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"Gewaltmarsch der Mandatare"

Wie jedes Jahr unternimmt der Nationalrat auch heuer vor dem Sommer noch einen parlamentarischen Gewaltmarsch. Drei Tage lang treffen sich die Mandatare von Mittwoch bis Freitag im Plenum, um jede Menge größerer und kleinerer Gesetze zu beschließen.

Zu den Highlights gehören die Mindestsicherung, die Ärzte GmbH sowie die Einführung der elektronischen Fußfessel. Ein wenig Abwechslung wird den Abgeordneten am Donnerstag mit der Angelobung von Bundespräsident Heinz Fischer geboten.

Gestartet wird die Plenarwoche jedenfalls von der ÖVP, die am Mittwoch für die “Aktuelle Stunde” das “familienfreundliche Österreich” thematisiert. Im Anschluss wird nach langer Verzögerung die Bund/Länder-Vereinbarung zur Mindestsicherung verabschiedet. In Kraft treten soll sie mit September und die Sozialhilfe ersetzen. 744 Euro pro Monat gibt es, sofern der Bezieher das Kriterium der Arbeitswilligkeit erfüllt. Bevor das Geld fließt, muss aber ein Großteil des eigenen Vermögens verwertet werden, auch ein Auto darf nur behalten werden, wenn es beruflich benötigt wird.

Dass es überhaupt noch vor dem Sommer zum Beschluss kommt, verdankt die Mindestsicherung der koalitionären Einigung zur Transparenzdatenbank. Hätte sich die Koalition hier nicht auf einen Entschließungsantrag verständigt, hätte die ÖVP die Mindestsicherung blockiert. So wird nun eine entsprechende Willenserklärung verabschiedet, die spätestens 2012 ein bundesweit verfügbares Förderkonto zum Ziel hat.

Auch einen kleinen Vorgeschmack auf die Pensionsreform bietet das Mittwoch-Plenum. Dem Umstieg von Beamten ins ASVG-System, um schneller zu einer Hackler-Pension zu kommen, wird seine Attraktivität genommen. Die Pensionsbezüge sind künftig erst fünf Jahre nach dem Übertritt abzurufen, frühestens mit dem 62. Lebensjahr. Attraktiv war das ASVG-System vor allem für Beamtinnen, da für sie im öffentlichen Dienst das gleiche Antrittsalter gilt wie für Männer. Mit dem Wechsel konnten sie fünf Jahre früher in den Ruhestand.

Ebenfalls unter den größeren Materien findet sich die elektronische Fußfessel. Für sie in Frage kommen Personen in U- oder Strafhaft, die sozial ausreichend integriert sind und deren Strafe ein Jahr nicht übersteigt. Der Häftling darf sich mit der Fessel jedoch nur dorthin bewegen, wohin zu gehen ihm erlaubt wurde – also etwa zum Arzt oder zur täglichen Arbeit.

Ansonsten bietet der erste Plenartag der Schlusswoche beispielsweise eine Ermächtigung an den Finanzminister, Haftungen für Leihobjekte der vom 8. Oktober 2010 bis 9. Jänner 2011 in der Wiener Albertina gezeigten Ausstellung “Michelangelo. Zeichnungen eines Genies” zu übernehmen, sowie die rechtliche Grundlage für den Einsatz von ehemaligen Post- und Telekom-Mitarbeitern in der Justiz.

Am Mittwoch verbringen National- und Bundesrat den Vormittag damit, der Angelobung von Bundespräsident Fischer beizuwohnen. Dann geht es für fünf Stunden für die Nationalratsabgeordneten wieder in den Sitzungssaal, um unter anderem eine weitere Nulllohnrunde für Politiker zu beschließen.

Ferner stärken die Mandatare ihre eigenen Rechte, die ihnen vom EU-Vertrag von Lissabon zugesprochen werden. Neu in die Verfassung aufgenommen werden die Instrumente der “Subsidiaritätsrüge” und der “Subsidiaritätsklage”. Erstere hilft, entstehende Gesetze zu verhindern, zweitere, bereits beschlossene Materien zu Fall zu bringen. Ist das Arbeitsprogramm absolviert, geht es in die Hofburg, um mit dem Bundespräsidenten auf dessen zweite Amtszeit anzustoßen.

Der letzte Plenartag vor dem Sommer wird von Infrastrukturministerin Doris Bures (S) eingeleitet, die sich den Fragen der Abgeordneten stellt. Interessantester Beschluss ist die Einführung von Gruppenpraxen über Ärzte GmbH. Ermöglicht werden mit den neuen Gesellschaften die verschiedensten Formen der Zusammenarbeit von Ärzten. So ist es etwa denkbar, dass Allgemeinmediziner mit Fachärzten eine gemeinsame Praxis betreiben, aber auch die Zusammenarbeit von zwei Allgemeinmedizinern oder von mehreren Fachärzten ist möglich.

Mehr Möglichkeiten zur Feinstaubbekämpfung werden den Landeshauptleuten mit dem neuen Immissionsschutzgesetz-Luft übergeben. Mit dem neuen Arzneiwareneinfuhrgesetz soll der illegalen Einfuhr von Medikamenten entgegengewirkt werden. Durch eine Änderung der Gewerbeordnung wird die Errichtung von Gastgärten erleichtert.

Neben dem normalen Programm ist wohl auch mit zumindest einer Dringlichen Anfrage zu rechnen, umso mehr als die Stimmung zwischen Koalition und Opposition wieder einmal aufgeheizt ist, nachdem das Budget 2011 erst im Dezember und damit fast zwei Monate verspätet vorgelegt werden soll. Als erste an der Reihe wären mit einer “Dringlichen” die Grünen, das BZÖ käme nur zum Zug, wenn eine der beiden anderen Oppositionsparteien verzichtet. Denn für den Donnerstag wurde vereinbart, auf Dringliche Anfrage und Kurzdebatten zu verzichten, um allen Abgeordneten eine Teilnahme am Empfang des Bundespräsidenten zu ermöglichen.

Endgültig fixiert wurde diese in Aussicht genommene Tagesordnung zwar am Freitag in der Präsidiale noch nicht, größere Änderungen, was die zu behandelnden Materien betrifft, sind jedoch nicht mehr zu erwarten.

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