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"Ich hörte einen lauten Knall"

Samstag früh riskierte Dave sein Leben, um seinen 22-jährigen Freund zu retten.
Samstag früh riskierte Dave sein Leben, um seinen 22-jährigen Freund zu retten. ©Polizei
Vergangenen Samstag geriet in Hohenems ein 22-jähriger Mann in einen 15.000 Volt starken Stromkreis. Noch tief betroffen hat sein Freund Dave Lechner mit WANN & WO über den Unfall gesprochen.
22-Jähriger lebensgefährlicher verletzt

WANN & WO: Wieso seid ihr Samstag früh am Hohenemser Bahnhof gewesen?

Dave Lechner: Mein Freund und ich waren unterwegs und wollten den ersten Zug nach Hause nehmen. Ich war müde und bin eingenickt. Als mein Wecker abging, fragte ich mich schon, wo er war. Ich dachte mir nicht wirklich etwas dabei und wollte nur noch heim. Auf einmal hörte ich einen lauten Knall. Aber ich realisierte nicht, was überhaupt los war. Ich ging zum Waggon und sah zuerst nur Flammen und Rauch, bis ich Schreie hörte. Dann wusste ich, dass es mein Freund sein musste. Ich verständigte die Rettung und wollte eigentlich Wasser holen, bin dann aber gleich zu ihm hinauf geklettert und löschte die Flammen mit meiner Jacke. Sein Oberkörper brannte.

WANN & WO: Hattest du keine Angst?

Dave Lechner: Nein, ich habe überhaupt nicht nachgedacht und bin meinem Freund sofort zu Hilfe geeilt.

WANN & WO: Was passierte, als die Rettungskräfte eintrafen?

Dave Lechner: Ich war froh und dachte, dass ihm nun endlich geholfen wird. Aber das Gegenteil war der Fall: Die Rettung konnte nichts tun, weil der Strom noch eingeschaltet war. Ich schrie sie an, dass sie mir Wasser oder eine Decke geben sollen. Aber nichts, sie trauten sich nicht einmal, mich anzusehen. Sie starrten nur auf den Boden. Das war für mich das Schlimmste. Mindestens zehn Minuten mussten sie warten und meinten nur, ich solle mich beruhigen, sie müssten zuerst den Strom abschalten. Ein älterer Mann, der gegenüber des Bahnhofs wohnt, kam uns zu Hilfe und wollte uns Wasser bringen. Die Rettungs­kräfte haben ihn aber sofort wegen der Lebensgefahr ferngehalten. Der größte Schock war für mich, mit meinem Freund auf dem Waggon zu liegen und seine verbrannte Hand zu halten. Ich habe nur das Fleisch gespürt. Seine Haut ist an meiner geklebt und niemand hat uns geholfen. Wenn man ein Mensch ist, klettert man rauf und hilft, da ist einem das Gesetz egal. Ich will keinem zu nahe treten und es war sicher schlimm für die Leute vor Ort. Aber für mich war es noch schlimmer.

WANN & WO: Wann konnte deinem Freund geholfen werden?

Dave Lechner: Als der Strom ausgeschaltet wurde. Sie wollten zuerst mir helfen, aber ich wollte keine Hilfe mehr. Man drohte mir sogar, mich zu verhaften, weil ich aggressiv sei. Aber wer wäre das in dieser Situation nicht.

WANN & WO: Kannst du dir erklären, wieso dein Freund auf den Waggon geklettert ist?

Dave Lechner: Nein, kann ich nicht. Vielleicht war es Neugierde. Das ist meine einzige Erklärung.

WANN & WO: Wie ging es dir nach dieser Nacht?

Dave Lechner: Der Tag danach war sehr schlimm. Ich habe nur drei Stunden geschlafen, viel geweint. Aber mir war immer bewusst, was passiert ist. Das Bild, als ich ihn das erste Mal brennend gesehen habe, verfolgt mich. Wir Menschen sind da, um anderen zu helfen. Wir haben die Chance, jemandem das Leben zu retten. Ich würde es wieder tun.

WANN & WO: Du warst vorgestern bei deinem Freund in der Klinik. Wie ist sein Gesundheitszustand?

Dave Lechner: Zu sehen, dass er noch lebt, war ein Glücksgefühl für mich. Er hat sehr schwere Verletzungen, da 80 Prozent seines Körpers verbrannt sind. Er ist ein Kämpfer. Ich bitte alle darum, für ihn zu beten.

„Der Strom musste zuerst abgeschaltet werden”

Horst Spitzhofer, Landespolizeidirektion Bregenz: „Die Einsatzkräfte wie Rettung, Feuerwehr und Polizei waren am Samstag so schnell wie möglich am Einsatzort. Dennoch konnten sie nicht sogleich mit der Bergung des Schwerstverletzten und dessen Freunds beginnen, da zuerst der Strom abgeschaltet werden musste. Laut Auskunft der ÖBB wurde der Strom von der Leitstelle in Zirl ohne weitere Verzögerung abgeschaltet. Um sicher zu stellen, dass kein Strom mehr durch die Leitung fließt, mussten zwei Erdungsstangen installiert werden. Dies dauert in etwa zehn Minuten. Solange war es auch den Einsatzkräften nicht möglich, zu helfen, ohne sich dabei selbst in Lebensgefahr zu bringen.”

Hier die ganze WANN & WO-Ausgabe online lesen.

(WANN & WO)

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