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Identitätskrise am Kap lässt Ideen sprießen

Was macht ein Kontinent, dem die Identifikationsfiguren abhandengekommen sind? Nach dem Ausscheiden von Ghana, dem letzten Afrika-Teilnehmer der Fußball-WM in Südafrika, hat nicht nur unter den Gastgebern Ratlosigkeit eingesetzt.
Ghana gegen Uruguay
Uruguay gegen Ghana

Für wen sollen Afrikaner nun auf den Fan-Meilen ihre Vuvuzelas ertönen lassen? Es sollte ja eine afrikanische Fußball-Fiesta werden; Südafrikas Präsident Jacob Zuma hatte vor dem Anpfiff davon geträumt, die Trophäe einem Kontinental-Team zu überreichen.

Was also tun, wenn es keine afrikanischen WM-Teilnehmer mehr zu bejubeln gibt? Moderatoren des öffentlich-rechtlichen Rundfunks am Kap haben eine originelle Antwort gefunden. Bei einer Morgendebatte überraschte der Moderator von Südafrikas “Radio 2000” am Montag mit der originellen Einschätzung, dass die Spanier ja “alle irgendwie eine etwas dunklere Hautfarbe als die anderen” hätten. Er kam zu dem augenzwinkernden Fazit: “Spanien ist irgendwie auch Afrika – wir sind also bei der WM weiter mit einem afrikanischen Team vertreten!”

Uruguay dagegen hat die Sympathien der Verfechter einer starken Süd-Süd-Kooperation auf seiner Seite. Es repräsentiert nicht nur einen Außenseiter, sondern auch ein lateinamerikanisches Schwellenland. Denn seit langem suchen die Länder des Südens den Schulterschluss in Wirtschaft und Politik. Uruguay ist daher die natürliche Wahl der Afrikaner, die auf der Suche nach einer Identifizierung einen “politisch-korrekten” Außenseiter wählen.

Andere dagegen entdecken ihre Sympathien für die Niederländer. Immerhin stammt ein Großteil der weißen Bevölkerung Südafrikas von niederländischen Siedlern ab. Am Anfang der weißen Besiedlung stand ein Erfrischungsstopp für die Flotte der niederländischen Ostindien-Handelskompanie, den Jan van Riebeck einst im heutigen Kapstadt gründete. Weibliche Kommentatoren sind dagegen weitaus pragmatischer – viele von ihnen begeistern sich völlig losgelöst von allem Hurra-Patriotismus für die “sexy Wunderkinder from Germany”.

Immerhin spielen die Deutschen auch noch in schwarzen Trikots – aus afrikanischer Sicht durchaus eine psychologisch geschickte Farbwahl. Deutschland hat am Kap einen guten Ruf wegen seiner technischen Effizienz – nicht nur auf dem Fußballfeld. Der Werbeslogan “Vorsprung durch Technik” wird gerne immer wieder bemüht, wenn es um die Beschreibung der Deutschen geht. Sie sind geschätzt im Kap-Staat, in dem es mit den sogenannten “Springbock-Deutschen” noch viele Nachfahren deutscher Einwanderer gibt. Ohne sie hätte es den WM-Standort Rustenburg kaum gegeben.

Denn deutsche Missionare waren es, die den Bafokeng einst in schwierigen Zeiten halfen, das ihnen zuvor enteignete Land zurückzukaufen. Als nach der demokratischen Wende in Südafrika unter genau diesem Land die größten Platinvorkommen der Welt gefunden wurden, konnten sie rechtlich einwandfreie Besitzrechte geltend machen. Die Bafokeng gelten durch den Platin-Segen heute als das reichste Volk Afrikas – und konnten sich so auch problemlos ein neues WM-Stadion finanzieren.

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