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Linzer Prozess um bosnisches Kriegs-Massaker

Ein Prozess um ein Massaker an serbischen Zivilisten im Jugoslawienkrieg beschäftigt seit Dezember das Landesgericht Linz. Ein mittlerweile eingebürgerter 48-jähriger Bosniake muss sich wegen 16-fachen Mordes, dreifachen Mordversuchs und Brandstiftung verantworten. Er leugnet, an dem Verbrechen beteiligt gewesen zu sein. Am Donnerstag war eine Überlebende am Wort, die ihn schwer belastete.


Am 17. September 1992 wurden bei dem Überfall auf das serbische Bauerndorf Serdari in der Provinz Kotor Varos sieben Männer, sieben Frauen und zwei Kinder – offenbar von rund 20 (muslimischen) Bosniaken – getötet sowie sechs Häuser in Brand gesteckt. Motiv dürfte Rache für vorangegangene serbische Angriffe gewesen sein.

Vier mutmaßliche Haupttäter fassten 2014 in Sarajevo Haftstrafen zwischen neun und elfeinhalb Jahren aus, 2015 wurde der Spruch aber aufgehoben. In einem neuen Prozess wurde einer erneut zu elf Jahren verurteilt, zwei wurden freigesprochen, ein Vierter ist bereits gestorben. Im Verfahren tauchte auch der Name des nun in Linz angeklagten 48-Jährigen auf, was ihm schließlich eine Anklage eintrug.

Der Prozess gestaltet sich zäh. Der Angeklagte, der nicht in U-Haft ist, beteuert, nicht bei dem Überfall auf das Dorf dabei gewesen zu sein. Die Aussagen etlicher Zeugen sind teils vage, viele können sich an die lange zurückliegenden Ereignisse nicht mehr genau erinnern. Es gibt zwar auch belastende Aussagen, aber Widersprüche in Details.

Eine Überlebende des Massakers, die den Angeklagten bereits im Verfahren in Sarajevo schwer belastet hatte, wiederholte am Donnerstag in Linz ihre Vorwürfe allerdings deutlich: Die 69-Jährige schilderte, dass sie an jenem 17. September von Schüssen geweckt wurde. Sie ging vor die Haustüre und habe einige Meter entfernt den Angeklagten stehen sehen. Hinter einem Stall warteten weitere Männer, die sie aber nicht erkennen konnte.

Der Angeklagte habe sein Gewehr an einen Zaun gelehnt und sie angeschrien, sie solle herkommen. Als sie das verweigerte, habe jemand von hinter dem Verschlag gerufen: “Schieß, wenn sie nicht kommen will!”. Sie sei daraufhin ins Haus geflüchtet und habe sich mit ihrem kleinen Sohn im Bad versteckt. Männer hätten gegen die Türe getreten und dann habe sie gehört, wie jemand sagte: “Wir sind fertig, zündet an.” Wenig später sei das Nebenzimmer in Flammen aufgegangen. Sie habe vor lauter Rauch kaum mehr Luft bekommen. Draußen sei ständig geschossen worden, jemand habe gerufen: “Tötet alles, was serbisch ist, lasst nicht einmal eine Katze am Leben” und, dass es ein “Heiliger Krieg” sei.

Nachdem die Angreifer abgezogen waren, wagte sie sich aus dem mittlerweile völlig verqualmten Haus hinaus und fand in der Nähe drei Leichen, darunter die ihres Mannes. Auch ein erwachsener Sohn und die Schwiegertochter wurden bei dem Massaker getötet. Die Zeugin schloss sich dem Verfahren mit insgesamt 185.000 Euro an, Trauerschmerzensgeld, Schadenersatz für erlittene gesundheitliche Schäden – sie leidet seit dem Brand deutlich hörbar an Asthma – sowie für das Haus und das Vieh.

Ein Urteil in dem Prozess ist wohl erst im Sommer zu erwarten. Der Strafrahmen beträgt zwischen fünf und 20 Jahren. Dass überhaupt in Linz verhandelt wird und nicht in Den Haag, liegt daran, dass die österreichische Justiz den Überfall im Gegensatz zur bosnischen als Massaker und nicht als Kriegsverbrechen einstuft.

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