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"Irgendwann platzt der Finanzballon"

Dornbirn - Ring frei für den verbalen Schlagabtausch: Bei der W&W-Podiumsdiskussion zum Thema „Finanzen und Politik“ lieferten sich am Donnerstag Abend Jungpolitiker, Expertenrunde und Publikum spannende Wortgefechte.
Podiumsdiskussion im Conrad Sohm
Highlights der Podiumsdiskussion

Kurt Bührle (SJ), Dr. Egon Mohr (Landesabteilung für Finanzen), Peter Kopf (IfS-Schuldenberatung), Dr. Michael Grahammer (Hypo Vorarlberg) und Julian Fässler (JVP) diskutierten vergangenen Donnerstag im Dornbirner Conrad Sohm zum Thema „Finanzen und Politik“. Moderiert wurde der Abend von Dorit Wilhelm, die in der Situation rund um die Griechenlandpleite die passende Einleitung fand. „Um einen Kollaps des gesamteuropäischen Finanzsystems zu verhindern, blieb den europäischen Staaten keine Alternative, als sich griechische Anleihen zu kaufen,“ eröffnete Dr. Michael Grahammer die Diskussion. Kurt Bührle (SJ) sah die Situation etwas anders: „Dieses Hilfspaket dient einzig und allein dazu, das EZB-System am Leben zu erhalten. Im Klartext bedeutet dies eine Umschuldung auf unsere Kosten, um unsere Banken zu finanzieren!“ Ebenfalls thematisiert wurde die von vielen Medien propagierte Faulheit der Griechen, die mit Schlagworten wie Pensionsauszahlungen an bereits Verstorbene oder das Busfahrer-Prämiensystem für Einhaltung des Fahrplans untermauert wurden. „Während viele unsere Finanzministerin Fekter der Überheblichkeit bezichtigen, kann ich ihr Verhalten verstehen. Sie versucht die Menschen zu beruhigen. Für mich persönlich sind Beträge wie 200 Mio. hier, 20 Mrd. da nicht vorstellbar, deshalb schlägt Fekter diesen Kurs ein,“ informiert Julian Fässler (JVP). Wer hat denn eigentlich Schuld an der Krise? Diese Frage beantwortete Peter Kopf (IfS): „Auf diese Frage gibt es eigentlich keine passende Anwort. Generell ist zu bemängeln, dass wir über den Verhältnissen leben. Es ist ein Trugschluss zu glauben, je mehr konsumiert wird, umso besser geht es uns. Genauso wie die Illusion vom permanenten Wachstum, irgendwann platzt dieser Luftballon.“

Situation in Österreich

Dr. Egon Mohr hob die heimische Situation bezüglich Verschuldung und staatlichem Defizit hervor. „Momentan beträgt die staatliche Neuverschuldung vier Prozent mit dem Ziel, 2012, spätestens aber 2013, auf drei Prozent zu kommen. Grund dafür sind Wirtschaftsbelebungsprogramme.“ Kurt Bührle kritisierte die österreichische Einsparungspolitik: „Während Banken mit öffentlichen Geldern saniert wurden, wird zum Beispiel in der Steiermark im Sozialwesen eingespart!“ Julian Fässler konterte: „Banken halten die Volkswirtschaft am Leben. Viel mehr Einsparungspotential sehe ich bei den großen  Brocken wie der ÖBB oder dem Pensionssystem. Ich appelliere an unserer aller Leistungsbereitschaft, gerade im Bezug auf die Erhöhung des Pensionsalters!“ Dr. Grahammer hob außerdem hervor, dass die Hypo Vorarlberg, die zu 75 Prozent dem Land gehört, keinen Cent erhalten, sondern andere Banken unterstützt habe. Der europäische Gedanke stehe bei der Griechenlandhilfe im Vordergrund. Andreas Fussenegger aus dem Plenum stellte die Frage nach staatlicher Stabilität. „Mit dem Maastrichtabkommen verpflichteten wir uns sozusagen zu einer Art Schuldenbremse, das bedeutet drei Prozent Defizit, bei gleichzeitig drei Prozent Inflation“, so Mohr. Kritik an dieser permanenten Neuverschuldung kam von Julian Fässler und Peter Kopf, der aber auch sinnvolle Neuverschuldung im Bereich von Ausgaben für Wissenschaft und Bildung hervorhob. Auch der Ruf nach Einsparungen im Verwaltungsbereich wurde laut. „Das größte Einsparungspotential liegt sicherlich im Pensions- und Gesundheitsbereich sowie der ÖBB. Ich stelle mir die Frage, warum eine Wirtschaft permanent wächst und wir trotzdem immer mehr sparen müssen? Banken sollten verstaatlicht werden und unter direkter demokratischer Kontrolle des Volkes stehen,“ forderte Bührle. Dabei stieß er vor allem bei Dr. Grahammer auf Unverständnis. „Ich verurteile Zwangsverstaatlichung und Planwirtschaft, man hat in früheren Systemen gesehen, was dabei herauskommt. Trotzdem muss überbordendem Liberalismus und Kapitalismus Einhalt geboten werden“, schloss Dr. Grahammer. Den passendsten Abschluss fand wohl Peter Kopf: „Die Leute reden eher über Sex mit Bergziegen, als über Geld.“ WANN & WO startete mit dieser Podiumsdiskussion den Versuch, dieses schwierige und oft tabuisierte Thema an den „Hörnern“ zu packen. (Wann & Wo/J. Mangard)

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