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Jahres-PK im Belvedere Wien: "Schweres Erbe" und "skandalöser Zustand"

Belvedere-Generaldirektorin Stella Rollig (L) un der kaufm. Geschäftsführer Wolfgang Bergmann bei der Pressekonferenz
Belvedere-Generaldirektorin Stella Rollig (L) un der kaufm. Geschäftsführer Wolfgang Bergmann bei der Pressekonferenz ©APA/HERBERT NEUBAUER
Das neue Leitungsduo des Belvedere in Wien schwankte bei seiner ersten Jahrespressekonferenz am Mittwoch zwischen großer Freude und großem Ärger. "Wir sind sehr froh und sehr stolz, weil das Jahr 2017 wieder als ein Rekordjahr in die Annalen eingehen wird", sagte Generaldirektorin Stella Rollig.
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“Wir finden hier einen Zustand vor, der skandalös ist”, zürnte dagegen der Wirtschaftliche Geschäftsführer Wolfgang Bergmann. “Wir haben in den vergangenen Monaten laufend neue Mängel entdeckt”, sagte Rollig. Bergmann richtete zahlreiche Vorwürfe an die ehemalige Belvedere-Chefin Agnes Husslein-Arco, von der man “ein schweres Erbe” übernommen habe.

Belvedere: Brandschutz und Baugenehmigungen fehlen

Die jüngste Entdeckung von Missständen betreffe die auf dem denkmalgeschützten Dachboden des Belvedere befindlichen Kälteanlagen, die ein neu ans Haus geholter Klimaspezialist vor wenigen Tagen in Augenschein genommen und danach “mit bleichem Gesicht” Bericht erstattet habe: Die Anlagen entsprächen “in keiner Weise” den Anforderungen eines Brandschutzes, aufgefundene externe Prüfgutachten bis zurück auf 2013 hätten bereits davor gewarnt, ohne dass dies Konsequenzen nach sich gezogen habe. Man habe die betreffenden Anlagen nun sofort und kontrolliert heruntergefahren und behelfe sich seither provisorisch.

“Bei weiterer Recherche ist das Bild noch schrecklicher geworden: Diese Anlagen verfügen über keine gültige Baugenehmigungen”, so Bergmann, der berichtete, dass Mitarbeiter in mehreren Fällen von der früheren Geschäftsführung angewiesen worden seien, fehlende behördliche Genehmigungen bewusst zu ignorieren. “Das ist ein fahrlässiger Umfang mit Weltkulturerbe. Es geht hier um Milliardenwerte. Wir finden hier einen Zustand vor, der skandalös ist. Ich bin voll der Sorge, was wir noch weiter finden werden.”

Regressforderungen an die frühere Direktorin “eine Lächerlichkeit”

Die in den vergangenen Tagen publik gewordenen Fälle von Regressforderungen an die frühere Direktorin seien “eine Lächerlichkeit im Vergleich zu dem, was wir hier an fahrlässiger Führung eines Hauses vorgefunden haben. Mehr als uns lieb ist, sind wir damit zusätzlich zu unserem Tagesgeschäft beschäftigt.” So seien etwa Brandschutztüren ausgebaut worden, “weil man aus ästhetischen Gründen was anderes haben wollte”. Das im Unteren Belvedere geplante Cafe (die Causa ist Teil der Regressforderungen) sei bewusst ohne Betriebsstättengenehmigung betrieben worden. “Da ist der Stempel ‘Vorsätzlichkeit und grobe Fahrlässigkeit’ drauf. Es ist ein Grundmuster, dass gesetzliche Vorschriften in den Wind geschlagen wurden.”

Ein anderer Fall der kürzlich bekannt gewordenen Regressforderungen gegenüber Husslein-Arco betrifft ein bestelltes, aber nicht geliefertes Kunstwerk, für das 100.000 Euro gezahlt wurden. Es sei “sehr unüblich, dass man ein Kunstwerk bezahlt, bevor es geliefert wurde”, sagte Rollig. Laut “Kurier” handelt es sich um eine Arbeit von Friederike Pezold, was Bergmann nicht offiziell bestätigen wollte. “Die Künstlerin hat uns mitteilt, dass das Werk beschädigt ist und hat nicht geliefert”, so Bergmann. Man versuche nun im Klagsweg das Geld von der Künstlerin zurückzufordern, erst im Nichteinbringungsfall werde man sich an Husslein-Arco wenden. “Wir haben es vorsorglich zu den Regressforderungen angemeldet”, gab Bergmann zu. Schlagend sei jedenfalls nicht, wann die Überweisung erfolgt sei (nämlich im Jänner, als Husslein-Arco nicht mehr verantwortlich war), sondern wann die Freigabe des Geldes erfolgt sei (nämlich im Dezember, als sie noch im Amt war). Eine Verantwortung des interimistischen Geschäftsführers Dieter Bogner “gibt es nicht”.

Immerhin: Wirtschaftliche Bilanz des Belvedere äußerst positiv

Die wirtschaftliche Bilanz des Museums ist dagegen äußerst positiv: 1,43 Millionen Besuche werden 2017 voraussichtlich gezählt werden können (2016: 1,329 Mio.), die Ticketerlöse haben Anfang Dezember erstmals die Zehn-Millionen-Euro-Grenze überstiegen und werden zu Jahresende voraussichtlich über elf Millionen Euro betragen. Man profitiere dabei von der allgemeinen positiven Tourismusentwicklung Wiens, von der Ausweitung der Öffnungszeiten, der Erhöhung der Ticketpreise und einem höheren Anteil zahlender Besucher, sagte Bergmann. Der Eigendeckungsgrad werde voraussichtlich erstmals über 60 Prozent liegen. Nachdem man auf der Kostenseite vermutlich unter dem Vorjahr liegen werde, könnten Deckungsvorsorgen für die dringend nötigen Investitionen in die Infrastruktur gemacht werden.

“Große Namen und unerwartete Perspektiven” im Belvedere

Das Motto des kommenden Ausstellungsjahres im Belvedere, das insgesamt 17 Sonderausstellungen bringt, lautet: “Große Namen und unerwartete Perspektiven”. An Big Names hat das Haus u.a. Gustav Klimt, Egon Schiele, Günter Brus, Rachel Whiteread und Alexander Kluge zu bieten. Und neue Perspektiven gibt es auf die Schausammlung und das 21er Haus. Letzteres erhält einen neuen Namen.

Neuaufstellung der Schausammlung im März

Ab März 2018 gibt es im Oberen Belvedere eine Neuaufstellung der Schausammlung. Dabei müsse man den Spagat zwischen touristischen Einmal-Besuchern und Wienern, die man mehrfach in das Haus bringen wolle, bewältigen, sagte Belvedere-Chefin Stella Rollig. Die Neupräsentation umfasst den Zeitraum vom Mittelalter bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs, die chronologische Gliederung wird von Themenräumen unterbrochen, in denen Fragestellungen zu Österreichs Geschichte, seiner Identität und seiner Kunst im Vordergrund stehen. Dem Bau des Schloss Belvedere unter Prinz Eugen von Savoyen, der Museumsgründung und der Unterzeichnung des österreichischen Staatsvertrages ist ein eigener Ausstellungsbereich gewidmet. Auch Gustav Klimt und sein Werk “werden weiterhin umfassend präsentiert”, heißt es in den Presseunterlagen.

Ergänzt wird die Sammlungspräsentation von halbjährlich wechselnden zeitgenössischen Positionen im barocken Carlone-Saal. “Carlone Contemporary” wird mit Ines Doujaks Skulptur “Hera” gestartet, im zweiten Halbjahr 2018 folgt eine großformatige Skulptur des Peruaners David Zink Yi. Die Reihe “Meisterwerke im Fokus” wird als “Im Blick” mit dreimal jährlich wechselnden Präsentationen weitergeführt – 2018 mit Vik Muniz’ “Verso”, “Der Canaletto-Blick” und dem “Kremser Schmidt”.

Ausstellungen u.a. zu Klimt, Schiele und Brus

Im Unteren Belvedere startet man das Jahr mit Gustav Klimt. “Klimt ist nicht das Ende. Aufbruch in Mitteleuropa” (ab 23. März) führt, ausgehend von Klimts Spätwerk, mit Werken von rund 80 Künstlern in die ehemaligen Kronländer und in die Zwischenkriegszeit. “Damit werden wir auch auf ein anderes wichtiges Jubiläum, nämlich 100 Jahre Republik, eingehen”, so Rollig. Unter dem Titel “Beyond Klimt” wird die Schau anschließend zur EU-Ratspräsidentschaft Österreichs in Brüssel gezeigt. In Wien folgt ab 28. September die erste große Einzelpräsentation der bolivianisch-amerikanischen Künstlerin Donna Huanca in Österreich.

In der Orangerie stehen die Wiederentdeckung des Linzer Zeichners Klemens Brosch (ab 9. März) und “Wiener Blumenmalerei von Waldmüller bis Klimt” (ab 22. Juni) auf dem Programm, ehe ab 19. Oktober anlässlich des 100. Todestags von Egon Schiele der Schiele-Bestand des Hauses gezeigt und u.a. mit der “Wally” aus dem Leopold Museum ergänzt wird.

21er Haus heißt in Zukunft “Belvedere 21”

Das 21er Haus heißt künftig “Belvedere 21”. “Ja, wir nehmen eine Umbenennung vor. Wir glauben dass das Belvedere und sein zeitgenössischer Standort voneinander profitieren können. Viele wissen nicht, dass das 21er Haus und das Belvedere zusammengehören. Und zweifellos ist Belvedere die stärkere Marke”, erklärte die Generaldirektorin.

Das Ausstellungsprogramm steht hier 2018 unter dem Motto “Spirit of ’68”, eines der großen Jubiläen des kommenden Jahres. Ausstellungen gelten hier Günter Brus (“Die Unruhe nach dem Sturm”, ab 2. Februar), dem eine Geburtstagsschau zu seinem 80er ausgerichtet wird, der britischen Bildhauerin und Schöpferin des Holocaust-Mahnmals am Wiener Judenplatz Rachel Whiteread (ab 7. März), der US-Künstlerin Polly Apfelbaum (ab 7. September) und der Gruppenschau “Der Wert der Freiheit” (ab 14. September). Einzelpräsentationen im Untergeschoß zu Anna Witt (ab 28. Februar), Alexander Kluge (ab 6. Juni, inklusive Filmreihe im Blickle Kino) und Werner Feiersinger runden das Programm ab.

Rollig und Bergmann wollen “stärkere internationale Sichtbarkeit der Werke”

Ansonsten habe man “sehr viel intern gearbeitet und eine moderne Organisationsstruktur aufgesetzt, die wir hier nicht vorgefunden haben”, berichtete Rollig. Das Research Center wurde mit Christian Huemer neu besetzt, wissenschaftliche Konferenzen widmen sich u.a. dem “Kunstmuseum im digitalen Zeitalter”, bei den nicht mehr urheberrechtlich geschützten Bildwerken fahre man künftig eine “Open Content Policy”. Das neue Leitungsduo erwartet sich dadurch “eine viel stärkere internationale Sichtbarkeit der Werke”.

Husslein weist Vorwürfe zurück

Die heute von ihren Nachfolgern in der Belvedere-Geschäftsführung heftig angegriffene frühere Direktorin Agnes Husslein-Arco weist die Vorwürfe hinsichtlich fahrlässiger Vorgangsweise bei der Klimatisierung des Oberen Belvedere zurück. Gegenüber der APA betont die Ex-Museumschefin, “dass diese Agenden ganz klar in den Bereich des Gebäudemanagements fielen, das der kaufmännischen Leitung unterstellt war. Ich habe mich stets voll und ganz auf das wirtschaftliche Fachwissen und die Kompetenz der kaufmännischen Leitung verlassen und bin stets davon ausgegangen, dass diese ihre Agenden gewissenhaft abwickelt.”

Husslein bei Koalitionsverhandlungen als Expertin

Eine Auseinandersetzung zwischen Husslein-Arco und der Belvedere-Prokuristin Ulrike Gruber-Mikulcik, die sich im Vorjahr für den neu geschaffenen Posten der kaufmännischen Leitung beworben hatte, war im Sommer 2016 eskaliert. Aufgrund von Vorwürfen wegen Verstößen gegen Compliance-Richtlinien war Hussleins Vertrag schließlich nicht verlängert worden. Husslein-Arco wurde in der Folge im Februar dieses Jahres vom Finanzministerium in den Vorstand der Leopold Museum-Privatstiftung berufen und war von der ÖVP bei den Koalitionsverhandlungen als externe Expertin in der Fachgruppe Kunst & Kultur beigezogen worden.

(apa/red)

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