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Kührer-Prozess: Angeklagter Michael K. sieht sich als Opfer einer Verschwörung

Beim Prozess in Wien
Beim Prozess in Wien ©VIENNA.AT/Alexander Blach
Dienstagfrüh begann am Landesgericht Korneuburg der Prozess im Fall Julia Kührer. Dem 51-jährigen Wiener Michael K. wird zur Last gelegt, die 16-jährige Schülerin aus Pulkau im Weinviertel im Jahr 2006 gewaltsam zu Tode gebracht, ihre Leiche in seinem Erdkeller in Dietmannsdorf verbrannt und dort verscharrt zu haben.
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Der Angeklagte präsentierte sich beim Prozessauftakt als unschuldiges Opfer einer groß angelegten Verschwörung. Er gab an, nie in seinem Leben mit Drogen zu tun gehabt zu haben und bestreitet jeglichen Zusammenhang mit Verkauf von Drogen an das Opfer, dem Verschwinden bzw. dem Tod von Kührer.

So begann der Prozess in Korneuburg

Pünktlich um 9.00 Uhr wurde der des Mordes an der 16-jährigen, fünf Jahre vermissten Schülerin, Angeklagte von Justizwachebeamten in den Schwurgerichtssaal geführt. Nach wenigen Minuten verwies Richter Helmut Neumar die Fotografen des Saals und begann mit der Aufnahme der Personalien des Beschuldigten Michael K. (51). “Wie geht’s uns denn?”, fragte Neumar eingangs. “Den Umständen entsprechend”, war die Antwort.

Prozess basiert auf Indizien

Es handelt sich um einen reinen Indizienprozess, in dem jedoch schwerwiegende Vorwürfe gegen K. erhoben wurden, wie Staatsanwalt Christian Pawle in seinem Eröffnungsplädoyer darlegte. Er bat die Geschworenen um Unvoreingenommenheit und darum, außer Acht zu lassen, dass der Angeklagte nicht gerade ein “Sympathieträger” sei. Der seit 5. Dezember 2012 in U-Haft befindliche sei der einzige Verdächtige, betonte der Ankläger.

Er führte aus, dass Kührer kurz vor ihrem Ableben zwei Zähne ausgeschlagen wurden, die in eine blaue Decke und Jutesäcke gewickelte Leiche mit einem Molotov Cocktail beim Eingang des Erdkellers in Brand gesetzt und daraufhin weiter hinten in dem Keller vergraben wurde.

Die Anklage gegen Michael K.

Im Zuge seiner Ausführungen verwies der Staatsanwalt auf eine Reihe von Indizien und gerichtsmedizinischen Gutachten, aufgrund derer die Anklage davon ausgeht, dass der Mann das Mädchen am 27. Juni 2006, nachdem sie mit dem Bus von der Schule gekommen war, in seiner Videothek mit einem heftigen Faustschlag ins Gesicht niederstreckte und anschließend tötete.

Er dürfte die emotionale Zwangslage der Jugendlichen, deren Freund sich zwei Tage zuvor von ihr getrennt hatte, ausgenützt haben, um ihr sein sexuelles Interesse zu zeigen. Pawle ortete als Tatmotiv “hochgradige” Sexualität des Angeklagten.

In der Dunkelheit soll K. dann die Tote in seinem Pkw auf sein Grundstück im nahen Dietmannsdorf gebracht, in eine blaue Decke gewickelt, angezündet und schließlich in einem Erdkeller verscharrt haben. Am Skelett waren prä- und postmortale Verletzungen festgestellt worden, die die Annahme des Tathergangs stützen würden. Die Videothek des Angeklagten hatte sich zudem zum Jugendtreffpunkt entwickelt, wo auch Drogen wie “Crystal Meth” erhältlich gewesen sein sollen.

Weiters war das Handy des Angeklagten in unmittelbarer zeitlicher und räumlicher Nähe des Verschwindens von Julia Kührer in Pulkau eingeloggt gewesen. Pawle verwies weiters auf zahlreiche Widersprüche in den Aussagen des Angeklagten.

Verteidiger: “Es war kein Mord”

Der Verteidiger des Angeklagten, der bereits in ähnlich Aufsehen erregenden Fällen eingesetzte Farid Rifaat, forderte hingegen einen Freispruch für seinen Mandanten. Die Anklage sei unvollständig und “löchrig”. Er versuchte in seinem Plädoyer, die gegen seinen Mandanten erhobenen Vorwürfe zu entkräften, indem er sich darauf berief, dass die Anklage keinerlei stichhaltige Beweise ins Treffen führen konnte, dass K. als alleiniger Täter in Frage käme. Weder Todesursache noch Tatzeitpunkt oder Tathergang stünden fest, es sei nicht einmal eindeutig, dass es sich um Mord handle.

Mithilfe von Zeit-Weg-Diagrammen und Fotos versuchte er, den Geschworenen zu vermitteln, dass niemand Kührer im Nahebereich der Videothek K.’s im Pulkau am Tage ihres Verschwindens gesehen habe und keinerlei Eindeutigkeit bestünde, dass sich die Tat so abgespielt habe, wie in der Anklage dargestellt.

“Dann hätte sie laut schreien müssen”

Der 27. Juni 2006 war ein hochsommerlicher Tag. Menschen saßen im Freien, als Julia Kührer von der Bushaltestelle am Hauptplatz in Pulkau ihren Weg in Richtung Elternhaus fortsetzte, “aber keiner hat sie gesehen”, so der Anwalt. Wenn es sich tatsächlich so zugetragen hätte, wie der Staatsanwalt dies behauptet, “dann hätte sie laut schreien müssen”, sagte Rifaat. In keinem der in Frage kommenden Autos K.’s habe sich nur eine einzige DNA-Spur von Julia Kührer gefunden zu haben

Es hätten laut Rifaat eindeutig auch andere Personen zu dem Grundstück Zugang gehabt, wie etwa der Ex-Freund des Opfers, Thomas S., der dort in Absprache mit K. eine Hanfplantage anlegte und darum einen Schlüssel zu dem Grundstück erhalten hatte.

Rifaat forderte zu diesem Zweck einen Lokalaugenschein in Pulkau und Dietmannsdorf. Auf der besagten Decke hätten sich neben DNA-Spuren seines Mandanten zudem weitere, nicht zuordenbare befunden.

Angeklagter soll junge Frauen sexuell belästigt haben

Wie aus den darauffolgenden Ausführungen des Richters hervorging, der sich nach eigenen Angaben ein Bild vom Charakter K.’s zu machen versuchte, zeichneten diverse Zeugen ein nicht gerade günstiges Bild des Angeklagten. Von seinem prahlerischen, sexuell dominanten Verhalten war vielfach die Rede, er solle nicht nur Julia Kührer, sondern auch diverse andere junge Frauen in seinem Umfeld in Worten und durch unsittliche Berührungen an Brüsten, Gesäß und im Intimbereich belästigt, sie zu Oralverkehr und Geschlechtsverkehr aufgefordert, sein Geschlechtsteil stolz vorgezeigt und eine Neigung zu gewalttätigem Verhalten gezeigt haben.

Auch die sexuellen Vorlieben des Angeklagten waren Gegenstand der Ausführungen, wozu unter anderem seine Computerdaten und die von ihm in Suchmaschinen eingegebenen Begriffe unter die Lupe genommen wurden (etwa: “Sex mit Tieren”, “Sex mit Kindern”, Sex mit toten Frauen”, “K.o.-Tropfen”, etc.). K. solle eine Affinität zu jungen Mädchen – besonders vom “Typ Julias” – haben. “Alles passt zusammen”, meinte Staatsanwalt Christian Pawle an späterer Stelle zu den Ermittlungen.

“I hob mit Suchtgift no nia wos zum Tuan ghobt”

Seine Videothek habe sich als Jugendtreffpunkt der Umgebung etabliert, wo es regelmäßig zu Cannabiskonsum gekommen sei, was K. aber toleriert habe, da ihm sonst “die Kunden weggeblieben wären”. Mit dem Verkauf von Cannabis oder dem in den sterblichen Überresten von Julia Kührer nachgewiesenen Crystal Meth will er jedoch nichts zu tun gehabt haben.

Bei der detailreichen Befragung durch den Richter (“Ich muss mir einen Eindruck machen, ob sie die Wahrheit sagen oder Gschichtl’ drucken”) relativierte er sämtliche Zeugenaussagen, bezichtigte die Zeugen der Lüge und stellte sich als Opfer dar, gegen das sich sämtliche einvernommenen Personen verschworen hätten.

K. bestritt den vom Staatsanwalt geschilderten Tathergang. Er habe Julia Kührer zuletzt ein, zwei Tage vor ihrem Verschwinden im Kreis von anderen Jugendlichen gesehen.

51-jähriger sieht sich als Verleumdungsopfer

Dass auch Julia laut Zeugenaussagen zu seinen Kunden in der Videothek gezählt habe, leugnete der 51-Jährige. “Das hat nie stattgefunden. Das ist eine Hetze gegen mich.” Mit diversen Aussagen zu seinem Sexualverhalten konfrontiert meinte er, das sei alles ein “abgekartetes Spiel”. “Wenn einen die Medien so schlecht machen, dann rufen viele Leute an und erzählen was.” Er frage sich, warum diese Aussagen erst nach seiner Festnahme auftauchten und nicht schon 2006.

Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten habe er die Zelte im Weinviertel abgebrochen, aus Dietmannsdorf sei er im Oktober 2006 weg, aber danach alle zwei Tage hingefahren, um die Hunde zu füttern. Warum sollte jemand eine Leiche ablegen, wenn er damit rechnen müsste, dass die Hunde anschlagen und der Besitzer auftauchen könnte, stellte der Richter fest, nachdem der Angeklagte behauptete, die Tote sei von Unbekannten in dem Keller abgelegt worden.

Das Verfahren im Fall Julia Kührer wird am Mittwoch fortgesetzt. Sieben Verhandlungstage sind angesetzt, am 24. September ist ein Urteil geplant.

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