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Mexikos Drogenkrieg bringt Journalisten zum Schweigen

Ein mexikanischer Reporter erhielt per Telefon eine konkrete Morddrohung eines von einem Drogenkartell angeheuerten Auftragsmörders.

Das Telefon des Reporters klingelt nur wenige Tage, nachdem im Fernsehen sein Bericht über die Festnahme mehrerer Mitglieder der Drogenbande Zeta gelaufen war. Die Stimme am anderen Ende der Leitung kommt gleich zur Sache: “Mein Job ist nicht, Dich zu warnen, sondern Dich zu töten. Wenn Du so weitermachst, werden sich unsere Wege bald kreuzen.” Der Familienvater ist schockiert. “Sie wussten alles über mich: Wo ich wohne, wie viele Kinder ich habe und wie sie heißen”, erklärt der Journalist, der aus Angst vor der Rache der Drogenkartelle seinen Namen nicht mehr veröffentlicht sehen möchte. Und sein Schicksal ist keine Ausnahme in Mexiko.

Mexiko im Krieg 

In den vergangenen Jahren sind die nordmexikanischen Bundesstaaten an der Grenze zu den USA, für dessen Markt der Großteil der südamerikanischen Drogen bestimmt ist, zu einem Schauplatz beispielloser Gewalt geworden. Geköpfte Leichen, Gefechte am helllichten Tage, Massaker auf Hochzeitsfeiern – praktisch kein Tag vergeht, an dem der Krieg zwischen den rivalisierenden Drogenbanden und der Einsatz der Armee gegen die Kartelle nicht Stoff für Nachrichten liefern würde.

Doch in den Lokalmedien erscheinen immer seltener Berichte über den Drogenkrieg. Denn immer mehr mexikanische Journalisten zensieren ihre eigene Berichterstattung – aus Angst vor der Rache der Drogenbanden oder der korrupten Polizeibeamten, die auf den Gehaltslisten der Kartelle stehen. Einige fühlen sich auch durch Soldaten eingeschüchtert, die es im Kampf gegen die Drogenkartelle mit den Menschenrechten oft selbst nicht so genau nehmen und damit ebenfalls zum Gegenstand kritischer Recherchen werden. Andere Journalisten fürchten sich sogar vor Maulwürfen in der eigenen Redaktion, die gegen Bezahlung durch die Kartelle für positive Presse sorgen und kritische Kollegen anschwärzen sollen.

Aus Angst vor Rache kaum Berichterstattung

Offen darüber zu reden, traut sich kaum ein Journalist. Doch die Zahlen sprechen für sich. Nach einer Statistik des Komitees zum Schutz von Reportern wurden in den vergangenen fünf Jahren mindestens 42 mexikanische Journalisten getötet. Damit ist Mexiko für Pressevertreter gefährlicher als beispielsweise Afghanistan. Die mexikanische Menschenrechtskommission zählt sogar 50 getötete Reporter seit dem Amtsantritt von Präsident Felipe Calderon 2006, der auch das Militär gegen die Kartelle zu Felde ziehen ließ. Doch der Konflikt hat sich dadurch eher noch verschärft.

“Was wir machen, das ist eine Art Überlebens-Journalismus. Es ist ein Drahtseilakt”, sagt Ismail Bojorquez, Chef der Wochenzeitung “Rio Doce” im nordwestlichen Bundesstaat Sinaloa. Dort tobt der Drogenkrieg besonders heftig. Auch das Komitee zum Schutz von Reportern spricht von einem Klima der Angst, das in Redaktionen herrsche. Der Kampf gegen die Kartelle sei zwar das wichtigste Thema in Mexiko, erläutert ein Sprecher. “Aber die Medien fassen es praktisch nicht an.”

Die mexikanische Regierung setzte zwar eine Sonderabteilung ein, um die Morde an Journalisten zu untersuchen. Doch die meisten Verbrechen blieben bisher ungesühnt. Und dies dürfte auch für den jüngsten Fall gelten: In der Hafenstadt Veracruz verschwand kürzlich die Journalistin Yolanda Ordaz, die seit mehr als 20 Jahren für eine einheimische Tageszeitung geschrieben hatte. Wenig später tauchte sie wieder auf: Die Mörder legten die geköpfte Leiche vor dem Redaktionsgebäude einer konkurrierenden Lokalzeitung ab.

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