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"Drastische Defizite" in Wien: Kinder werden in Erwachsenenpsychiatrie gebracht

Täglich zwei Kinder zwangsweise in Wiener Erwachsenenpsychiatrie
Täglich zwei Kinder zwangsweise in Wiener Erwachsenenpsychiatrie ©DPA (Sujet)
In Wien gibt es laut Experten bei der Versorgung von psychisch erkrankten Kindern erhebliche Defizite. Täglich werden Kinder in der Erwachsenenpsychiatrie untergebracht.

Durchschnittlich verbringen pro Tag zwei Jugendliche unter 17 Jahren zwangsweise einen Aufenthalt in der Erwachsenenpsychiatrie, weil es für sie keine altersgerechten Kapazitäten gibt.

Maßnahmen gefordert

Patienten- und Volksanwaltschaft forderten bei einem Pressetermin am Dienstag, den 15. März in Wien rasche Maßnahmen. Das Problem bestehe seit Jahren, die Lage verschlimmere sich derzeit aber drastisch: Immer mehr Minderjährige in Österreich benötigen eine spezialisierte kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung. Diese stehe aber auf keiner Ebene flächendeckend zur Verfügung: In Wien etwa sollte die Bettenmessziffer in diesem Bereich bei 128 bis 208 liegen, aktuell stehen 56 Unterbringungs- und 20 Tagesklinik-Plätze zur Verfügung. 191 Kinder mussten im Vorjahr auf Erwachsenenstationen aufgenommen werden. Die jüngsten waren zwölf und 13 Jahre alt.

“Das ist fachlich, menschlich und menschenrechtlich nicht vertretbar”, so Wiens Patientenanwältin Sigrid Pilz. Sie mahnte ein Gesamtpaket mit kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen ein. Ein wichtiger Punkt sei die Personalsituation. “In Wien gibt es magere sechs Kassenstellen für Kinder- und Jugendpsychiater”, was zu langen Wartelisten bei der ambulanten und teilstationären Betreuung führt. Sie mahnte Zwischen- und Gesamtlösungen ein.

“Nicht der richtige Ort für Kinder”

Bernhard Rappert vom Vertretungsnetz schilderte die Auswirkungen. “Das ist nicht der richtige Ort für Minderjährige.” Es handle sich keineswegs um Einzelfälle. Nur etwa die Hälfte wurde 2015 in den für diesen Zweck vorgesehenen Institutionen versorgt, der Rest zusätzlichen Belastungen durch den Umgang mit den erwachsenen Patienten ausgesetzt. Dieses Vorgehen sei nicht nur nachteilig für die Betroffenen, sondern rechtswidrig. Die Experten rechnen mit zeitnahen dementsprechenden Gerichtsurteilen. Sie fordern ein komplettes altersspezifisches Betreuungsprogramm.

Volksanwalt Günther Kräuter sprach von einem “Notstand”, der auch auf die Ausbildungssituation zurückzuführen sei. Erst 2007 hat sich das Fach hierzulande etabliert, rasch wurde festgestellt, dass es zu wenig Plätze gibt. Ob die Lockerung der Ausbildungsvorschriften Mitte 2015 zu mehr Angebot führt, werde derzeit erhoben. “Jeder Euro, den wir heute in diesen Bereich investieren, rechnet sich langfristig mit fünf Euro”, betonte Patientenanwalt Rappert.

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(APA)

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