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Herbie Hancock in Wien: Am Ende zündete der Funk(e)

Herbie Hancock wusste leider nicht zu begeistern.
Herbie Hancock wusste leider nicht zu begeistern. ©Jazz Fest Wien Archive
Jazz-Fusion-Altmeister Herbie Hancock stellte am Montagabend sein neues "Imagine Project" beim Jazz Fest live in der Wiener Staatsoper vor. In Fahrt kam das Konzert allerdings erst gegen Ende.

Jazz-Fusion-Altmeister Herbie Hancock stellte gestern, Montag, Abend sein neues “Imagine Project” beim Jazzfest live in der Wiener Staatsoper vor – und die Schrecksekunde währte fast zwei Stunden: Wird das irgendwann doch noch ein mitreißendes Konzert oder war’s das jetzt? Doch knapp nach halb zehn rollte die Band dann (endlich!) den knochentrockenen Funk-Teppich aus, der jugendlich-agile 70er hängte sich seinen Roland AX Synthesizer um (den man trotz Keyboard quasi wie eine Gitarre spielt) – und in Sekundenbruchteilen riss es das Publikum im gut gefüllten Opernhaus aus den Plüschsesseln. Freilich nur mehr für die zwei Zugaben.

Friede, Freude, Weltmusik

Herbie Hancocks “Imagine Project” ist ein Friede-Freude-Weltmusik-Werk, das quasi als Ausgangspunkt John Lennons “Imagine” benutzt. Auf dem Album singen da allein im Intro Pink und Seal, der Rest der CD ist ein Sammelsurium von internationalen Stars, die meist bekannte Pop-Songs – von Peter Gabriels “Dont’ Give Up” bis zu Bob Dylans “The Times They Are A’ Changin'” – unter der Regie von Meister Herbie und seinem Star-Produzenten Larry Klein neu interpretieren, meist recht gedehnt und – was der Sache glücklicherweise einigen Pep verleiht – mit recht viel afrikanischem Musikflair.

Langatmige Vorrede

In der langatmigen Vorrede zu seinem Konzert vermeldete Hancock denn auch stolz, dass das Album Musiker als elf Ländern vereinigt, in sieben Sprachen gesungen wird und die Tracks auch in sieben Ländern aufgenommen wurden. Allein: Das Endprodukt wird dem Aufwand leider kaum gerecht, ist weder mitreißend noch innovativ – ein weiteres Friede-Freude-Weltmusik-Bekenntnis halt. Dafür lebt die Weltverbesserungsproduktion im Studio wenigstens von den großen Namen (neben den Genannten noch Jeff Beck, Juanes, John Legend, Dave Matthews, Chaka Khan, James Morrison, Los Lobos usw. usf. – alle können im Rahmen dieses Textes leider beim besten Willen nicht genannt werden…), die aber natürlich ausnahmslos nicht auf der Bühne der Staatsoper standen.

Orientierungsloses Hin-und-Her

Das wäre ja nicht so ein Problem, wäre der Abend nicht knappe zwei Stunden lang ein orientierungsloses Hin-und-Her zwischen unspektakulär interpretierten Nummern des “Imagine Projects” und Material aus dem umfangreichen Herbie Hancock-Fundus geworden. Ein Spannungsbogen fehlte gänzlich. Und die Band war insgesamt leider alles andere als furios. Dabei saß an den Keyboards immerhin Edel-Domestik Greg Phillinganes. Der verwaltete allerdings hinter seiner Batterie aus drei Korg-Snythesizern bloß möglichst unaufwendig den kaum hörbaren elektronischen Klangteppich – und sang manchmal, was immerhin eine Überraschung war.

Kaum Spannung und Intensität

Herausragend einzig Vinnie Caleiuta an den Drums, der mit seinem subtilen Spiel brillierte (aber zum Teil etwas zu stark dominierte) – und zumindest in zwei Passagen so etwas wie “Duette” mit Herbie Hancock am Konzertflügel hinlegte, in denen endlich Spannung und Intensität aufkam. Am Bass durfte die 24-jährige Australierin Tal Wilkenfeld agieren – die lustige junge Frau mit der Struwwelpeter-Frisur gilt als Shooting Star der Szene und hat tatsächlich schon mit Größen von Chick Corea über Jeff Beck bis zu Eric Clapton gespielt. Warum, das blieb in der Oper allerdings völlig offen – aber vielleicht legt man in Gegenwart eines Herbie Hancock gewohnheitsmäßig die Marcus Miller-Bass-Latte an, und das kann dann ohnedies nix werden… Tal Wilkenfeld sang dann auch noch Dylans “The Times They Are A’ Changin'” – na ja, auch Mr. Zimmerman himself hat ja seine Songs in verschiedenen Lebens- und Befindlichkeitsphasen immer wieder live “gemordet”.

Funkiges Ende

Wenigstens war das funkige Ende versöhnlich, weil wirklich großartig – mehr davon und früher und weniger “Imagine”, das wäre wohl besser gewesen. Das Sprichwort hat sich wieder einmal bewahrheitet: Gut gemeint ist oft das Gegenteil von gut. Schad’ drum.

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