitsgruppe soll laut Schelling in den nächsten Tagen zusammentreten. “Wir drücken aufs Tempo”, versicherte der Finanzminister in Sachen ÖIAG-Reform. Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) betonte, dass es für die Reform mehrere verschiedene Modelle gebe. Geprüft werden soll demnach, ob auch zusätzliche Unternehmen im Energie- und Infrastrukturbereich in die Staatsholding integriert werden. Ausgeschlossen wurde von Verkehrsminister Stöger allerdings neuerlich eine Integration der derzeit seinem Ressort zugeordneten ÖBB in die Staatsholding: “Es bleibt dabei.”

Raidl spricht von “Desaster” – Kritik an ÖIAG

Scharfe Kritik am Vorgehen der ÖIAG bei der OMV übte zuvor bereits der Nationalbankpräsident Claus Raidl, früher selber ÖIAG-Vorstand. Das Ganze sei ein “Desaster”, sagte Raidl Dienstagabend in der “ZiB2” des ORF. Der Vertrag von OMV-Chef Gerhard Roiss sei ja erst vor einem Jahr verlängert worden. Die Tatsachen hätten sich nicht verändert, offenbar sei man damals zu “feige” gewesen, wetterte er.

Auch die jetzige Entscheidung, dass Roiss noch bis Juni 2015 im Amt bleibe, hält Raidl für falsch. In Personalfragen müssten rasch Entscheidungen getroffen und diese rasch umgesetzt werden. Wer werde nun noch ernsthaft mit Roiss reden, fragte er.

Der ÖIAG fehle offenbar das Gespür im Umgang mit börsenotierten Unternehmen. “Diese ÖIAG mit dem Vorstand und dieser Aufsichtsratsstruktur braucht wirklich niemand”. Rückblickend sei die ÖIAG-Reform der schwarz-blauen Regierung ein Fehler gewesen. Man habe damals auf seinen Rat hin die Politisierung des Aufsichtsrats beseitigen wollen, es habe sich aber eine gewisse Gruppe etabliert, die sich selbst erneuere und ihre eigenen Interessen verfolge: “Aus dem Prellbock zwischen Politik und Wirtschaft wurde ein Bunker.”

Kemler: Einigkeit im OMV-Vorstand war nicht herzustellen

ÖIAG-Vorstand Rudolf Kemler indes verteidigt im Interview mit “News” den erzwungenen Abgang von OMV-Chef Roiss. Im OMV-Vorstand habe es unterschiedliche Vorstellungen über die Strategie gegeben: “Wir haben versucht, Einigkeit im Vorstand herzustellen, aber das war nicht möglich.” Daher habe der Aufsichtsrat handeln müssen, “um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, das Unternehmen zu schädigen”.

Die vorzeitige Ablöse von Gerhard Roiss sei die beste Lösung für das Unternehmen, weil sie eine Neuausrichtung unter einer neuen Führung bedeute, sagte Kemler laut Vorabmeldung im “News”. Der Vertrag von Roiss sei vor einem Jahr “noch unter völlig anderen Marktbedingungen” erfolgt. Inzwischen sei aber vor allem das Gasgeschäft dramatisch eingebrochen. Man werde jetzt mit Hilfe eines Personalberaters in einem mehrstufigen Prozess international die beste Führungskraft für die OMV suchen.

Dadurch, dass Informationen vorzeitig an die Öffentlichkeit gerieten, sei die Vertraulichkeit verletzt worden. Deshalb erfolge eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Die Kritik von Finanzminister Hans Jörg Schelling “freut mich nicht, ich kann die Verärgerung aber verstehen”, sagt Kemler. (APA/red)

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