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Kührer-Prozess: Gutachter veranschaulichen möglichen Tathergang

Am sechsten Tag im Mordprozess im Fall Julia Kührer waren die Gutachter am Wort.
Am sechsten Tag im Mordprozess im Fall Julia Kührer waren die Gutachter am Wort. ©APA
Am Freitag wurden die Gutachten der Sachverständigen im Prozess im Fall Kührer erläutert. Der Angeklagte Michael K. wird im Prozess des Mordes an Julia Kührer angeklagt, die im Jahr 2006 verschwunden war und deren sterbliche Überreste im Jahr 2011 im Erdkeller des Angeklagten gefunden wurden.
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Nachdem an den vergangenen fünf Prozesstagen an die 100 Zeugen vernommen wurden und am Donnerstag die Tatortbilder einen Teil der Verhandlung einnahmen, wurden am Freitag die Sachverständigen zu ihren Gutachten befragt.

Gutachter sagen im Mordprozess Kührer aus

Der Gerichtsmediziner Dr. Denk schilderte in seinem Vortrag die Auffindungssituation der Skelettteile und ging näher auf Verletzungen ein, räumte aber auch ein, dass es nicht möglich sei, eine genaue Todesursache anhand der gefundenen Knochen, welche zum Teil auch durch Tiere verschleppt wurden, festzustellen. Die Knochen wurden durch das Anzünden der Leiche oberflächlich beschädigt. Eine exakte Bestimmung des Todeszeitpunktes wäre zwar nicht eindeutig möglich, man könne den Zeitraum jedoch auf ein paar Monate beschränken. Außerdem sei ein plötzlich natürlich eintretender Tod nicht sehr wahrscheinlich – einerseits aufgrund des Alters von Julia Kührer zum Zeitpunkt ihres Todes, andererseits aufgrund der Tatsache, dass sie an keinerlei Vorerkrankung, die eine solche Todesursache zur Folge hätte, litt. Die einzige festzustellende Verletzung seien eine Gewalteinwirkung gegen den Mund gewesen – wobei man nicht sicher feststellen konnte, ob es sich dabei um einen Schlag oder einen Sturz handelte – bei dem auch zwei Zähne ausgeschlagen wurden. Außerdem konnten Spuren stumpfer Gewalteinwirkung im Lendenbereich des Skeletts gefunden werden, die möglicherweise auf einen Schlag einer Schaufel zurückzuführen seien.

Insekten lassen Rückschlüsse auf Tat zu

Prof. Reiter schilderte in seinem Gutachten die Insektenaktivitäten am Fundort der Leiche, die darauf schließen lassen, dass die Leiche erst angezündet wurde, als schon Fliegen ihre Eier auf den Leichnam legen konnten. Diesen Zeitraum könne man auf ca. zwei bis 14 Tage einschränken. Außerdem konnte man feststellen, dass der Leichnam, der nicht vollständig verbrannte, acht Tage lang im hinteren Teil des Kellers gelegen haben muss.

Crystal Meth im Gehirn nachgewiesen

Im chemisch-toxikologischen Gutachten wurden Hautreste, Haarreste, Knochen, Teile des Gehirns und Erdmaterial untersucht. Bei der ersten UNtersuchung konnte man Nikotin und Koffein-Rückstände nachweisen, erst ein Jahr später wurde ein Gutachten auf Metamphetamin angeordnet. Nach der Untersuchung konnte “ein begründeter Hinweis auf Metamphetamin im Ultraspurenbereich” sichergestellt werden. Daher ist es laut Gutachter zu 90 bis 95 Prozent wahrscheinlich, dass Julia Kührer in Berührung mit der Droge “Crystal Meth” kam. Ein Hinweis auf eine Vergiftung als Todesursache läge aufgrund der geringen nachgewiesenen Menge der Droge nicht vor, man könne sie aber auch nicht zur Gänze ausschließen. Aufgrund des Gutachten könne man jedoch keine Rückschlüsse auf den Drogenkonsum (Dauer, Menge, Häufigkeit) ziehen.

Brandversuch mit Schwein

Zwei Brandsachverständige untersuchten einen möglichen Brand in dem Erdkeller auf dem Grundstück des Angeklagten. Es konnte ein Brand im vorderen Kellerabschnitt nachgewiesen werden, erst im Anschluss sollen die sterblichen Überreste von Julia Kührer an den späteren Fundort im hinteren Teil des Kellers verbracht worden sein. Der Brandsachverständige Ing. Tisch veranschaulichte den Geschworenen den Brandablauf mit einem Versuchsvideo, bei dem ein Schwein in einer vergleichsbaren Versuchsanordnung mit einem Brandbeschleuniger übergossen und angezündet wurde. Die Leiche soll mehr als 2 Stunden gebrannt haben. Wann die Überreste in den hinteren Teil gebracht wurden, konnten die Sachverständigen nicht genau beantworten, wiesen jedoch auf die Hohe Konzentration Kohlenmonoxid hin, der sich nach diesem Brand in dem Gewölbe befunden haben muss.

DNA des Angeklagten auf der blauen Decke

Wie die Sachverständige Nussbaumer rasch erklärte, wurden zahlreiche Spuren im Wohnhaus des Angeklagten, in der Wohnung dessen Freundin und auch in der Wohnung des Ex-Freundes von Julia Kührer sichergestellt, um die DNA abzugleichen. Bei der zweiten, aufwändigeren Untersuchung jener blauen Decke, die bei dem Skelett gefunden wurde, konnte DNA von Michael K. sichergestellt werden, ebenso aber auch zwei unidentifizierte DNA-Merkmale, die keiner Person zugeordnet werden konnten. Außerdem konnten keine Spuren von Julia Kührer in der Wohnung oder in den Autos des Angeklagten gefunden werden, was die Sachverständige auch auf die bereits vergangene Zeit zurückführt.

Anwalt stellte vier Beweisanträge

Anschließend stellte Anwalt Farid Rifaat vier Beweisanträge, gegen die sich Staatsanwalt Christian Pawle aussprach. Über deren Annahme oder Abweisung wird Richter Helmut Neumar am kommenden Dienst – dem Tag, an dem ein Urteil geplant ist – entscheiden.

Rifaat beantragte die Ladung einer weiteren Gutachterin, deren Erkenntnisse einen wesentlichen Aufschluss über den Brandzeitpunkt liefern könnten: Die Biologin habe anhand von Pilzspuren auf einem Hocker, der sich laut den heute gehörten brandtechnischen Gutachten nachweislich zum Brandzeitpunkt im Keller befunden hatte, den Zeitpunkt des Feuers grob festlegen können, und zwar auf Oktober 2006. Sein Mandant sei aber bereits im September aus Dietmannsdorf ausgezogen.

Lokalaugenschein beantragt

Weiters sollten nach Wunsch Rifaats die Hundeführer geladen werden, die mit Leichenspürhunden die Videothek überprüft hatten – zum Beweis dafür, dass die 16-Jährige entgegen der Darstellung der Staatsanwaltschaft nicht dort gestorben sei. Aufrecht blieb auch der Antrag auf einen Lokalaugenschein sowohl in Dietmannsdorf als auch in Pulkau zur Prüfung der aktustischen Verhälntisse: Rifaat ist der Meinung, dass ein Hilfeschrei des Mädchens bei Versetzen eines Schlages – wie die Staatsanwaltschaft annimmt – zu hören gewesen sein müsste, da andere Bewohner bzw. Mieter anwesend waren. Außerdem soll ein Anlassbericht der Staatsanwaltschaft Eisenstadt zu einem anderen Verfahren aufzeigen, dass Metamphetamin 2006 in der Umgebung des Wohnortes des Ex-Freundes der Schülerin im Umlauf gewesen war.

Aus Sicht des Verteidigers sei das Zeitfenster des Brandgeschehens aufklärungsbedürftig, sagte er im Anschluss an die Verhandlung. Die vergangenen sechs Prozesstage hätten mehr offene Fragen gebracht als zu Beginn, verwies er auf die nach wie vor ungeklärte Todesursache und auch den Todeszeitpunkt. “Die Indizienkette ist brüchiger geworden,” so Rifaat.

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