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Friedensappelle von Barenboim beim Neujahrskonzert

Barenboim dirigiert das zweite Mal
Barenboim dirigiert das zweite Mal
Für das Einläuten des Gedenkjahres 2014 haben die Wiener Philharmoniker mit Daniel Barenboim auf den richtigen Botschafter gesetzt. Der dekorierte Pazifist nutzte das Neujahrskonzert für einen Friedensgruß, einen virtuos argumentierten Appell an Vernunft und Verständigung. Über Fernsehen, Radio und Internet wurde das "Prosit" aus dem Wiener Musikverein wieder in alle Welt gesendet.


Barenboims im Vorfeld geäußerte Sorge, das jeweils zweite Neujahrskonzert eines Dirigenten laufe Gefahr, weniger einzigartig zu sein, war unberechtigt. Zwar setzte der Maestro den bei seinem Einstand am Neujahrs-Pult 2009 eingeschlagenen Weg fort, walzerselige Hörgewohnheiten infrage zu stellen, kriegerische Marschtöne ins Satirische zu ziehen und auf präzis artikulierte Schlankheit statt auf polternden Schmalz zu setzen – einzigartig aber war diesmal die Bedeutung dieses Weges: Kein anderer Dirigent kann in seiner Musik und seiner Person so glaubhaft das Gedenken an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren mit einem Aufruf zu Frieden und Versöhnung heute verknüpfen.

Dass Barenboim nicht der Typ Marschmusik ist, bekam auch der “Radetzkymarsch” zu spüren – der diesmal erst gar nicht dirigiert wurde. Stattdessen bahnte sich der Maestro während des traditionellen Schlussstücks seinen Weg durch das Orchester, um jedem einzelnen die Hand zu schütteln (und dabei vom Spielen abzuhalten), die Musiker und auch das eifrig mitklatschende Publikum mussten ohne Taktstock auskommen – für beide natürlich kein Problem.

Die pazifistischen Hymnen “Friedenspalmenwalzer” oder “Seid umschlungen, Millionen” liegen Barenboim da schon viel eher – und erhielten eine klanglich vollendete und dramaturgisch penible Ausgestaltung mit zwingendem, erhebendem Appellcharakter. Da bleibt keine süße Selbstvergessenheit am schlaftrunkenen Neujahrsmorgen – da wird mit klarem Kopf, kühlem Verstand und scharfem ästhetischen Sinnesapparat auf das große Ganze geschaut. Auch die Feinheiten von Stücken wie der “Waldmeister”-Ouvertüre, die in dieser Version Referenzcharakter bekommen könnte, oder in der ebenso schlanken wie nachdenklichen Interpretation von den “Geschichten aus dem Wienerwald” und dem “Donauwalzer” setzte Barenboim starke Akzente. Umso rasanter gab sich der argentinisch-israelische Maestro in den zahlreichen Polkas des Vormittags.

Zusätzliche Perspektiven gab es zumindest für die Fernsehzuseher – 40 bis 50 Millionen Menschen verfolgen die ORF-Produktion auf mehr als 90 TV-Sendern weltweit – mit den Einspielungen aus dem Wienerwald, dem Pausenfilm “Backstage”, für den Felix Breisach Proben der Musiker und der Tänzer, Kostümschneiderei und Blumensteckerei in einem Vorbereitungspotpourri zusammengewürfelt hat, sowie mit den Balletteinlagen.

Im barocken Stadtpalais Liechtenstein führte das Wiener Staatsballett in einer luftigen Choreographie von Ashley Page die exaltierten Kostümroben von Vivienne Westwood vor – klassisch edel in Lanners “Romantiker”-Walzer, komödiantisch in Schottenkaro und Pantomime-Ästhetik bei Delibes’ “Pizzicato” aus dem Ballett “Sylvia”. Etwas deplatziert wirkte dagegen eine heuer auch im Musikverein gereichte Tanzeinlage: Zum Donauwalzer gaben sich die Profi-Tänzer Vadim Garbuzov und Kathrin Menzinger ein kurzes Stelldichein am Zuschauerparkett.

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