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Hohenemser, die etwas bewegen

Hugo Ölz bei der Eröffnung eines Wasser-Hochbehälters.
Hugo Ölz bei der Eröffnung eines Wasser-Hochbehälters. ©Verein FIDESCO - Hugo Ölz
Am Freitag, dem 28. Oktober 2016, findet um 19 Uhr ein Vortrag zum Thema: „Projekt Duale Lehrlingsausbildung in Nigeria – Lehrlingsausbildung seit 15 Jahren“ mit Hugo Ölz und Werner Ilg im Löwensaal statt.
Vortrag: Duale Berufsausbildung in Nigeria

Wenn man Hugo Ölz begegnet und nicht weiß, mit wem man es zu tun hat, sieht man in erster Linie einen kleinen, schlanken, sehr freundlichen und optimistisch gestimmten grauhaarigen Mann im Ruhestand, dem man vielleicht in einem Schachclub begegnen könnte, oder vielleicht auch im Rahmen eines Imkertreffens.

Ein wenig erinnert er an den liebvollen Peter Lustig, bekannt aus der Fernsehserie Löwenzahn. Wenn man sich dann aber – wie im Rahmen dieses Interviews geschehen – mit ihm zusammensetzt und dieser unscheinbare Mann in seiner unaufgeregten Art erzählt, was er nun schon seit 15 Jahren im zerrütteten Nigeria in Westafrika zustande bringt, bekommt man eine Gänsehaut. Vor allem, weil er mit einer ruhigen Selbstverständlichkeit von diesen Reisen berichtet – als wären sie Cluburlaube auf den Malediven.

An dieser Stelle vielleicht ein paar Hintergrundfakten zu Nigeria: Hier leben rund 90 Millionen Menschen, 70 % davon unter der Armutsgrenze. Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt daher gerade einmal 51 Jahre. Das Land trieft vor Erdöl und Bodenschätzen, aufgrund der Korruption kommt dieses Geld aber nie effektiv bei der Bevölkerung an. Zurück zu Hugo Ölz: Seit 1988 ist er nun bereits 60 Mal nach Nigeria gereist, um als Vertreter der Organisation FIDESCO dort Ausbildungsstätten für jungen Nigerianer zu bauen und zu betreuen.

Hohenems – Enugu in Nigeria: Das bedeutet eine 24-Stunden-Reise zuerst mit dem Zug nach Wien, von dort aus nach Addis Abeba, von wo aus man mittlerweile direkt nach Enugu fliegen kann. Früher dauerte die Reise fast zwei Tage, wobei über Lagos gereist werden musste – eine der gefährlichsten Städte der Welt. Wir wollten von Hugo Ölz, der vor seiner Pensionierung als Landesschulinspektor für Berufsschulen tätig war, wissen, warum der Vater von fünf Kindern und 16 Enkelkindern diese Strapazen auf sich nimmt und haben ihn dazu interviewt:

Redaktion: Herr Ölz, beschreiben Sie doch mal bitte kurz die Organisation FIDESCO und ihre Geschichte.

Hugo Ölz: FIDESCO ist eine internationale Organisation für Entwicklungszusammenarbeit innerhalb der Katholischen Kirche, die in vielen Ländern tätig ist. FIDESCO bedeutet „Glaube und Kooperation“. Diese NGO (nichtstaatliche Organisation, Anm.) wurde gegründet, um benachteiligten Menschen in den Ländern des Südens auf vielfältige Weise zu helfen: In der Bildung, im Gesundheitswesen, in der Landwirtschaft, immer in Partnerschaft mit ihnen, um ihr eigenes Potential zu entfalten. Es geht immer um „Hilfe zur Selbsthilfe“. In Österreich ist FIDESCO ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Hohenems, der seit 1996 aktiv ist.

Gab es einen besonderen Auslöser für Ihre Tätigkeit und Ihren Einsatz bei FIDESCO?

Unsere Pfarre Hohenems St. Karl betreute von 1978 bis 1981 den jungen Nigerianer Obiora Ike, der in Innsbruck Theologie studierte und bei uns seine Priesterweihe und Primiz feierte. In seine Heimat zurückgekehrt, gründete er das „Institut für Gerechtigkeit und Frieden“, um vielen Armen eine Chance zur Entwicklung zu bieten. Als Experte der Katholischen Soziallehre wusste er, wie wichtig für junge Leute eine Berufsausbildung ist, und er kannte mich als Experten der dualen Berufsausbildung in Vorarlberg. Als er im Jahr 2000 erfuhr, dass ich demnächst in Pension gehe, schrieb er mir: „Jetzt brauchen wir Dich!“. Also reiste ich nach Enugu, um zu sehen, was gebraucht wird. Hier stand ein großer und bereits wieder baufälliger Rohbau für eine Berufsschule, aber es fehlte das Knowhow und das Geld, um weiterzumachen. Ich gab den Rat, klein anzufangen, nur mit dem Beruf Schlosser, und sofort auch gleichzeitig einheimisches Personal und die Leitung auszubilden. Unser Team engagierte sich für die Fertigstellung und Einrichtung einer Schule. Mehrere junge Diplomingenieure konnten wir als Volontäre zur Ausbildung einheimischer Lehrkräfte gewinnen. Durch das ehrenamtliche Engagement von Fachleuten aus Vorarlberg konnten wir bald auch die Berufe Elektriker und Automechaniker vor Ort anbieten.

Erzählen Sie von ihrem aktuellen Projekt!

Unser Berufsausbildungszentrum VTTC (Vocational Technical Training Center) hat bisher etwa 200 junge Männer und Frauen innerhalb von jeweils zwei Jahren ausgebildet. Gegenwärtig werden die Berufe Schlosser, Elektriker und Automechaniker angeboten. Die Ausbildung ist nach dem Vorbild der dualen Lehrlingsausbildung in Vorarlberg konzipiert. Das erste Jahr beinhaltet eine Grundausbildung, im zweiten Jahr liegt der Schwerpunkt auf der Anwendung des Gelernten. Danach wird noch ein einjähriges Praktikum in einem Betrieb vermittelt.

Die Schule nimmt Aufträge von Dörfern, Pfarrgemeinden oder Privatpersonen (Hochbehälter für Trinkwasser, Tore, Fenster, Dachkonstruktionen, etc.) gegen Bezahlung an. Dadurch sammeln die Auszubildenden Praxiserfahrung und gleichzeitig erhält die Schule Einnahmen zur Bezahlung der laufenden Kosten. Freilich gibt es nicht genug Einnahmen, sodass wir uns um weitere finanzielle Hilfe umsehen müssen. Die Trägerin des Projekts ist die Katholische Diözese Enugu, Nigeria. Die Leitung hat Mr. Samuel Odoh, unterstützt von Mrs. Ebere Oluaka und Mrs. Cynthia Chinekwu.

Nigeria ist nicht unbedingt das „harmloseste“ Pflaster der Welt. Ist Ihnen nie etwas zugestoßen?

Einmal sind wir tatsächlich von einer Räuberbande aus der Gegend überfallen worden. Mit vorgehaltener Waffe mussten wir alle Wertgegenstände aushändigen – sogar meinen Ehering haben sie mitgenommen. Dabei hatten wir Riesenglück: Sie durchsuchten die Zimmer nach Geld, und in einer Schublade in meinem Zimmer war ein Kuvert mit 5.000 Euro – unser gesamtes Reisebudget – versteckt, das sie aber nicht gefunden haben. Nach dem Überfall war die Angst unserer nigerianischen Freunde groß, dass wir nie wieder kommen würden. Aber wir haben uns nicht zu sehr von dem Überfall beeindrucken lassen und haben das Projekt nicht aufgegeben. Mit sowas muss man einfach rechnen – und am Ende ist es ja noch glimpflich ausgegangen.

Was war Ihr bisher größtes Erfolgserlebnis in Nigeria?

Wir trafen bei einer Feier einen jungen Mann wieder, der bei uns vor zehn Jahren die Ausbildung als Schlosser gemacht hat. Auf meine Frage sagte Mr. Osita, er betreibe jetzt eine Schlosserei im Zentrum der Stadt Enugu, an der Hauptverkehrsstraße, und er lud uns ein, ihn am nächsten Tag zu besuchen. Wir kamen und wir staunten! Vor dem Betrieb standen gerade fertige Türen zur Abholung, und zwei Leute arbeiteten an einer Straßenbeleuchtung für Solarenergie. Osita hat inzwischen fünf Mitarbeiter angestellt, zwei davon sind ganz junge Männer, die er nun selbst ausbildet. Sie sind alle aus armen Dörfern in die Stadt gekommen und haben einen Arbeitsplatz gefunden. Er sagte, er bekommt genug Aufträge, um die Mitarbeiter und die Miete für die Halle zu bezahlen.

Was kann ein gewöhnlicher Hohenemser tun, der Sie jetzt unterstützen möchte?

Wir eröffnen gerade bei der Schule ein Lehrlingsheim für 50 junge Männer, die aus armen und abgelegenen Dörfern und aus dem Norden Nigerias kommen und bei uns eine Ausbildung machen wollen. Da suchen wir Paten für eine einfache Unterbringung und Verpflegung, welche sich die Jugendlichen nicht leisten können. Für Menschen, die der ganze Themenkreis interessiert, könnten wir auch einmal eine Projektreise nach Enugu organisieren. Es gibt noch viel zu tun!

Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg!

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