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"Ich bin ein Rotationseuropäer!"

Anwar Kashlan spielt im „Einige Nachrichten an das All“ den Krüppel Lum.
Anwar Kashlan spielt im „Einige Nachrichten an das All“ den Krüppel Lum. ©VOL.AT/Bernd Hofmeister
Schwarzach - W&W sprach mit Schauspieler Anwar Kashlan (34) über seine syrisch-tschechischen Wurzeln und das Thema Heimat.

Anwar Kashlan ist in Deutschland geboren und in Österreich aufgewachsen, er hat eine tschechische Mutter, sein Vater stammt aus Syrien. Ab heute ist er mit dem Ensemble für unpopuläre Freizeitgestaltung als Lum in dem Stück „Einige Nachrichten an das All“ im Kulturhaus Dornbirn zu sehen. Vor zwei Jahren verschlug es Kashlan nach Vorarlberg: „Ich war ein Getriebener, hatte nie das Gefühl, an irgendeinem Ort meine Heimat zu haben. Nach Jahren des Suchens wollte ich mir den Stress nicht mehr antun, zu reisen, nur weil ich von irgendetwas weglaufen wollte. Ich habe mich gefragt, wo auf der Welt es mir am besten gefällt und das Ländle ausgesucht.“

„Typischer deutsch-tschechischer Austro-Syrer“

In seiner Jugend hatte er auch mit Vorurteilen zu kämpfen: „Das war bei mir sicher nicht so schlimm wie bei anderen“, ist er überzeugt. „Manchmal gab es blöde Bemerkungen. So bin ich in der Pubertät hin und wieder in eine Rauferei geraten. Vorurteile waren selten da, weil ich mich immer aufgeführt habe, wie ein Österreicher. Ich bin ja nicht unter Syrern aufgewachsen, sonst wäre wohl vieles anders verlaufen. Ich bin ein Rotationseuropäer, ein typischer deutsch-tschechischer Austro-Syrer (lacht).“ Früher sei es ihm wichtig gewesen, eine Definition seiner Selbst zu finden. „Ich suche nicht mehr danach, wo ich herkomme, auch wenn meine Wurzeln in alle Welt verstreut sind und ein Teil davon momentan brutalst abgeschlachtet und zerstört wird. Irgendwann habe ich gemerkt, dass das einzig wichtige Zuhause die Familie und das eigene Herz sind. Ich stelle mir die Frage nicht mehr, was oder wer ich bin – darauf finde ich wohl auch keine Antwort mehr. Das Gefühl der Zugehörigkeit ist für mich aber nirgends groß“, erklärt er.

„Frei und selbst denken“

„Ich merke gerade in Zeiten wie diesen, dass ich eine etwas andere Mentalität habe, als jene der ,Original-Österreicher‘. Jemand wie ich, der sich hier erlauben darf, frei und selbst zu denken, hat aber auch den Wunsch, die andere Seite kennenzulernen. Ich bin als Moslem geboren, das heißt aber nicht, dass ich Israel hassen muss. Früher wollte ich stets das Eine oder das Andere sein. Als Jugendlicher dachte ich, dass die österreichischen Kids so viel mehr durften als ich. Das lag aber wohl eher an der Erziehung meiner Eltern, nicht an der Kultur.“

Integration?

Wenn Menschen Anwar begegnen und ihn perfekt Deutsch sprechen hören, reagieren sie oft eigenartig: „Viele klopfen mir auf die Schulter und sagen, so funktioniert Integration. Nach dem Motto: ,Da schau, ein Syrer und der kann Deutsch!‘ Da muss ich immer anmerken, dass ich ja nicht erst vor sechs Monaten nach Österreich gekommen, sondern hier aufgewachsen bin – natürlich spreche ich Deutsch!“

Seit der Flüchtlingskrise sei das noch intensiver: „Meine syrischen Wurzeln wurden viel präsenter und ich habe mich mehr damit auseinandergesetzt. Vor einem Jahr konnte ich quasi nirgends mehr hingehen. Wenn ich Leute im Zug reden hörte, bekam ich fast Wutanfälle. Ich verstehe die Ängste, aber da wird über Leute geredet, die auch meine Familie sind. Das habe ich oft persönlich genommen – so arbeiten Vorurteile mit mir.“

(WANN & WO)

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