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Juncker bekräftigte Forderung nach rascher Brexit-Abwicklung

Juncker gibt Briten die Richtung vor
Juncker gibt Briten die Richtung vor
EU-Kommissionspräsident Juncker hat seine Forderung nach einer raschen Klärung der Briten nach dem Brexit-Votum bekräftigt. Diese müsse aber "nicht unmittelbar" erfolgen, räumte er London Zeit ein.

EU-Ratspräsident Tusk stellte klar, dass die EU auf einen Austrittsantrag der Briten warten muss. Der britische Premier Cameron will den Austritt aus der EU “so konstruktiv wie möglich” gestalten.

“Drehen EU nicht den Rücken zu”

Vor Beginn des EU-Gipfels in Brüssel sagte Cameron am Dienstag, er hoffe, dass der Ausgang der Verhandlungen ebenso konstruktiv werde. “Wir verlassen die EU, aber wir drehen ihr nicht den Rücken zu.” Die Länder der EU seien “Nachbarn, Freunde, Partner. Es geht um die engstmöglichen Beziehungen bei Handel, Sicherheit und Zusammenarbeit”. Dies wäre “gut für uns und Sie”, so Cameron.

Tusk sagte in Brüssel, man müsse die EU-Verträge respektieren. Demnach müsse die britische Regierung einen EU-Austritt initiieren, “das ist der einzig legale Weg, den wir haben”. “Ohne Notifizierung von Großbritannien werden wir keine Verhandlungen über das Scheidungsverfahren oder über unsere künftigen Beziehungen starten”, sagte Tusk. Europa sei bereit zu den Verhandlungen “ohne jeglichen Enthusiasmus”. Tusk kündigte für Mittwoch “tiefe Reflexionen” der 27 anderen EU-Staaten zur Zukunft Europas an. Er wolle dazu ein Sondertreffen des EU-Gipfels im September vorschlagen, sagte er. Der beste Platz dafür wäre Bratislava, nachdem die Slowakei im zweiten Halbjahr die EU-Ratspräsidentschaft innehat.

“Flug hält an”

Juncker erklärte in einer kämpferischen Rede bei der Sondersitzung des Europaparlaments in Brüssel zu den Brexit-Folgen, mit dem Austritt Großbritanniens sei zwar “ein Flügel verloren” gegangen, aber “unser Flug hält an. Es ist kein Flug ins Ungewisse, sondern zu einem vorher in den Verträgen festgelegten Ziel”.

Auch Forderungen, wonach sich die EU ändern müsse, relativierte Juncker. “Nein, wir werden den Weg der Modernisierung Europas weiter beschreiten, den wir mit Zustimmung des EU-Parlaments begonnen haben. Alle sagen, es muss was geändert werden, ohne zu sagen was. Es wird nicht das Wesentliche geändert. Das ist das Europa als Friedensprojekt und als Zukunftsprojekt, das bleibt”.

“Keine Geheimverhandlungen”

Der Kommissionspräsident verwies gleichzeitig darauf, dass “wir mit Großbritannien eine neue Beziehung herbeiführen müssen”. Allerdings “hängt das nicht von irgendwelchen Geheimverhandlungen mit britischen Unterhändlern ab, sondern auch von uns. Wir bestimmen die Tagesordnung, nicht die, die die EU verlassen”, wetterte Juncker.

Juncker betonte, dass die Brexit-Entscheidung Folgen haben müsse. “Die Stunde ist ernst”. Er sei zwar ein “sehr besonnener Mensch”, doch wolle er keine Unsicherheiten. Die Briten müssten deshalb rasch ihre weitere Vorgehensweise klären, wobei er konzediert, “aber nicht unmittelbar”.

Dies müsse “nicht heute, auch nicht morgen Vormittag” geschehen, aber doch “sehr schnell”. Juncker zeigte sich auch verwundert, dass der britische Brexit-Befürworter und EU-Parlamentsmandatar Nigel Farage bei der Sondersitzung im Europaparlament anwesend war. “Ich bin in gewissem Sinn überrascht, dass Sie hier sind. Sie haben doch für den Austritt gekämpft und das Ergebnis der Abstimmung verlangt doch Respekt”.

Juncker warf Farage bei seiner Rede Lügen vor. Unter Hinweis auf Budgetaussagen von Farage meinte Juncker: “Sie haben gelogen.” Man dürfe eine “Nation nicht den Nationalisten überlassen.”

Beratungen ohne Cameron

Die EU-Staats- und Regierungschefs beraten bei ihrem Gipfel ab Dienstagnachmittag in Brüssel über die Entscheidung der Briten, die Union zu verlassen. Premierminister Cameron informiert seine Kollegen über das Ergebnis der Volksabstimmung. Am Mittwoch folgen Beratungen ohne ihn. Dabei geht es v.a. darum, wie der Austrittsprozess ablaufen soll und welche Zusammenarbeit die verbliebenen 27 Staaten anstreben.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte nach dem Brexit-Votum der Briten Geschlossenheit der verbleibenden 27 Mitgliedstaaten und warnte vor einer Spaltung Europas. Für Großbritannien werde es keinerlei Sondervergünstigungen nach dem Austritt geben, betonte Merkel am Dienstag vor dem Bundestag in einer Regierungserklärung zum Referendum in Großbritannien.

“Unabsehbare Folgen”

Jeder Vorschlag, der die EU der 27 als Ganzes aus dieser Krise führen könne, sei willkommen, sagte Merke. “Jeder Vorschlag, der dagegen die Fliehkräfte stärkt, die Europa schon so sehr strapazieren, hätte unabsehbare Folgen für uns alle. Er würde Europa weiter spalten”, sagte sie in der Sondersitzung des Parlaments. Sie werde sich dafür einsetzen, das zu verhindern. “Ich sehe gute Möglichkeiten, dass uns das gelingen kann.”

Der Austritt Großbritanniens wird nach Ansicht der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini nicht zu einem Machtverlust der EU führen. “Die EU ist und bleibt eine fundamentale Macht in der Welt – wirtschaftlich, aber auch in der Entwicklungshilfe, bei der Sicherheit, in der Diplomatie und der Verteidigung”, sagte Mogherini vor dem Gipfel.

EU bleibt

Großbritannien habe zwar “großen Anteil” an Entwicklungshilfe, Verteidigung und Diplomatie. “Aber es ist trotzdem nur ein Staat von 28. 27 bleiben. Die EU bleibt”, sagte die europäische Chefdiplomatin. Großbritannien werde durch einen Austritt mehr verlieren als die EU. “Es verliert die Möglichkeit, die Entscheidungen einer der zwei, drei größten Mächte der Welt mitzugestalten.

“Auch das Vereinigte Königreich ist in dieser Welt nur ein mittelgroßes Land”, sagte die Italienerin. Die EU müsse sich nach dem Brexit-Votum der Briten ihrer Stärken und ihres Nutzens bewusst werden. Das Referendum könne dafür ein “Weckruf” sein.

Mogherini forderte, nun nicht nur die Interessen der Briten im Blick zu haben. Es gebe auch noch “die 440 Millionen EU-Bürger außerhalb Großbritanniens”. “Sie haben ein Recht auf Klarheit darüber, in welcher EU sie leben: einer EU mit oder ohne Großbritannien”, sagte Mogherini.

Nun sei die britische Regierung am Zug. “Nicht die EU hat das Referendum veranstaltet, sondern die britische Regierung”, hob die EU-Außenbeauftragte hervor. “Es ist ihre Sache, wie sie den Willen der Bürger demokratisch umsetzt.” Mogherini präsentiert beim EU-Gipfel an diesem Dienstag eine sogenannte Globale Strategie für eine stärkere sicherheitspolitische Rolle der EU. (APA)

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