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Ein Jahr ohne Kleiderkauf: Nunu Kaller und ihr Konsumverzicht-Experiment

Nunu Kaller wollte nicht mehr shoppen - und versuchte sich stattdessen an Nähmaschine und Stricknadeln
Nunu Kaller wollte nicht mehr shoppen - und versuchte sich stattdessen an Nähmaschine und Stricknadeln ©Privat
Eine junge Frau aus Wien geht regelmäßig und gerne shoppen - besonders neue Kleider. So weit, so normal. Doch Nunu Kaller hatte eines Tages genug vom ständigen Einkaufen, das sie im Grunde nicht glücklich machte - und beschloss, für ein ganzes Jahr auf den Kleiderkauf zu verzichten. Wie das Experiment verlief, hat sie VIENNA.AT im Interview erzählt.
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Der 16. Jänner 2012 sollte ein bedeutsamer Tag im Leben von Nunu Kaller werden. Es war der Tag, an dem sie beschloss, dass sie nun fürs Erste genug eingekauft hätte. Spaß am Einkaufen ist die eine Sache – aber Kaller hatte das Gefühl, das ihr Shoppingverhalten – Stichwort Kleiderkauf – in letzter Zeit vollkommen aus dem Ruder gelaufen war.

Ein Experiment wider den Konsum

Und dagegen wollte sie etwas tun. Sie startete ein ungewöhnliches Experiment und dazu ihren eigenen Blog “Ein Jahr ohne Kleiderkauf – Shopaholic auf Entzug”. Der Name war Programm – und das “Modediät”-Experiment der jungen Wienerin führte sie zu spannenden Erkenntnissen, kritischem Hinterfragen von Konsum, Besitz und Kleiderproduktion sowie einer ganz neuen Liebe zum Stricken. Alles über ihr Konsumverzicht-Experiment, was sie daraus lernte und wie sie das Einkaufen durch sinnvolle Tätigkeiten kompensierte, hat sie uns im persönlichen Gespräch nach zwölf Monaten ohne Shoppen berichtet.

Wie bist du auf die Idee gekommen, dir selbst so einen strikten Verzicht in Sachen Shopping aufzuerlegen? Was hat dazu geführt, dass du dir gedacht hast: Ich zieh das jetzt wirklich durch?

Nunu Kaller: Ich habe immer schon gerne geshoppt, aber im Jahr 2011 wurde es fast schon extrem. Persönlich ging es mir nicht gut, ich hatte mehrere Schicksalsschläge zu verarbeiten, und ich war locker alle zwei Wochen shoppen, um mich abzulenken, zu belohnen, zu trösten. Es fiel mir selbst schon auf, dass es zuviel wurde, ich ging mit einer Selbstverständlichkeit shoppen, mit der andere Lebensmittel kaufen. Von dieser einjährigen Shoppingdiät las ich in einem Magazin (ein Zweisatz-Artikel) und war sofort inspiriert und beschloss: Das mach ich auch. Gesagt, getan, und gut war’s.

Das Leben ohne Kleiderkauf

Wie hat sich dein Experiment entwickelt?

Nunu Kaller: Am Anfang dachte ich, ich könnte mich von keinem einzigen Teil in meinem Kleiderschrank trennen. Im Oktober habe ich insgesamt vier große Ikea-Säcke Kleidung ausgemistet. Ich habe mir anfangs vorgenommen, einen Pullover zu stricken, um festzustellen, wie lange das dauert und wieviel Arbeit es ist – und bin dem Stricken komplett verfallen. Ich habe am Anfang ein Fünf-Euro-Shirt als “gute Gelegenheit” betrachtet, inzwischen könnte ich mir so etwas nicht mehr kaufen – weil ich weiß, was dahintersteckt. Die umwelt- und sozialpolitische Motivation hinter dem Projekt hat sich erst mit der Zeit, als ich intensiv über die Produktionsweise konventioneller Bekleidung recherchierte, ergeben, spielt aber inzwischen eine wichtige Rolle am Blog. Zusammengefasst: Es hat sich unglaublich viel verändert, und ich finde das wirklich wunderbar.

Was hast du dir einfallen lassen, um trotz Kleiderkauf-Verbots zu neuen Sachen zu kommen?

Nunu Kaller: Ich habe selbst produziert – erfolgreich gestrickt, weniger erfolgreich genäht – und ich war auf Tauschparties von professionell organisiert bis privat angeleiert.

Eigenproduktion à la Nunu Kaller

Bist du jemand, der öfter einmal „Frust-Shoppen“ gegangen ist – oder war es bei dir schon Kaufsucht?

Nunu Kaller: Das Frust-Shoppen war der Auslöser für den Boykott – aber als Kaufsucht würde ich es nicht bezeichnen. Es ging mir im Nachhinein betrachtet mehr um die Ablenkung als um den Reiz des Neuen. Aber in der Risikogruppe war ich definitiv.

Was hat dir am Meisten gefehlt in diesem Jahr?

Nunu Kaller: Stiefel, Stiefel, Stiefel. Wahnsinn, was ich da für einen Knall hab, bei schönen Boots setzts einfach aus bei mir.

Du hast es wirklich durchgehalten, oder? Gab es irgendeine Schummelei deinerseits im Laufe dieses Jahres ohne Shopping?

Nunu Kaller: Nein, keine Schummelei, ich war streng. Tauschen und Selbstproduktion war erlaubt, Neukauf nicht. Und ich bin ziemlich stolz drauf, weil ich ansonsten kein sehr konsequenter Mensch bin. (schmunzelt)

Bewusst einkaufen statt zwanghaft shoppen

Was für einen Zugang hattest du vor deinem Experiment zum Shoppen – und welchen jetzt?

Nunu Kaller: Mein Zugang jetzt ist ein viel bewussterer. Ich überlege, ob ich dieses oder jenes Stück wirklich brauche, und ich achte darauf, wo es herkommt und wie es produziert worden ist. Seit Ende des Jahres habe ich mich sehr bewusst mit einem Paar Stiefel belohnt, mir ein Paar Gummistiefel besorgt (Kategorie “brauch ich”), und Strumpfhosen gekauft, meine waren schon recht kaputt. Außerdem habe ich mir einige sehr schöne Stücke ertauscht.

Was für eine Bilanz ziehst du nach deinem Experiment?

Nunu Kaller: Das Experiment war ein voller Erfolg – für mich persönlich, weil es mir selbst “bewiesen” habe, weil ich in dem Jahr unzählige Erkenntnisse gesammelt habe, und weil ich im wahrsten Sinne des Wortes meinen roten Faden gefunden habe. Sowohl die Beschäftigung mit dem Thema als auch das Schreiben darüber ist sinnvoll und sehr befriedigend.

Was sind deine wichtigsten Erkenntnisse?

Nunu Kaller: Ich habe mich genau damit auseinandergesetzt, wo die Kleidung aus konventioneller Produktion herkommt – und meine Konsequenzen gezogen. Ich habe gelernt, wie unglaublich viel Spaß Stricken macht.
Außerdem: Weniger ist mehr ist nicht nur ein Sprichwort – sich quantitativ nicht zu überfrachten, sondern sich wieder über einzelne Stücke, die man sich hin und wieder gönnt, freuen, gibt dem eigenen Konsumverhalten einen ganz neuen Sinn und Wert.

Nachhaltigkeit: Tauschen statt kaufen

Wo kaufst du denn eigentlich gerne Kleidung ein? Achtest du auf nachhaltig produzierte Kleidung, kaufst du Second Hand oder auf Flohmärkten?

Nunu Kaller: Ja, nachhaltig produzierte Kleidung ist mir wichtig, sie muss mir aber auch gefallen. Ich freue mich schon sehr auf die WearFair 2013 Ende September in Linz, da gibt es eine riesige Auswahl an Ausstellern ökofairer Kleidung. Mit Kleidung von Flohmärkten tu ich mir interessanterweise schwer, Secondhand-Läden und vor allem Tauschparties finde ich besser. Auf solchen privaten Parties wird mit der getauschten Kleidung gleich mal die Vorgeschichte mitgeliefert, das mag ich sehr. Einkaufen in den Fetzenläden auf der Mariahilfer Straße reizt mich inzwischen genau gar nicht mehr.

Wie geht es denn jetzt weiter? Planst du, das Experiment zu wiederholen, oder “genügt” es dir, dass du deine Einstellung so nachhaltig verändert hast?

Nein, eine neues Projekt habe ich derzeit nicht in Planung, es ist nämlich das bewusste, gesteuerte Einkaufen ohne selbstauferlegten Komplettboykott viel schwieriger als der Komplettverzicht. Ich hab nur so kleinere Nebenprojekte wie weiter Ausmisten, öfter mal Nähen, Pullis stricken usw.

Viel Erfolg dabei! Wir danken fürs Gespräch.

(DHE)

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