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Fragen zu Asyl-Themen an Kultur-Institutionen in Wien und NÖ

Anna Badora ist eine der Interviewpartner.
Anna Badora ist eine der Interviewpartner. ©APA (Sujet)
In der aktuellen Flüchtlingskrise wird nun nahezu überall überlegt, wie man reagieren kann - auf und hinter der Bühne, künstlerisch und praktisch. Es werden Spendenaktionen, Benefizabend, gemeinsame Projekte und Diskussion geplant. Auch Arbeitsmöglichkeiten für Asylwerber werden geprüft.
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Den Direktionen ausgewählter heimischer Kulturinstitutionen wurden in einem APA-Interview drei Fragen gestellt – hierzu die teilweise leicht gekürzten Antworten.

Die Fragen an Kulturinsitutionen in Wien und Niederösterreich

1) Wird sich die dramatische Flüchtlingssituation in den kommenden Wochen auf Ihr Programm bzw. die Pläne Ihres Hauses auswirken? In welcher Weise? Sind Benefizveranstaltungen geplant?

2) Soll Kunst überhaupt auf solche Entwicklungen reagieren – künstlerisch oder als Teil der Solidargemeinschaft?

3) Soll man versuchen, Flüchtlinge bzw. Asylwerber auch als Publikum zu gewinnen? Mit welchen konkreten Aktionen könnte dies gelingen?

Antworten von Anna Badora, neue Direktorin am Volkstheater Wien

1) und 2): “Im Rahmen unserer Produktion ‘Junges Volkstheater’ haben wir die Produktion ‘Ausblick nach oben’ gestartet. 18 Kinder und Jugendliche im Alter von 10-18 Jahren mit insgesamt neun verschiedenen nationalen und kulturellen Hintergründen machen mit, darunter auch Flüchtlinge. Im November 2015 wird ein weiteres Spielclubprojekt, hier zum Thema ‘Fußball’, inspiriert durch die Hauptbühnenproduktion ‘Hakoah Wien’ starten. Es richtet sich speziell an geflüchtete Jugendliche im Alter von 17-23 Jahren, die noch keine oder wenig Sprachkenntnisse haben. Das Projekt wird unterstützt und finanziert von ‘Interface’ (Verein zur Förderung gesamtgesellschaftlicher Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund) und ‘Hunger auf Kunst und Kultur’.

In allen Formaten des Jungen Volkstheaters bemühen wir uns um einen niedrigschwelligen Zugang zum Theater, sei es durch günstige Karten, Dolmetschen und auch die Idee von Patenschaften. Jugendliche der Spielclubs übernehmen Patenschaften für jugendliche Flüchtlinge, zeigen ‘ihr’ Wien, übernehmen Verantwortung, spenden Zeit. Darüber hinaus haben wir mit dem Roten Kreuz eine Vereinbarung getroffen, dass wir nach Vorstellungen Geld sammeln und dies über das Rote Kreuz gezielt bedürftigen Flüchtlingsfamilien zu Gute kommen lassen.

Generell hat unser Spielplan für die neue Spielzeit bereits Themen wie IS und syrische Flüchtlinge im Programm. Dafür stehen Stücke wie ‘Überzeugungskampf’ und ‘Homohalal’. Wir streben aber auch an, mit anderen Bühnen in Wien eventuell gemeinsame Projekte zu starten.”

3) “Damit Kunst nicht von gesellschaftlichen Entwicklungen abgehängt und somit irrelevant wird, muss sie auf solche Entwicklungen reagieren. Aber Theater ist ein langsames Medium und kann nicht sofort auf tagesaktuelle Themen mit ausgereiften Inszenierungen reagieren. Es kann aber durch z.B. Diskussionen und durch öffentliche Auseinandersetzung mit bestimmten Themen ein entsprechendes Bewusstsein für diese Themen schaffen. Wir veranstalten zu diesem Themenkomplex im November in Kooperation mit der Europäischen Theaterunion unter dem Stichwort ‘Conflict Zones’ am Volkstheater ein Round Table.”

Antworten von Bettina Hering, Intendantin des Landestheaters NÖ

1) “Die gegenwärtige Situation in Hinblick auf Flüchtlinge und Migranten beschäftigt mich persönlich und uns alle im Theater sehr. Wir diskutieren verschiedene Maßnahmen, folgendes ist im Gang: Im Rahmen unserer open house Tage werden sämtliche Einnahmen der Emmaus Gemeinschaft gespendet, die sich seit Jahren jugendlichen unbegleiteten Flüchtlingen annimmt. Das machen wir bereits zum zweiten Mal. Die Emmaus Gemeinschaft hat an diesen Tagen auch eine Plattform im Theater, um über ihre Aktivitäten zu informieren und sich mit dem Publikum auszutauschen. Wir planen zudem eine Benefizveranstaltung, um auch finanziell noch mehr Unterstützung anbieten zu können. Ein Projekt im Rahmen des Spielplans 15/16 ist die Uraufführung mit dem Titel ‘Flammende Reden, brennende Plätze’. Da werden Stimmen von Aktivisten Gehör finden, die teilweise als Folge ihres Engagements fliehen mussten. In unserem Bürgertheater, mit dem wir regelmäßig eine Produktion pro Saison erarbeiten, sind prinzipiell alle BürgerInnen willkommen. Wir freuen uns, wenn wir in diesem Zusammenhang mit Menschen zusammenarbeiten, die unseren Horizont erweitern.”

2) “Theater muss gesellschaftlich verankert sein, das ist nicht nur mein Credo, sondern muss auch in die Tat umgesetzt werden. Selbstverständlich soll Kunst reagieren. Das heißt nicht, dass jede Kunst darauf reagieren muss, das ist also kein Dogma, sondern künstlerische Freiheit. In der aktuellen Situation ist es vor allem wichtig ein differenziertes Bewusstsein für die Menschen zu schaffen, die aufgrund lebensbedrohender Situationen gezwungen sind, ihre Länder zu verlassen. Es muss zu einer Deeskalation der Sprache kommen, um die Ängste und Ressentiments, die mit diffusen Botschaften geschürt werden, abzubauen.”

3) “Wir recherchieren, ob Flüchtlinge bzw. Asylbewerber bei uns arbeiten könnten, das erscheint mir momentan am sinnvollsten.”

Antworten von Roland Geyer, Intendant des Theaters an der Wien

1) “Eine unmittelbare Reaktion im künstlerischen Bereich ist im Opernbetrieb fast unmöglich, da die Produktionen und Details mindestens zwei Jahre im Vorhinein durchgeplant sind. Wir werden den Kartenerlös der Generalprobe von Monteverdis ‘L’incoronazione di Poppea’ für die Flüchtlingshilfe spenden und während des Sommers haben unsere MitarbeiterInnen für die Caritas Flüchtlingshilfe Sachspenden gesammelt. Die Hilfsbereitschaft ist auch in unserem Unternehmen groß.”

2) “In der Oper sind (wie auch im realen Weltgeschehen) Krieg, Vertreibung, Flucht, Fremdenhass immer wiederkehrende Themen, und Regisseure reagieren mit ihren Inszenierungen sehr unterschiedlich darauf. Ich denke, es geht in erster Linie um eine solidarische Haltung in der Gesellschaft, und Kunst soll auch ein wichtiges Instrument in der Reflexion sein.”

3) “Neues Opernpublikum sehe ich hier nicht. Wir sind offen für Aktionen und nehmen an Kooperationen mit Sozialeinrichtungen teil (z. B. Kulturpass ‘Hunger auf Kunst und Kultur’). Sehr wichtig ist die Unterstützung und Förderung von Jugendlichen. Im Rahmen unserer Musiktheatervermittlung nehmen seit Jahren regelmäßig und immer mehr Jugendliche mit Migrationshintergrund teil.”

(apa/red)

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