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Kathrin Nachbaur wechselt zur ÖVP

Kathrin Nachbaur sitzt jetzt für die ÖVP im Parlament
Kathrin Nachbaur sitzt jetzt für die ÖVP im Parlament ©APA
Die beiden Nationalratsabgeordneten Kathrin Nachbaur und Rouven Ertlschweiger wechseln vom Team Stronach in den ÖVP-Klub, das teilte Klubchef Reinhold Lopatka bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz Samstagmittag im Parlament mit. Die ÖVP habe den zwei Mandataren ein Angebot gemacht, hieß es. Nachbaur und Ertlschweiger bleiben aber parteifrei.

Der schwarze Nationalratsklub zählt durch den Wechsel 51 Mandatare und nur einen weniger als die Nationalratsfraktion von Koalitionspartner SPÖ. Lopatka lud zur Pressekonferenz mit dem Titel “ÖVP – stärkster Klub im Parlament” ein, denn unter Berücksichtigung der Bundesratsmandatare und der Europaabgeordneten zählt die ÖVP nun mehr als die SPÖ.

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Dietrich: Wechsel war “erkennbar”

Der Austritt und Wechsel der beiden bisherigen Team-Stronach-Abgeordneten Kathrin Nachbaur und Rouven Ertlschweiger zur ÖVP sei “erkennbar” gewesen, stellte TS-Klubchefin Waltraud Dietrich in einer Aussendung am Samstagnachmittag fest. Das Team Stronach werde trotzdem “gemäß den Werten” von Parteigründer Frank Stronach weiterarbeiten.

Es war in den vergangenen Wochen schon erkennbar, dass sich die beiden aus der Klubarbeit zurückgezogen hatten und Wechselgerüchte nie vollständig ausgeräumt hatten”, meinte Dietrich in dem Statement. Sie versicherte, dass die nun verbliebenen sieben Mandatare “weiterhin gemäß den Werten Frank Stronach zum Schutze und zum Wohle der Bürger dieses Landes arbeiten werden”. Sie kündigte “weitere Details” hierzu für die nächsten Tage an.

Anfang Juni hatten bereits zwei Stronach-Abgeordnete den ÖVP-Klub verstärkt. Durch die Neuzugänge Marcus Franz und Georg Vetter war der ÖVP-Klub auf 49 Abgeordnete gewachsen, dies waren nur noch drei weniger als die SPÖ zählt (52).

FPÖ unbeeindruckt, NEOS wollen Neuwahl

Die Oppositionsparteien haben am Samstagnachmittag unterschiedlich auf den Fraktionswechsel von Kathrin Nachbaur und Rouven Ertlschweiger vom Team Stronach zur ÖVP reagiert. Während sich die FPÖ unbeeindruckt davon zeigte, warnten die Grünen vor einer “schwarz-blauen Erpressungsmehrheit”. Die NEOS forderten eine Neuwahl.

“Wen juckt’s, ob ein paar Abgeordnete ihre ablaufende Zeit in dem einen oder dem anderen Parlamentsklub absitzen”, reagierte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl in einer Aussendung auf den Übertritt. Das Team Stronach sei von Anfang an ein “willkommenes Projekt” für die Regierungsparteien gewesen, um den Freiheitlichen “mittels Pseudo-Alternative Oppositionsstimmen wegzunehmen”, so Kickl weiter.

Das “offensive Abwerben” von Abgeordneten könne nur als “politische Leichenfledderei” bezeichnet werden, meinte Grünen-Chefin Eva Glawischnig. Nachbaur und Ertlschweiger seien “einfach gekauft” worden und “dienen als Bausteine für eine künftige schwarz-blaue Erpressungsmehrheit gegenüber dem Koalitionspartner”: “Dieses Vorgehen ist skrupellos”, so Glawischnig.

“Wenn die ÖVP mit ihrem Wahlergebnis nicht zufrieden ist, soll sie neu wählen lassen, nicht Mandatare kaufen”, stellte auch NEOS-Obmann Matthias Strolz fest. Er verwies auch darauf, dass ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka erst am Freitag einen Wechsel von Nachbaur ausgeschlossen habe. Die ÖVP betreibe “Machtspiele, die einer Parlamentspartei nicht würdig sind”. Auch die NEOS fürchten einen “fliegenden Regierungswechsel” hin zur FPÖ und forderten eine Neuwahl.

Der Abgeordnete Marcus Franz, der selbst Anfang Juni zur ÖVP gewechselt war, kommentierte die Reaktionen zum Neuzugang auf Twitter. Unter anderem schrieb er: “Die üblichen Moralrichter verteilen wieder ihre Zensuren. Dass ein Fraktionswechsel was Positives sein kann, überfordert den Kleingeist ;).”

Rund 332.000 Euro Klubförderung weniger

Das Team Stronach verliert mit weiteren zwei Abgeordneten im Nationalrat auch viel Geld – nämlich insgesamt 332.102 Euro jährliche Klubförderung, für heuer gilt der Verlust aliquot. Der ÖVP wiederum beschert der Wechsel von Kathrin Nachbaur und Rouven Ertlschweiger in die schwarzen Reihen ein Plus von 96.236 Euro.

Die Klubförderung gliedert sich grob gesagt in drei Posten: Einen “Sockel” von 1,240.000 Millionen Euro, 48.118 Euro pro Abgeordneten sowie weitere 117.933 Euro, die es – jeweils – nur für Mandatar Nummer sechs, sieben, acht, neun und zehn gibt.

Bisher hatte das Team Stronach neun Mandatare, somit galt sowohl für Nachbaur als auch für Ertlschweiger der Steigerungsbetrag. Stronachs Klub erwächst somit ein Verlust von rund 332.000 Euro pro Jahr, der sich aus der Kopf-Förderung und dem Steigerungsbetrag berechnet und 2016 erstmals gänzlich wirksam wird. Als ÖVP-Abgeordnete gibt es für die beiden Überläufer keinen Steigerungsbetrag, da sie bei der Volkspartei Mandatare Nummer 50 und 51 werden.

Das Minus fürs Team Stronach wird im laufenden Jahr aliquot ab dem nächsten Quartal berechnet. Voll zum Tragen kommt es dann im Jahr 2016. Die zusätzlichen Mittel für die Volkspartei treten ab Mitteilung durch die Nationalratspräsidentin in Kraft, für heuer ebenfalls aliquot.

Team Stronach prüft Schadenersatzforderungen

Das Team Stronach erwägt unterdessen rechtliche Schritte gegen die beiden zur ÖVP gewechselten Abgeordneten Marcus Franz und Georg Vetter, berichtet das Nachrichtenmagazin “profil” in seiner am Montag erscheinenden Ausgabe. Anwalt Michael Krüger erklärte laut einem Vorausbericht, dass man derzeit die Möglichkeit einer Schadenersatzlage prüfe.

Durch den Abgang der Abgeordneten entgehen dem Team -Stronach-Parlamentsklub laut Bericht Förderungen in der Höhe von über 200.000 Euro. Laut “profil” wird auch über die Ablöse von Klubobfrau Waltraud Dietrich durch Ex-Klubchef Robert Lugar spekuliert.

Team Stronach – Eine Chronologie

Das politische Projekt des Austro-Kanadiers Frank Stronach, das “Team Stronach”, ist in seiner knapp dreijährigen Geschichte oft mit Tohuwabohu aufgefallen. Seit dem Einzug in den Nationalrat geht es in der Partei so richtig rund.

Eine Chronologie:

August 2012: Milliardär Stronach gibt nach monatelangen Gerüchten bekannt, eine eigene Partei zu gründen – er will bei der Nationalratswahl 20 bis 30 Prozent der Stimmen. Der Kärntner Nationalratsabgeordnete Gerhard Köfer tritt aus der SPÖ aus, um zu Stronach zu wechseln. Es folgen die “wilden” Abgeordneten Erich Tadler und Robert Lugar, vormals BZÖ, sowie die BZÖ-Abgeordnete Elisabeth Kaufmann-Bruckberger. Vorwürfe des Stimmenkaufs werden zurückgewiesen.

25. September: Das “Team Stronach für Österreich” wird mit der Hinterlegung der Satzungen offiziell angemeldet.

Oktober: Die BZÖ-Abgeordneten Christoph Hagen und Stefan Markowitz wechseln.

8. November: Der Klubstatus im Nationalrat, der unter anderem Geld bringt, wird anerkannt. Lugar wird Klubobmann.

Februar 2013: Man ist in allen Bundesländern mit Ablegern vertreten. Mit der Tiroler Mannschaft gibt es Probleme, fünf Mitstreiter treten zurück.

3. März: Bei der Landtagswahl in Kärnten erreicht Spitzenkandidat Köfer 11,18 Prozent und wird dank Proporzsystem Landesrat. In Niederösterreich kommt Stronach als Spitzenkandidat auf 9,84 Prozent, sein Mandat nimmt er nicht an. Den Proporz-Landesrat übernimmt Kaufmann-Bruckberger, die Landespartei ist in den folgenden Monaten geprägt von Streitereien und Postenwechsel.

April: Nach innerparteilichen Grabenkämpfen werden mehrere Listen des Team Stronach für die Landtagswahl in Tirol eingebracht werden. Die Landeswahlbehörde lässt nur jene des zuletzt abgesetzten Landesgeschäftsführers Hans-Peter Mayr zu. Stronach macht letztlich doch Mayr zu seinem Zugpferd. Westbahn-Gründer Stefan Wehinger, zuvor “General Manager” der Partei, zieht sich zurück.

28. April: Mit 3,36 Prozent verpasst das Team Stronach den Einzug in den Tiroler Landtag, womit auch Mayrs Führungsposition wieder dahin ist.

5. Mai: Der Salzburger Spitzenkandidat Hans Mayr holt bei der Landtagswahl 8,34 Prozent und wird später Landesrat in einer frei gebildeten Dreier-Koalition.

August: Auf der Bundesliste für die Nationalratswahl kandidiert hinter Stronach und seiner Vertrauten Kathrin Nachbaur die frühere ORF-Generaldirektorin Monika Lindner. Drei Tage später zieht sich Lindner wieder zurück.

29. September: Das Team Stronach erreicht bei der Nationalratswahl 5,7 Prozent.

1. Oktober: Stronach ersetzt in Niederösterreich Kaufmann-Bruckberger als Landesparteichefin durch Renate Heiser-Fischer, eine Angestellte der Stronach-Group. Außerdem trennt man sich von Wahlkampfleiter Tillmann Fuchs. Nachbaur bestätigt, dass sie wie erwartet Lugar an der Klubspitze ablösen wird.

2. Oktober: Lugar wird aus dem Vorstand geworfen und ist nicht mehr stellvertretender Parteichef. Auch die steirische Obfrau Waltraud Dietrich wird aus dem Vorstand entfernt.

Stronach setzt weiters Köfer und Mayr als Landesparteichefs ab. Als Nachfolger werden die Landtagsabgeordneten Siegfried Schalli und Helmut Naderer eingesetzt.

10. Oktober: Nachbaur kündigt an, dass sich Stronach langsam aus der Partei zurückziehen wird.

14. Oktober: Lindner will ihr Mandat als “freie Abgeordnete” annehmen – es folgt ein Sturm der Entrüstung.

Das “Bundesdirektorium” setzt als Beruhigung des Konflikts in Kärnten Andrea Krainer als interimistische Landesparteiobfrau ein.

25. Oktober: Die Landesgruppe Niederösterreich rund um Kaufmann-Bruckberger fordert von der Parteispitze Antworten über die Zukunft in Hinblick auf demokratische Strukturen und die Finanzierung.

28. Oktober: Nachbaur wird Klubobfrau, Dietrich als geschäftsführende Klubobfrau bestellt.

30. Oktober: Schalli tritt aus dem Kärntner Landtagsklub aus, womit die Partei den Klubstatus verliert. Schalli erhebt schwere Vorwürfe gegen Köfer, die tief in den persönlichen Bereich gehen und wechselt in den FPÖ-Klub.

20. November: Die Bundespartei schließt das Büro in Tirol, die Landespartei unter Walter Jenewein spaltet sich ab.

27. November: Lindner legt ihr Mandat zurück, Ex-Miss World Ulla Weigerstorfer folgt und sorgt für einen Kopf mehr im Parlamentsklub.

29. November: Der Bundesparteivorstand schließt Kaufmann-Bruckberger und Gabmann wegen parteischädigenden Verhaltens aus. Diese gründen daraufhin das “Team NÖ”.

28. Jänner 2014: Stronach kündigt bei einer Pressekonferenz seinen Rückzug aus dem Parlament an, er bleibt allerdings Parteichef. Tags darauf hält er seine Abschiedsrede im Hohen Haus.

9. März: Die Gemeinderatswahlen in Salzburg bringen ein verheerendes Ergebnis für das Team Stronach.

12. März: Die Grazer Teilorganisation gibt ihre Auflösung bekannt.

8. April: Das Team Stronach tut kund, auf eine Kandidatur bei der EU-Wahl am 25. Mai zu verzichten. Tags darauf wird auch der Verzicht auf eine Teilnahme an der Vorarlberger Landtagswahl im selben Jahr öffentlich.

25. April: Marcus Franz wird neuer Generalsekretär.

18. Juli: Der Abgeordnete Georg Vetter fordert den Rückzug von Parteigründer Stronach von der Parteispitze.

26. Juli: Die Wiener Landesparteichefin Jessi Lintl legt ihre Funktion zurück, bleibt aber im Nationalrat.

25. August: Das Team Stronach zieht sich von der Social-Media-Plattform Twitter zurück. Begründung: Das Niveau sei dort zu niedrig.

25. September: Marcus Franz legt seine Funktion als Generalsekretär zurück.

18. November: Klubchefin Nachbaur geht mit ihrer Schwangerschaft an die Öffentlichkeit. Wie ein paar Tage später bekannt wird, richtet sie am selben Tag ein Schreiben an den Vorstand, dass sie die Partei verlässt.

6. Februar 2015: Der Steirer Wolfgang Auer wird als Nachfolger Nachbaurs als Vizechef der Partei präsentiert. Er soll auch – vorerst – Spitzenkandidat für die Landtagswahl in seiner Heimat werden. Die Agenden der Klubchefin übernimmt Waltraud Dietrich.

16. April: Kaufmann-Bruckberger – nunmehr dem Team NÖ zugehörig – tritt als Landesrätin in Niederösterreich zurück. Sie hatte zugegeben, bei einem Immobiliendeal zwischen Kärnten und dem ÖGB bzw. der Bawag über 700.000 Euro bekommen und an das damalige BZÖ weitergeleitet zu haben.

21. April: Vizeparteichef Auer erfährt erst in einer Aussendung von seiner Demontage als steirischer Spitzenkandidat. Zuvor hatte es Zerwürfnisse mit Bundesgeschäftsführer Ronald Bauer gegeben. Dieser verkündete nun Josef Kaltenegger als neuen Spitzenkandidaten. Auer wird dann auch als Vizeparteichef abgesägt.

30. April: Die Stronach-Gruppierungen in NÖ zerfallen weiter. Walter Naderer deklariert sich als “parteifrei” und damit nicht mehr zum abgespaltenen “Team NÖ” zugehörig.

21. Mai: Tillmann Fuchs, Sohn des Malers Ernst Fuchs und früherer Geschäftsführer des Privat-TV-Senders ATV, wird Nachfolger von Elisabeth Kaufmann-Bruckberger als Landesrat in Niederösterreich. Die Kompetenz für das Asylwesen verliert er aber.

31. Mai: Die Partei verpasst bei der Wahl in der Steiermark klar den Einzug. Im Burgenland gelingt er durch das gemeinsame Antreten mit dem “Bündnis Liste Burgenland”.

1. Juni: Der Nationalratsabgeordnete Georg Vetter macht Frank Stronach öffentlich für die Schlappe in der Steiermark verantwortlich. Stronach fordert ihn zum Rücktritt auf.

3. Juni: Die Abgeordneten Vetter und Marcus Franz geben ihren Übertritt in den Parlamentsklub der ÖVP bekannt. Der Klub des Teams Stronach schrumpft damit auf neun Abgeordnete.

24. Juli: Der Bundesparteivorstand – Stronach und Bundesgeschäftsführer Bauer – beschließen die Abberufung von Steinbichler als Chef der oberösterreichischen Landespartei, weil sich dieser “permanent über sämtliche Vorgaben der Bundespartei hinweggesetzt hat”. Die Landespartei soll Anfang August aufgelöst werden. Nach einem Gespräch zwischen Stronach und Steinbichler bleibt indes offen, ob dies in dieser Form durchgezogen wird.

1. August: Da waren’s nur mehr sieben: Mit Kathrin Nachbaur und Rouven Ertlschweiger verlassen zwei weitere Abgeordnete das Team Stronach Richtung ÖVP.

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