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Irland - Der keltische Tiger steht wieder auf eigenen Beinen

Vor der Finanz- und Staatsschuldenkrise galt Irland als Musterland im Euroraum.
Vor der Finanz- und Staatsschuldenkrise galt Irland als Musterland im Euroraum. ©AP
Irland verlässt am Sonntag offiziell das Hilfsprogramm seiner Euro-Partner und des Internationalen Währungsfonds (IWF). Mit 85 Mrd. Euro hatten die Geldgeber das hart von einer Bankenkrise getroffene Land in den vergangenen drei Jahren vor der Pleite bewahrt. Nach einschneidenden Reformen und der Sanierung des Bankensektors finanziert sich das Land wieder voll über den freien Kapitalmarkt.

Die wichtigsten Fakten:

WIE KAM ES ZUR KRISE?

Vor der Finanz- und Staatsschuldenkrise galt Irland, der “keltische Tiger”, als Musterland im Euroraum: 2007 lag seine Staatsverschuldung lediglich bei 24,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und damit weit unterhalb des EU-Zielwerts von 60 Prozent/BIP. Mit einer Wachstumsrate von 5,0 Prozent brummte die Wirtschaft; das Pro-Kopf-Einkommen war das höchste in der Europäischen Union.

Wie sich in der Krise zeigte, war das Wirtschaftswunder auf Sand gebaut. So war das Land stark abhängig von ausländischen Direktinvestitionen, angelockt durch die niedrigsten Steuern auf Unternehmensgewinne in der EU. Globale Konzerne haben deshalb auch heute gerne noch ihre Europa-Zentralen in Irland.

Eine vergleichsweise lockere Finanzregulierung machte den Inselstaat außerdem attraktiv für viele Banken in der EU, die dort sogenannte Zweckgesellschaften gründeten – Rechtshüllen, in die sie Milliardensummen aus ihren Bilanzen auslagerten, darunter verbriefte Immobilienkredite zweifelhafter Güte, die ihnen nach dem Platzen der Immobilienblase in den USA um die Ohren flogen.

Auch in Irland war das Zocken mit Immobilien zum Volkssport geworden. So waren die privaten Haushalte 2007 im Schnitt mit 200 Prozent ihres verfügbaren Bruttoeinkommens verschuldet. In Deutschland lag dieser Quotient nur halb so hoch. Als die US-Subprime-Krise die überdimensionierten irischen Banken traf, ging auch dem Immobilienboom auf der Insel die Luft aus. Um den Zusammenbruch der Institute abzuwenden, pumpte die Regierung Abermilliarden in den Finanzsektor: Die Staatsschuldenquote vervierfachte sich bis 2011 auf rund 104 Prozent des BIP.

WIE SAH DAS RETTUNGSPAKET AUS?

Am 21. November 2010 zog der damalige Ministerpräsident Brian Cowen die Reißleine und bat die EU und den IWF um Hilfe. Der Staat war finanziell am Ende. Die nach oben geschnellten Zinsen für irische Staatsanleihen machten eine Refinanzierung des enormen Schuldenbergs am freien Kapitalmarkt unmöglich.

Wenige Tage später stand das über drei Jahre laufende Hilfspaket mit einem Gesamtvolumen von 85 Mrd. Euro. Davon kamen 22,5 Mrd. Euro aus dem EU-Notfall-Fonds EFSM, 17,7 Mrd. Euro aus dem ersten Euro-Rettungsschirm EFSF und 22,5 Mrd. Euro vom IWF. Zudem stellten die Nicht-Euro-Länder Großbritannien (3,8 Mrd. Euro), Schweden (0,6 Mrd. Euro) und Dänemark (0,4 Mrd. Euro) bilaterale Hilfen bereit. Irland steuerte 17,4 Mrd. Euro bei, vor allem über den nationalen Pensionsfonds NPRF.

WAS HAT IRLAND SELBST GETAN?

Im Gegenzug für die Milliardenhilfen musste Irland tiefgreifende Reformen zusagen, die vierteljährlich überprüft wurden. Die Regierung hat beispielsweise den Kündigungsschutz gelockert. Das Pensionsalter steigt im kommenden Jahr auf 66 Jahre und soll 2028 bei 68 Jahren liegen. Durch Lohnkürzungen wurde die internationale Wettbewerbsfähigkeit verbessert: Dem deutschen WSI-Institut zufolge sinken die Reallöhne 2013 bereits das vierte Jahr in Folge. Der Staat spart allein in diesem Jahr 3,5 Mrd. Euro ein – wovon zwei Drittel durch Ausgabensenkungen zusammenkommen. Der Rotstift wurde beispielsweise beim Kindergeld, bei der Arbeitslosenhilfe und dem Wohnungsgeld angesetzt. Gleichzeitig wurden Steuern erhöht – 2012 etwa die Mehrwertsteuer von 21 auf 23 Prozent. Im Ergebnis soll das Staatsdefizit von 2011 bis 2014 um 15 Mrd. Euro gedrückt werden.

WIE SIND DIE AUSSICHTEN FÜR WACHSTUM UND SCHULDENABBAU?

Von allen Krisenstaaten steht Irland noch am besten da. 2013 soll die Wirtschaft das dritte Jahr in Folge wachsen, wenn auch nur um magere 0,3 Prozent. Das Tempo dürfte sich 2014 auf 1,7 Prozent und 2015 sogar auf 2,5 Prozent beschleunigen, sagt die EU-Kommission voraus. Sowohl Konsum als auch Exporte sollen immer besser in Schwung kommen. Bis 2015 soll die Arbeitslosenquote auf 11,7 Prozent fallen, nachdem sie 2012 noch bei 14,7 Prozent lag.

Auch beim Defizit- und Schuldenabbau kommt das Land voran. Die Neuverschuldung soll übernächstes Jahr nur noch bei drei Prozent der Wirtschaftsleistung liegen, nach 7,4 Prozent in diesem Jahr. Der Schuldenstand dürfte bis dahin von aktuell 124,4 auf 119,1 Prozent sinken.

Irland kündigte nachhaltige Schuldenpolitik an

Der irische Finanzminister Michael Noonan hat kurz vor dem Ausstieg seines Landes aus dem europäischen Rettungsschirm eine nachhaltige Schuldenpolitik seines Landes für die nächsten Jahre angekündigt. Irlands Schuldenquote werde im laufenden Jahr mit 124 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ihren Höhepunkt erreichen, sagte Noonan am Freitag bei einer Pressekonferenz in Dublin.

Er sei zuversichtlich, dass der Schuldenstand schnell gedrückt werden könne. Eine erneute Rekapitalisierung von irischen Banken hält er nicht für notwendig. Irland war 2010 als erstes Land unter den offiziellen Rettungsschirm geschlüpft und hatte günstige Kredite in Höhe von 67,5 Milliarden Euro erhalten.

(APA)

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