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Jungpolitiker im Wien-Wahl-Interview: Christoph Wiederkehr von den NEOS

Christoph Wiederkehr kandidiert bei der Wien-Wahl für die NEOS
Christoph Wiederkehr kandidiert bei der Wien-Wahl für die NEOS ©Florian Albert
Im Vorfeld der Wien-Wahl interessiert VIENNA.at nicht nur, was die etablierten Politiker der großen Parteien vorhaben – auch die Jungpolitiker unter 30 haben einiges zu sagen. Diesmal in unserer Interview-Reihe: Christoph Wiederkehr (25) von den NEOS.
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Christoph Wiederkehr, Jahrgang 1990, ist Mitglied im Vorstand der Jungen liberalen NEOS (JUNOS), studentischer Mitarbeiter am Verfassungsgerichtshof und studiert an der Universität Wien Rechtswissenschaften und Politikwissenschaften. Er kandidiert für die NEOS auf Listenplatz 5 für die Wien-Wahl 2015.

Im Gespräch mit VIENNA.at hat er über “heiße Eisen” in Wien, Kritik an den NEOS, das aktuelle Asyl-Thema, seine Unzufriedenheit mit Bürgermeister Häupl, Amtszeitbeschränkung für Politiker, seine persönlichen Lieblingsplätze in Wien und vieles mehr gesprochen.

Wichtigste Wien-Themen für die NEOS

VIENNA.at: Was sind für Sie die wichtigsten Themen für die kommende Wien-Wahl?

Christoph Wiederkehr: Der stark steigende Schuldenstand, die unverschämten Pensionsprivilegien, das desaströse Bildungssystem und die hohe Jugendarbeitslosigkeit sind eine Last für die nächste Generation. In diesen Bereichen muss schnellstmöglich gehandelt werden. Wien braucht eine neue Politik, die Verantwortung übernimmt. Wir von NEOS kämpfen mit den Wienerinnen und Wienern für unsere Zukunft, die Zukunft unserer Stadt. Wir werden mit der Freunderlwirtschaft aufräumen und Unternehmen stärken.

Der Umgang mit dem aktuellen Flüchtlingsstrom sorgt derzeit für einiges an Kritik am Vorgehen der Politik. Wien (über-)erfüllt als eines der wenigen Bundesländer die Aufnahmequote. Was hätte Ihrer Meinung nach beim Umgang mit der Krise anders gemacht werden müssen?

Vor allem die aktuelle Tragödie, die sich auf der A4 abgespielt hat, macht mich tief betroffen. Ich fühle mit jenen Menschen, die ihr Leben riskieren, um aus einem grausamen Krieg zu fliehen und Schutz bei uns zu suchen. Ein gute Regierung löst Probleme, unsere sucht leider nur nach Sündenböcken. Es muss endlich legale Wege geben, um in die europäische Union zu gelangen, wie zum Beispiel die Möglichkeit, in Botschaften in den Herkunftsländern Asyl zu beantragen. In der Unterbringung von Flüchtlingen muss dringend etwas unternommen werden: Sie hätte schon längst Bundeskompetenz werden müssen, da die Länder ihre Quoten nicht erfüllen. Es bedarf außerdem einer bessere Einbindung der engagierten Zivilgesellschaft bei der Unterbringung.

“Heiße Eisen” vom Rauchverbot bis zur Wahlrechtsreform

Stichwort kommendes Nichtrauchergesetz in der Wiener Gastronomie – welche Position haben Sie in dieser Debatte?

Die alte Lösung war von Anfang an nicht zukunftsfähig und hat die Wirte viel Geld gekostet. Nicht nur, dass die Investitionen, die aufgrund der alten Regelung getätigt wurden, nur zu einem Bruchteil abgegolten werden sollen – mit dem neuen Gesetz wird ihnen bereits das nächste Problem um den Hals gehängt. Denn es ist klar, dass Gäste jetzt draußen auf der Straße rauchen werden und Nachbarn mit höherem Lärm zu rechnen haben. Ein solider Gesetzesvorschlag hätte diese Aspekte auch mitberücksichtigen müssen. Besonders absurd ist, dass Tabaktrafiken vom Rauchverbot ausgenommen sind, Shisha-Bars allerdings nicht.

Stichwort gescheiterte Wahlrechtsreform: Was hätte Ihrer Meinung nach da anders laufen sollen?

Die Grünen hätten von Anfang an auf ein demokratisches Wahlrecht pochen müssen. Es war ein Fehler, das Thema erst so kurz vor der Wahl aufkommen zu lassen. Die Grünen hätten jedenfalls die Koalition verlassen müssen, nachdem die SPÖ einen Abgeordneten auf verwerfliche Art abgeworben hat.

Welche großen „Baustellen“ sehen Sie in Wien als Priorität – wo besteht dringender Handlungsbedarf?

Am dringendsten sind die Probleme in der Bildung: Wenn ein Fünftel der Pflichtschulabsolventen nicht ausreichend lesen kann, hat Wien ein massives Problem. Hier müssen wir schnell etwas unternehmen. Wer so schlecht ausgebildet ist, hat auch am Arbeitsmarkt keine Chance.

Unzufriedenheit mit Bürgermeister Häupl

Wie zufrieden sind Sie mit dem derzeitigen Bürgermeister Wiens ?

Ich bin mit Häupl sehr unzufrieden. Nach über 20 Jahren an der Macht strahlt er einen Zynismus und Machtanspruch aus, der einer Demokratie unangemessen ist. Es ist Zeit, Häupl abzuwählen.

Wie sehen Sie den Umbau der MaHü nach seiner Fertigstellung – wie haben Sie die Reaktionen erlebt?

Ich freue mich sehr über die verkehrsberuhigte MaHü. Wir kritisieren allerdings den Prozess, wie das Ganze abgelaufen ist: Anrainer hätten eingebunden werden müssen, noch bevor Umsetzungspläne am Tisch liegen und Wirtschaftstreibende hätten in der Befragung miteinbezogen werden müssen.

Christoph Wiederkehr über die NEOS

Die NEOS haben zuletzt die SPÖ massiv angegriffen und mussten sich im Gegenzug den Vorwurf gefallen lassen, sie seien zu sehr mit ihrem Image beschäftigt und hätten keine eigenen Themen. Was halten Sie von dieser Kritik der SPÖ?

Die SPÖ ist in Wien seit 70 Jahren an der Macht und hat sich dabei ein enges Netzwerk an verdeckter Parteienfinanzierung und struktureller Korruption aufgebaut. Die SPÖ und ihre Freunderln richten sich’s, wie sie es brauchen und agieren, als ob die Stadt der Partei gehören würde. Deshalb ist es wichtig aufzuzeigen, dass die Stadt nicht einer Partei gehört. Unsere Themen in Wien sind – neben der Bekämpfung dieser Günstlingsnetzwerke – bessere Bildung und die Förderung des Unternehmergeists in Wien. Wir wollen eine starke Stimme für die neue Generation sein, deshalb thematisieren wir auch die Pensionsprivilegien der Spitzenbeamten und fordern mehr Freiraum für die Jungen.

“Veränderung – aber ohne Strache”, so der Wunsch von NEOS-Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger, die sich eine Dreier-Koalition vorstellen kann. Was fällt Ihnen zu den Großparteien ein?

Zur SPÖ habe ich mich schon vorhin geäußert. Die ÖVP ist die Antithese der Veränderung. Als Pseudo-Opposition hat sich die ÖVP ruhig stellen lassen, indem sie weiter eine Hauptrolle beim verdeckten Abkassieren der Parteien spielen durfte. Die ÖVP will nur an die Macht, um wieder ganz nah an den Futtertrog zu kommen.

“Gegen Polit-Dinos” in der Politik

Die NEOS haben sich zuletzt entschieden gegen „Polit-Dinos“ ausgesprochen und fordern eine Amtszeitbeschränkung für Bürgermeister, Stadtregierung und Bezirksvorsteher. Dagegen könnte man argumentieren, dass mehr politische Erfahrung den Bürgern zugute kommt – wie sehen Sie das?

Ich sehe das wie US-Präsident Barack Obama, der selbst sagt, dass nach acht Jahren frisches Blut und neue Ansätze seinem Land gut tun werden. Eine Demokratie lebt davon, dass immer wieder neue Kräfte Einfluss nehmen und dass sich keine starren Seilschaften bilden. Die NEOS fordern ein Ende der Sesselkleber-Mentalität und eine Amtszeitbeschränkung auf maximal 15 Jahre im selben Organ und maximal 10 Jahre für Regierungsämter und Bezirksvorsteher. Wien braucht frische Kräfte!

Viele ordnen die NEOS als eine Art „schwarze Grüne“ ein. Was unterscheidet Ihre Partei von den Anliegen der ÖVP und der Grünen?

Diese Vergleiche sind müßig. Wir haben uns vor knapp drei Jahren als Bürger_innenbewegung gegründet, weil wir den Stillstand in diesem politischen System einfach nicht mehr ertragen haben. Die ÖVP ist dabei der Inbegriff dieses Stillstandes, weil sie seit Jahren keinen Mut zu Reformen zeigt: Ob im Bildungssystem oder in Wirtschaftsfragen – die Blockierer gewinnen immer in der ÖVP. Die Grünen sind 2010 angetreten, um Korruption in Wien einzudämmen und Transparenz zu bringen. Aber sie sind selbst zum Teil des Systems geworden und haben viele ihrer Prinzipien zugunsten des Machterhalts eingetauscht. Wir sind jedenfalls gesellschaftspolitisch liberaler als die ÖVP und wirtschaftspolitisch marktwirtschaftlicher als die Grünen.

“Rebellischer” Christoph Wiederkehr

Was hat Sie als relativ jungen Menschen motiviert, in die Politik zu gehen?

Die große Unzufriedenheit mit dem Bildungssystem hat mich dazu gebracht politisch aktiv zu werden. Nach einer rebellischen Schulzeit habe ich nun einen Weg gefunden, konstruktiv an einem besseren Bildungssystem zu arbeiten.

Was bringen Sie in Ihre Partei mit, was sich vielleicht von den „alteingesessenen“ Kollegen unterscheidet?

Bei NEOS gibt es keine Alteingesessenen: Auf Wiener Ebene ist Beate Meinl-Reisinger die einzige, die schon vorher in einem politischen Amt war. Unter den Gemeinderatskandidaten bringen alle ihr eigenes Thema mit ein – wir haben Unternehmer, Experten in Verkehr und Energie, Ärzte… Ich bringe vor allem meine Anliegen für die junge Generation und bessere Schulen ein.

Stoßen Sie als junger Politiker auf Vorbehalte?

Bei den NEOS zum Glück nicht. Wir sind eine sehr junge Partei und junge Menschen werden auf Augenhöhe behandelt.

Warum gerade die NEOS?

NEOS ist die Bildungspartei in Österreich, die sich konsequent für die nächste Generation einsetzt. Ich kann mir nicht vorstellen, für eine andere Partei aktiv zu werden.

Haben Sie ein (politisches) Vorbild?

Ich schätze Christian Lindner sehr: Er hat die deutschen Liberalen zu einer schwierigen Zeit übernommen und bringt sie mit einem großen Idealismus wieder in Schwung.

Der Jungpolitiker ganz persönlich

Welche Anliegen der NEOS liegen Ihnen persönlich besonders am Herzen?

Die Reform des Bildungssystems und faire Chancen für die nächste Generation.

Definieren Sie sich mit drei Worten selbst, abseits der Politik. Wie tickt Christoph Wiederkehr?

Zielstrebig, engagiert, offen für Neues.

Was sind Ihre liebsten Beschäftigungen abseits der Politik?

Tischtennis, Badmington, Lesen

Was sind ihre Lieblingsplätze in Wien und warum?

Das Museumsquartier, weil es ein toller Treffpunkt für junge Menschen ist. Alte Donau, weil man dort grillen, windsurfen und baden kann.

Wiederkehrs Verhältnis zu Wien

Wien ist ja laut Mercer-Studie die Stadt mit der höchsten Lebensqualität der Welt – was bedeutet für Sie persönlich Lebensqualität in Wien?

An der Alten Donau baden gehen, in Wiener Parks Zeit verbringen und die Nacht U-Bahn nach dem Fortgehen nehmen.

Wenn Sie nicht in die Politik gegangen wären, was hätten Sie für alternative Karrierepläne gehabt?

Ich wollte für die Europäische Kommission arbeiten. Aber vielleicht wird das ja nochmal etwas.

Weitere Informationen zu Christoph Wiederkehr finden Sie hier.

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(DHE)

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