Deutsche Banken bereiten sich auf Ernstfall in Griechenland vor
Dann werde voraussichtlich jedes Institut, aber auch jedes Unternehmen rasch Notfallpläne besprechen. Im Fokus stünden Fragen wie diese: Wie reagiert man, wenn die Märkte am Montag einbrechen? Welche Investitionsempfehlungen gibt man den Kunden? Welche Kosten drohen im Zahlungsverkehr, wenn in Griechenland die Drachme wieder eingeführt wird? Die Unternehmensberatung Boston Consulting (BCG), die die größten deutschen Banken zu ihren Kunden zählt, hat für diese eine Checkliste mit rund 100 Punkten zusammengestellt, die dann abgearbeitet werden müssen. “Bei einem nicht auszuschließenden Austritt Griechenlands aus der Währungsunion müsste man alle Produkte und alle Abteilungen durchforsten”, sagt Rüdiger Filbry, der bei BCG das Geschäft mit den Banken führt.
“Wollen keine Panik schüren”
Die Folgen wären ganz konkret: “Im Zahlungsverkehr würde die Wiedereinführung der Drachme sofort IT-Projekte nach sich ziehen”, sagt Filbry. “Auch das Firmenkunden-Geschäft und der Handel mit Griechenland wären betroffen.” Experten halten es zwar für unwahrscheinlich, dass schon am Sonntag Entscheidungen fallen, doch die Geldhäuser müssen auf der Hut sein: “Zahlreiche Experten in den Banken müssen in Bereitschaft sein”, sagt der BCG-Mann. Institutionelle Investoren haben seit Monaten Notfallpläne in der Schublade. “Die Kunden wollen die Pläne schwarz auf weiß sehen und wissen, wer dann die Verantwortung trägt”, sagt ein Manager eines großen Vermögensverwalters. Die großen Fondsgesellschaften könnten sofort den Hebel umlegen und binnen Minuten den Geldhahn Richtung Südeuropa zudrehen.
Am offensten hat sich bisher HypoVereinsbank-Chef Theodor Weimer zu den Vorbereitungen geäußert – und damit Erstaunen und Kritik in der Branche geerntet. “Wir haben heute in der Vorstandssitzung beschlossen, dass wir uns am Sonntag treffen für den Fall der Fälle”, sagte Weimer am Dienstag in Berlin. Dabei gehe es vor allem darum, Vorsorge für den Zahlungsverkehr zu treffen. Schließlich wolle man nicht der Letzte sein, der noch Euro in das Land überweist, betonte der Chef der deutschen Tochter der italienischen Bank UniCredit. “Wir wollen doch keine Panik schüren”, sagte ein anderer Bankmanager.
Aus dem Umfeld der Deutschen Bank und der Commerzbank war zu hören, dass für Sonntagabend keine Telefonkonferenzen geplant seien – auch wenn die Euro-Gegner die Parlamentswahlen gewännen. Vermutlich stehe erst in den Tagen danach genau fest, wohin die Reise gehe. “Bei einer Umstellung vom Euro auf die Drachme würde sich nicht vermeiden lassen, dass es erst einmal ein großes Durcheinander gibt”, sagt ein Berater. Griechenland könne schließlich nicht alle im Umlauf befindlichen oder im Land gedruckten Euro-Scheine umstempeln. “Euro bleibt Euro.”
Deutsche Banken rechnen mit geringem Effekt
Für die deutschen Banken hielte sich der direkte Effekt des “Grexit” in Grenzen, doch die Ansteckungsgefahr auf die Märkte oder andere schwache Euro-Länder mag niemand prognostizieren. “Unsere Aktionäre, unsere Kunden und die Aufsichtsbehörden erwarten, dass sich die Bank sorgfältig und rechtzeitig auf alle Eventualitäten und Szenarien vorbereitet”, sagte ein Sprecher der Commerzbank. “Das bedeutet aber nicht notwendigerweise, dass wir diese Szenarien auch für wahrscheinlich halten.”
Die staatliche Förderbank KfW, seit der Millionen-Überweisung an Lehman Brothers nach der Pleite der US-Bank 2008 ein gebranntes Kind, sieht sich dafür gewappnet: “Die KfW führt hierzu in regelmäßigen Abständen Stresstests durch, in denen mögliche Szenarien des weiteren Verlaufs der Euro-Schuldenkrise definiert und deren Auswirkungen auf die Risikotragfähigkeit der KfW simuliert werden”, sagte eine Sprecherin.
Wie nervös die Finanzbranche ist, zeigen die mahnenden Worte des neuen Deutsche-Bank-Co-Chefs Anshu Jain in Richtung Griechenland: “Es steht viel auf dem Spiel”, sagte er in Berlin. “Es bestehen nach wie vor Risiken.” Der gebürtige Inder sprach von potenziell weitreichenden, langfristigen Folgen für Europa und die ganze Welt. Bei der griechischen Parlamentswahl Anfang Mai war die Regierungsbildung gescheitert. Neuwahlen waren die Folge. Und auch dieses Mal zeichnet sich wieder ein Kopf-an-Kopf-Rennen der sparwilligen Parteien und der Reformgegner ab.
(APA)