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Ministerrücktritt und Proteste: Berlusconi erlebt heißen Sommer

Für Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi hätte die Blamage nicht größer sein können. Nur zwei Wochen, nachdem der Premierminister den früheren Manager in seiner Mediengruppe Fininvest, Aldo Brancher, zum Föderalismusminister ernannt hatte, musste dieser unter dem Druck eines Misstrauensantrags der Opposition das Handtuch werfen.
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Der wegen Veruntreuung angeklagte Brancher steht in Mailand wegen seiner Verwicklung in dem 2007 ausgebrochenen Bankenskandals um das Kreditinstitut Antonveneta vor Gericht. Er dürfe nicht als Minister amtieren, verlangte die Opposition, die Brancher zum Rücktritt zwang. Die Demission des Ministers ist ein weiterer harter Schlag für Berlusconi, der ohnehin schon wegen einer Serie von Korruptionsskandalen in seiner Partei und wegen Protesten gegen sein Sparpaket ein vor Monaten noch undenkbares Popularitätstief erreicht hat.

Der Rücktritt seines Föderalismusministers ist ein schmerzhafter Rückschlag für Berlusconi, dessen Regierung ohnehin eine ganze Reihe von Problemen zu bewältigen hat. Erst im Mai hatte Industrieminister Claudio Scajola nach Berichten über einen skandalumwitterten Immobilienkauf zurücktreten müssen. Die Korruptionsfälle, die in den vergangenen Monaten Berlusconis Partei belastet und Industrieminister Scajola das Amt gekostet haben, nagen an Berlusconis Ansehen.

Ein heißer Herbst droht Berlusconi auch wegen seines Dauerstreits mit dem Präsidenten der Abgeordnetenkammer, Gianfranco Fini. Die beiden Politiker, die 15 Jahre lang enge Vertraute waren und vor eineinhalb Jahren zusammen die Mitte-Rechts-Partei “Popolo della libertá” (PdL – Volk der Freiheit) gegründet hatten, sind zu Erzfeinden geworden. Immer wieder kritisiert Fini die autoritäre Führungsrolle Berlusconis in der Partei. Der Premierminister beschuldigt dagegen Fini, aus Machtstreben den Zusammenhalt in der gemeinsamen Partei zu unterminieren.

“Wir können auf Fini verzichten. Er will in der italienischen Politik eine dritte Kraft zwischen dem PdL und der Mitte-Link-Opposition aufbauen. Er wird wie viele andere vor ihm an diesem Projekt scheitern”, sagte Berlusconi. Damit reagierte der Premierminister auf die scharfe Attacke Finis, der seinen Austritt aus der gemeinsamen PdL-Partei und die Gründung einer eigenen Partei nicht mehr ausschließt.

Die Nerven zwischen den beiden PdL-Gründern liegen auch wegen des umstrittenen Abhörgesetzes blank, gegen das am Donnerstag tausende Menschen in Rom demonstriert hatten. Berlusconi wirft Fini vor, seine Pläne für eine rasche Verabschiedung des umstrittenen Gesetzes in der Abgeordnetenkammer zu boykottieren, mit dem Abhörvollmachten der Justizbehörden eingeschränkt werden. Laut politischen Beobachtern sei der Medienzar über Fini derart verärgert, dass er nicht einmal mehr Neuwahlen ausschließe, um den einstigen Vertrauten aus dem Amt des Präsidenten der Abgeordnetenkammer zu drängen.

Berlusconi gerät auch wegen seines Sparplans zunehmend unter Druck. Regionen und Gemeinden protestieren heftig wegen den mit dem Sparpaket verbundenen Einschnitten, die sie zu drastischen Ausgabenkürzungen im Gesundheits- und Sozialwesen zwingen würden. Berlusconi hat vergebens Druck auf Wirtschaftsminister Giulio Tremonti für eine Auflockerung der Ausgabenkürzungen im Lokalbereich gemacht, gegen die es vor zehn Tagen einen Generalstreik gegeben hatte. Tremonti lässt nicht mit sich reden. Man könne zwar über einzelne Maßnahmen des Sparpakets diskutieren, an dem Gesamtbetrag, den der Staat bis 2013 einsparen müsse, dürfe aber nicht gerüttelt werden, meint der Minister. Um den Sparplan ohne Änderungen im Parlament durchzubringen, wird Berlusconi wieder gezwungen sein, sich einer Vertrauensabstimmung zu unterziehen.

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