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Lehrlingsausbildung in USA: Vorarlberger Blum hat Vorreiterrolle

Blum setzt in den USA, genauso wie im Ländle, auf eine gute Lehrlingsausbildung.
Blum setzt in den USA, genauso wie im Ländle, auf eine gute Lehrlingsausbildung. ©VOL.at/Philipp Steurer
Höchst - Die Firma Blum Inc in Stanley bei Charlotte bringt ihren Lehrlingen bei, wie man Metalle am Schraubstock bearbeitet.

Lehrlinge im amerikanischen Südstaat North Carolina? Ja, die gibt es tatsächlich, und nicht zuletzt aufgrund der Pionierarbeit, die der österreichische Zulieferer für Möbelhersteller geleistet hat. Zufrieden zeigt Blum-Präsident und CEO Rüdisser einem Besucher den aus Metall gefertigten Globus im Empfangsraum des hochautomatisierten Werkes. Seine Lehrlinge hätten ihn geschmiedet, sagt er stolz. “Wenn junge Amerikaner die richtige Ausbildung bekommen, können sie genauso viel leisten wie Arbeiter in Österreich.”

Blum seit 1977 in Amerika

Der 1977 gegründete Produktionsstandort der Vorarlberger Julius Blum GmbH entwickelt Produkte, die vor allem in Küchenmöbeln Anwendung finden wie beispielsweise Scharniere und Schubladenführungen. Im Geschäftsjahr 2011 (30.6.) erzielte Blum in USA und Kanada 167,4 Millionen Dollar (125,5 Mio. Euro) Umsatz. Das sind 15 Prozent des Konzernumsatzes. Doch die schwache US-Wirtschaft hinterlässt auch bei Blum Spuren. Beschäftigte das Unternehmen 2009 noch 490 Mitarbeiter, sind es heuer nur mehr 369. Entlassen habe man allerdings nur zehn Leute, der Rest sei durch natürliche Abgänge wie Pensionierungen erfolgt, so Rüdisser.

Blum für Amerika leicht optimistisch

Der in Bregenz aufgewachsene Blum-Boss schaut mit vorsichtigem Optimismus in die wirtschaftliche Zukunft seiner Wahlheimat. Seit letztem Jahr habe die Konjunktur wieder etwas angezogen, nach seiner Einschätzung wird jedoch der Erholungsprozess zwei bis drei Jahre dauern. Die Talsohle sei jedenfalls durchschritten. “Mehr,” so Blum, “getraue ich mich nicht zu prognostizieren.” Umso wichtiger sei es langfristig, jungen Leuten eine gute Fachausbildung zukommen zu lassen, um mit hochwertigen Produkten im Markt mithalten zu können.

Das vor 16 Jahren gestartete Ausbildungsprogramm “Apprenticeship 2000” nach österreichischem Vorbild macht mittlerweile Schule. Mehrere Unternehmen im Umfeld von Charlotte kooperieren mit Blum. Die Partnerschaft besteht aus sieben Unternehmen. Ihr Ziel ist es, jungen Leuten den Nutzen einer Lehrlingsausbildung klar zu machen. Die Lehrlinge werden an den High Schools angeworben. Bei Blum sind sie 40 Stunden pro Woche in Zusammenarbeit mit den “community colleges” eingespannt. Einen Teil der Zeit verbringen sie im Klassenzimmer. Nach dem Abschluss winkt ein Anfangslohn von mehr als 30.000 Dollar im Jahr. Nicht schlecht für einen Südstaat, wo das Lohnniveau wie auch die Lebenshaltungskosten deutlich niedriger sind als anderswo in den USA. “Mittlerweile gelten wir als Vorbild und sind in Charlotte ziemlich bekanntgeworden,” sagt Rüdisser. “Wir haben laufend Besuche aus etlichen Staaten. Viele Firmen haben erkannt, dass dies ein neuer Weg ist.”

Als letzter Partner schloss sich im Mai 2011 die Siemens Energy Inc dem Lehrlingsausbildungsprogramm an. Die hundertprozentige Tochter der Siemens AG mit fast tausend Mitarbeitern fertigt an ihrem Standort Charlotte Gas-und-Dampfturbinen für den 60-Hertz-Markt Nordamerikas. Am 16. November wurde hier ein neues Werk eingeweiht, in das Siemens 350 Millionen Dollar investiert hat. In mehreren Jahren werden voraussichtlich 1.800 Menschen im Charlotte-Werk arbeiten.Was das Lehrlingsprogramm betrifft, teilt Siemens-Energy-Boss Mark Pringle Rüdissers Meinung. “Mit der wirtschaftlichen Erholung wächst in der herstellenden Industrie der Bedarf an Facharbeitern,” sagt Pringle. “Die Zahl der Fachkräfte bestimmt unsere Wettbewerbsfähigkeit.” Beide sind davon überzeugt, dass der duale Ausbildungsweg für eine große Zahl junger Menschen eine praktische Lösung darstellt, weil sie lernen und zugleich Geld verdienen. Der Stundenlohn liegt mit etwa neun Dollar um 1,75 Dollar über dem gesetzlichen Mindestlohn.

Charlotte und Umgebung sind seit Jahren eine bevorzugte Gegend für ausländische Firmenansiedlungen. Im Stichjahr 2009 waren es nach einer von der hiesigen Handelskammer erstellten Liste 850. Deutschland ist mit 180 Niederlassungen am stärksten vertreten, Österreich ist mit acht Firmen dabei. Günstige Verkehrsverbindungen wie Direktflüge nach Frankfurt, gute Schulen, das moderate Klima und die hohe Lebensqualität sind nach Rüdissers Meinung die Hauptgründe für Charlottes Attraktivität.

Gegründet im Jahr 1768 und benannt nach Charlotte von Mecklenburg-Strelitz, der Gattin des englischen Königs George III, ist die 2,5 Millionen Einwohner zählende Metropole nach New York der größte Finanzplatz der USA. Etliche der umsatzstärksten Gesellschaften unterhalten hier ihre Geschäftszentralen, darunter Bank of America und der Energie-Erzeuger Duke Energy. Charlotte ist eines der Top-Motorsport-Zentren und Austragungsort mehrerer NASCAR-Rennen jede Saison. Nicht zuletzt entwickelt sich Charlotte zu einem wichtigen Stützpunkt für die Bereiche Healthcare und Life Sciences, die mehr als 10.000 Menschen beschäftigen. Das Carolinas HealthCare System ist das drittgrößte in den USA.

Doch aus unternehmerischer Sicht dürfte der wichtigste Grund für Charlottes Attraktivität die Tatsache sein, dass North Carolina – wie der Süden überhaupt – ein “right-to-work”-Staat ist, also ein gewerkschaftsfreies Bundesland mit entsprechend niedrigeren Produktionskosten. Ausgerechnet hier, einer Hochburg der Republikaner, findet im September 2012 der Demokratische National- Kongress statt, der voraussichtlich Präsident Obama als Kandidaten für ein zweites Mandate aufstellen wird.

Blum-Chef mit Tipps für Obama

Welche Botschaft würde Rüdisser dem Präsidenten überbringen, wenn er Gelegenheit haben würde, ihn zu treffen? “Ich würde ihm sagen, aus unserer Sicht müsste man mehr tun für die Ausbildung von Handwerkern. Anderseits sollte jungen Leuten die Botschaft übermittelt werden, dass sie etwas leisten müssen, bevor sie die Früchte tragen können.” Siemens-Energy-Chef Pringles Ratschlag: “Die Regierung sollte Klarheit schaffen in ihrer Energie-und-Infrastrukturpolitik, damit Unternehmen das Vertrauen zurückgewinnen, in Lösungen zu investieren, die Arbeitsplätze schaffen. Das wäre der beste Weg, das Wirtschaftswachstum zu fördern.”

(APA)

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