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Donaufestival setzt zum Auftakt ein Ausrufzeichen

Performer Dries Verhoeven in der Fußgängerzone
Performer Dries Verhoeven in der Fußgängerzone
Zum Auftakt der Jubiläumsausgabe hat das Kremser donaufestival, seit zehn Jahren als Avantgardeveranstaltung in den Bereichen Musik, Performance und Kunst positioniert, alles richtig gemacht. Die Randgruppen-Ausstellung "Human Zoo" von God's Entertainment und ein überragendes, zwischen Tanzbarem und Elegischem changierendes Konzertprogramm erwiesen sich als die Highlights des ersten Tages.


Die Performancegruppe God’s Entertainment ist ein Stammgast des Festivals, hat sich in diesem Jahr aber selbst übertroffen. In der Halle 1, die bisher die größte Bühne beheimatete, präsentiert ein Ausstellungsparcours Menschen hinter Gittern. Ein Punk, ein Roma-Vertreter, eine alleinerziehende Mutter, eine Sexualarbeiterin, Obdachlose – “artgerecht” untergebracht, wie es im Text dazu heißt, erzeugt die gesellschaftliche Grenzen verdeutlichende Installation ein solches Unbehagen und beklemmendes Gefühl, dass die Auseinandersetzung mit der gerne ignorierten Thematik unerlässlich wird.

Ebenfalls in einen Käfig begeben sich die Performer von Dries Verhoeven in der Fußgängerzone. Wenn vor der gläsernen Vitrine die Rollläden hochgehen, wird hinter den Scheiben agiert und dabei etwa, wie gestern Abend, mit zwei Hämmern eine Trommel bespielt, bis diese sich völlig in ihre Bestandteile auflöst. Die unterschiedlichen Reaktionen der Passanten, die das Treiben misstrauisch bis skeptisch beobachten, zeugen von großer Schaulust und Neugier, aber ebenso auch spontaner emotionaler Ablehnung einer so direkten, unvermittelten Zurschaustellung.

Solche teils heftigen Reaktionen hätte man sich bei Santiago Sierras mit Spannung erwartetem Projekt “Lucia & the Prisoners” in der Kunsthalle gewünscht. Der spanische Künstler hatte fünf Häftlinge aus der Justizanstalt Stein mit einer Kombination aus Stroboskop- und Konstantlicht bestrahlt, um bei diesen eine Nahtoderfahrung und dadurch eine kathartische Reinigung zu erzeugen. Die Videodokumentation des Experiments, in fast stummem Schwarz/Weiß gehalten, kann die Brisanz der Arbeit jedoch leider in keiner Sekunde verdeutlichen – ähnlich wie die verpixelten Gesichter bleiben Hintergrund und Wirkung der Arbeit nur verschwommen.

Die Mischungen aus Sound und Visual Art, die Robert Henke mit seiner Lasershow im Klangraum Krems und Macular mit der kinetischen Maschine “Parsec” in der Halle 3 praktizierten, sorgten dagegen für hypnotische Bilder und intensive Wahrnehmungserlebnisse. Letztere bescherte auch das gesamte Musikprogramm, das von den getragenen Klängen eines Ebe Oke und später Daniel Lopatin alias Oneohtrix Point Never (beide Halle 2) bis hin zu den eindringlichen Technoklängen von Jon Hopkins und Mouse on Mars (beide im Stadtsaal) zum Besten zählte, was in den vergangenen Jahren in Krems zu erleben war. So gut (und so gut ausgelastet) darf die zehnte Ausgabe heute, Samstag, und dann fortgesetzt ab kommenden Mittwoch gerne weitergehen.

Das donaufestival in Krems gleicht in seiner zehnten Ausgabe noch mehr als je zuvor einem Versuchslabor. Manche Experimente – wie der Auftakt am Freitag – glücken fast zur Gänze, manche andere – wie der Samstag – verklingen dagegen trotz vielversprechender Ausgangsposition. Es ist allerdings auch nicht so einfach, in den Weiten des Messeareals Clubatmosphäre entstehen zu lassen.

Das Label Hospital Productions, dem am zweiten Tag der Jubiläumsausgabe des Avantgardefestivals ein eigener Abend gewidmet war, hätte für seine Künstler etwa dringend einen kleinen Club statt der vergleichsweise großen Halle 2 benötigt: Vatican Shadow mit seinem Dancefloor-Marsch und Ron Morelli mit seinen Soundscapes sind dort normalerweise zu Hause; einzig die Mischung aus südamerikanischen Rhythmen und Noise-Percussions von Ninos Du Brasil füllte den möglichen Raum scheinbar mühelos.

Auch Dean Blunt und Jeff Mills sind durchaus geeignet, eine große Menge von Menschen zum Staunen oder Tanzen zu bringen. Wenn Blunt seine inspirierende Stroboskop-Messe zelebriert, bleibt das ebenso dauerhaft im Gedächtnis wie Mills’ dreistündiges Technogewitter. Beide hatten einzig mit dem Wetter als Konkurrenz zu kämpfen, das viele Besucher lieber am Gelände im Freien statt im Stadtsaal ihren Abend verbringen ließ.

Das donaufestival wird am Mittwoch fortgesetzt und geht bis 3. Mai. Auf dem musikalischen Programm stehen u.a. noch Peaches, Christian Fennesz und Xiu Xiu. In der Halle 1 wird die herausragende Installation “Human Zoo” von God’s Entertainment fortgeführt, auch die Ausstellungen in der Kunsthalle und die Performance von Dries Verhoeven in der Fußgängerzone laufen weiter. In der Kunsthalle wird zudem Keith Hennessys und Circo Zeros Tanz “Turbulence” zu sehen sein.

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