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Massenquartier für Flüchtlinge in Wien: "Miethaie" vor Gericht

Zwei Männer standen vor Gericht, weil sie Massenquartiere für Flüchtlinge betrieben hatten.
Zwei Männer standen vor Gericht, weil sie Massenquartiere für Flüchtlinge betrieben hatten. ©APA/HERBERT NEUBAUER
Zwei Zinshäuser in der Laxenburger Straße in Wien-Favoriten wurden als Massenquartiere für Flüchtlinge genutzt. Sechs Personen wurden etwa in einem Zehn-Quadratmeter-Zimmer ohne Toilette, Dusche und Kochstelle untergebracht. Ein Schöffensenat am Wiener Landesgericht beschäftigt sich seit Montag mit dem Fall.

Mit zwei Zinshäusern in der Laxenburger Straße in Favoriten muss sich seit Montag ein Schöffensenat im Wiener Landesgericht befassen. Die Gebäude wurden als Massenquartiere für Flüchtlinge genutzt. Sechs Personen wurden etwa in einem Zehn-Quadratmeter-Zimmer ohne Toilette, Dusche und Kochstelle untergebracht. Die zusammengepferchten Männer mussten dafür jeweils 200 Euro monatlich bezahlen. Darüber hinaus wurden ihnen Vertragsgebühren und Ablösen für Möbel in Rechnung gestellt, obwohl es sich laut Staatsanwaltschaft dabei um schrottplatzreifes Gerümpel gehandelt haben soll. Auch Kautionen wurden verlangt.

Ehemalige Asylwerber als “Miethaie”

Als “Miethaie” sollen sich ausgerechnet zwei Männer betätigt haben, die im Dezember 2014 bzw. September 2015 selbst als Asylwerber nach Österreich gekommen waren. Die Anklage legt ihnen schweren gewerbsmäßigen Betrug und Sachwucher zur Last. Der 42-jährige Syrer und der 35-jährige Iraker hätten “die Zwangslage und die Unerfahrenheit ihrer Landsleute ausgenutzt, die mit den österreichischen Mietgesetzen nicht vertraut sind”, stellte die Staatsanwältin fest. Von der Anklage sind 29 Opfer umfasst, die allesamt in deutscher Sprache verfasste Mietverträge unterschrieben hatten, obwohl keiner über annähernd ausreichende Sprachkenntnisse verfügt.

Unsachgemäße Bauarbeiten in den Zinshäusern

Die Angeklagten hatten die Häuser von einem Makler vermittelt bekommen. Federführend dürfte dabei der Syrer gewesen sein, der als vorgebliche Sicherheit einen Kontoauszug einer kuwaitischen Bank vorlegte. Dem – vermutlich gefälschten – Beleg zufolge hätte der 42-Jährige in Kuwait ein Vermögen von umgerechnet 350 Millionen Euro “geparkt”.

Die vereinbarten Raten für die im Frühjahr 2016 angemieteten Zinshäuser wurden ein Mal, im zweiten Fall gar nicht bezahlt. Dafür wurden nicht genehmigte Umbauarbeiten durchgeführt, um möglichst viele Leute unterbringen zu können. “Bei den Bauarbeiten ist unsachgemäß gearbeitet worden. Immer wieder sind deshalb Wasserschäden aufgetreten”, berichtete die Staatsanwältin. Während der Syrer – er gab in seiner gerichtlichen Einvernahme an, in seiner Heimat Liegenschaften, Immobilien und umgerechnet 35.000 Euro in bar zu besitzen – sich um das Geschäftliche gekümmert haben soll, soll der Iraker hauptsächlich für das Eintreiben der Mieten zuständig gewesen sein.

Angeklagte sehen sich selbst als Opfer

Die Angeklagten bekannten sich “nicht schuldig” und sahen sich selbst als Opfer. Der Makler habe “die Wohnungen bereitgestellt”, sagte der Syrer. Die jeweiligen Hausverwaltungen hätten von den Bauarbeiten gewusst und keine Einwände gehabt. Sein Vorhaben, Quartiermöglichkeiten zu schaffen, hätte “nicht funktioniert”. Ihm sei das Geld ausgegangen. Man müsse die Rolle des Maklers näher beleuchten, betonte sein Verteidiger Andreas Reichenbach. Sein Mandant hätte “sicher unglücklich agiert”, aber es sei nicht ausgeschlossen, “dass man gesagt hat, wir nehmen den Araber, der soll den Kopf hinhalten”.

Der Iraker wies auf seine untergeordnete Rolle hin. “Er hatte mit den Mietverträgen nichts zu tun”, meinte seine Verteidigerin Ulla Gräfin von Deym. Dafür habe er zur Finanzierung des Projekts 30.000 Euro zur Verfügung gestellt: “Die sind jetzt weg.”

Die Verhandlung, zu der eine Fülle von Zeugen geladen sind, dürfte sich bis weit in den Herbst hinein erstrecken.

APA/Red.

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