AA

Jamie Cullum sprang in Tulln ins kalte Wasser

Konzert der Spitzenklasse
Konzert der Spitzenklasse
2006 ist Jamie Cullum erstmals auf der Donaubühne Tulln aufgetreten, eine ziemlich verregnete Angelegenheit. Gestern, Samstag, gastierte das britische Klavierungeheuer bei perfektem Wetter abermals "in this very beautiful part of the world" und spielte mit seiner fantastischen Band ein Konzert der Spitzenklasse, das zum Abschluss mit einem gemeinsamen Sprung ins kühle Nass gekrönt wurde.


Bereits am Vortag machte Cullum mit seinem aktuellen, aber nicht mehr ganz neuen Album “Momentum” Station auf der Burg Clam in Oberösterreich. In Tulln waren die Stehplätze und Ränge sehr gut gefüllt, das Publikum erwies sich in T-Shirts wie “Guns’n’Roses”, “Steve Winwood” oder “Kurt Ostbahn lebt!” gut durchmischt. Die Wiener Ethno-Elektroniker “DelaDap” wärmten vor und freuten sich mehr darüber als die Zuschauer.

Cullum eröffnete mit “Same Things” die 105-minütige Show und führte sehr schnell vor Augen, was ihn so besonders macht: Intensiver Gesang mit einer oft krächzend-brüchigen Stimme, virtuoses Klavierspiel und der mehrmalige Missbrauch des Instruments – entweder steht der Musiker im Resonanzkörper oder betrommelt dessen Holzfront aufs Ungemeinste -, hohes Maß an Leidenschaft und Herzblut und nicht zuletzt seine fantastische Band.

Was Bassist, Schlagzeuger, der Trompete spielende Gitarrist sowie der Trommler und Keyboarder, der am Saxofon des öfteren auf Solopfaden galoppierte, draufhatten, zeigte sich am besten kurz vor Schluss: Alle Vier an der Bühnenkante randalierten durch Cullums Erstling “Twentysomething”, wie man es in einem derart reduzierten Setting selten zu sehen und hören kriegt.

Cullum ist darüber hinaus ein großer Kommunikator und ließ keine Gelegenheit aus, die Zuschauer mit einzubinden – das Ergebnis waren zahlreiche Chorgesänge, wie zum Beispiel das extrem hohe “I’m All Over It”. Er ist auch ein Meister des Coverns und hauchte so Radiohead “(High And Dry”), Jimi Hendrix (“The Wind Cries Mary”) oder Rihanna (“Don’t Stop The Music”) neues Leben ein, stach Songs unerwartet ab, beatboxte sich schlaglichtartig durch seinen Katalog, flocht gängige Radio-Ohrwürmer ein (etwa “Lucky” von Daft Punk) und schuf so ebenso mühelose wie großartige Übergänge zwischen den Songs. “Love For Sale”, ein peitschendes Cole Porter-Cover, sang der 34-Jährige mitten im Publikum.

Zum Gaudium der Zuschauer und vermutlich zum Entsetzen des Veranstalters hüpfte die Band nach der Schlussverbeugung tatsächlich von der Bühne in die Donau. Cullum blieb alleine zurück, legte dann doch die Armbanduhr ab und sprang seinen Kollegen nach. Triefend nass und sichtlich verausgabt beendete er mit “Gran Torino” – seinem Titelsong zu Clint Eastwoods gleichnamigem Film – einen wunderbaren Konzertabend. Prädikat: sehenswert.

  • VIENNA.AT
  • Kultur S24.at
  • Jamie Cullum sprang in Tulln ins kalte Wasser
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen