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donaufestival startete ins finale Wochenende

Die zehnte Ausgabe des donaufestivals lässt seinem Publikum kaum eine Verschnaufpause. Bereits am Mittwoch fiel der Startschuss zum finalen Wochenende, und der hatte es in sich: Tim Hecker evozierte ein düster-melancholisches Wellenbad, Choreograf Jeremy Wade und seine Mitstreiter loteten Klang- wie Körperliches von Licht und Schatten aus, und Pharmakon suchte die Abkürzung zur Hölle.


Wobei Margaret Chardiet, die unter diesem Namen seit einigen Jahren Sounds zwischen Terror, Angst und zaghaften Strukturen verortet, sicherlich den bleibendsten Eindruck hinterließ: Die New Yorkerin betrat kurz nach Mitternacht die Bühne der Halle 2 und führte landläufige Vorurteile gegenüber elektronischen (Laptop-)Künstlern kurzerhand ad absurdum. Einen mächtigen, ohrenbetäubenden Beat in ihre Knöpfchenpalette hämmernd, malträtierte sie das ihr zur Verfügung stehende Instrumentarium bald auch mit Kopf und Mund, stieg mit dem Mikrofon bewaffnet ins Publikum hinab und spie der gefesselten Zuhörerschaft ihre Botschaften ins Gesicht.

Nach etwas mehr als 20 Minuten hatte der Spuk ein Ende gefunden, verließ die zierliche Mitzwanzigerin die Bühne und ließ den aufbrandenden Jubel quasi links liegen. An Intensität war ihr Auftritt dennoch kaum zu überbieten. Mit mehr Abstand zum Publikum, dafür im Empfang von applaudierender Zuneigung offener begegnete man bereits am späten Nachmittag dem kanadischen Elektronikmusiker Tim Hecker. Die Minoritenkirche war zu diesem Zweck (wie üblich) komplett verdunkelt und zur Hälfte bestuhlt. Hecker selbst war ob der enormen Menge Rauch auch aus den ersten Reihen nur schemenhaft zu erkennen, nur getaucht in dezente Rot- und Blautöne.

Ob man sich dem Sog dann mit offenen oder geschlossenen Augen hingab, blieb also einerlei. Hecker servierte eingangs “Prism” von seinem hervorragenden Vorjahresalbum “Virgins”, legte folglich das erste Konzertdrittel zwischen Herantasten und Präzision an und entlud erst nach einem ebenso melancholischen wie zugänglichen Mittelteil allenfalls angestauten Frust. Wo aber andere Musiker dieser Couleur harsche, plötzlich hereinbrechende Sounds und die Luft zerfetzende Intermezzi als Schockmomente einsetzen, ergibt sich Heckers Klangbild zwischen meditativem Ambient und Lärmattacken aus einer Notwendigkeit heraus. Diese Songs leben, atmen und bewegen sich.

Lautstarke Atemgeräusche waren auch Teil der eindrucksvollen Performance “Dark Material”, die im Forum Frohner ihre Österreichische Erstaufführung erlebte. Choreograf Jeremy Wade gab dabei gemeinsam mit Maria F. Scaroni einen zwischen Nähe und Distanz changierenden Pas de deux, während Monika Gryzmala ausgestattet mit Gaffa Tape, Overheadprojektor und Windmaschine die karge Bühne in Licht und Schatten unterteilte. Jamie Stewart und Shayna Dunkelman von Xiu Xiu untermalten die lose zwischen emotionalen Zuständen wechselnde Darbietung mal mit lieblichen Glöckchenklängen, um dann der Macht von Bass und Schlagzeug den Vortritt zu lassen.

Der insgesamt dritte Tag des diesjährigen donaufestivals hatte aber auch seine Längen. Unerwarteterweise war mit Ex-Sonic-Youth-Mitglied Kim Gordon ausgerechnet eine Heldin des Alternative Rock dafür verantwortlich. Als Body/Head bediente sie mit ihrem Gitarrenkollegen Bill Nace allerdings eine mehr als flache, weil texturlose Feedbackorgie, die kaum Überraschungsmomente bereit hielt. Da gelang es dem technoiden Hip-Hop-Trio Clipping bedeutend besser, Krach und Energie in Publikumszuspruch umzumünzen.

Und während Snoww Crystal (Shoegaze trifft Dreampop, allerdings ohne Durchschlagskraft) sowie Gardland (Kopfnicker-Elektro, der in die Tanzbeine fährt) immerhin recht solide agierten, durfte mit Matthew Barnes der Ausklang dieses Tages nochmals groß gefeiert werden. Als Forest Swords gab er im Stadtsaal, unterstützt von einem Bassisten, die perfekte Party für späte Stunden: Dem Hip-Hop entliehene Beats, mit einem ordentlichen Schuss Noise serviert, und zum Drüberstreuen verfremdete Melodielinien, die gerne einen asiatischen Touch versprühen. Dass er, als einziger, eine passende Visualisierung für seine atmosphärisch dichte Reise mitgebracht hatte, markierte den bunten Schlusspunkt für einen zwischen harschen Gegensätzen pendelnden Tag.

(S E R V I C E -)

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