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München: Todesschütze tötet sich nach Kontakt mit Streifenpolizisten

Zahlreiche Menschen kamen am Samstag zum Tatort.
Zahlreiche Menschen kamen am Samstag zum Tatort. ©ASSOCIATED PRESS
Der Amokläufer von München hat seine Tat ein Jahr lang vorbereitet und dazu ähnlich wie der norwegische Massenmörder Anders Behring Breivik ein Manifest verfasst. Einen politischen Hintergrund schließen die Behörden aber aus. Seine Opfer, die überwiegend einen Migrationshintergrund haben, suchte er sich nach den Erkenntnissen der Ermittler nicht gezielt aus.
Amokläufer war Einzeltäter
Schüsse im Einkaufszentrum
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Landespolizei und Staatsanwaltschaft informierten am Sonntag über die ersten Ermittlungsergebnisse zum Amoklauf vom Freitagabend. Es habe sich bestätigt, dass der 18-Jährige wegen einer psychiatrischen Erkrankung behandelt wurde. In der Wohnung habe man ärztliche Behandlungsunterlagen gefunden, die auf eine Angststörung und Depressionen hindeuteten. Er habe sich sowohl in stationärer und ambulanter Behandlung befunden. Zudem habe man Medikamente gefunden. Im Jahr 2012 sei er von Mitschülern gemobbt worden. Ob es einen Zusammenhang des Mobbings zur Tat gebe, sei noch unklar. Mitschüler seien aber nicht unter den Opfern. Der Amokläufer war bis wenige Wochen vor der Tat in psychiatrischer Behandlung. Ein letzter ärztlicher Kontakt habe im Juni 2016 festgestellt werden können.

18-Jähriger plante Tat seit einem Jahr

Der Deutsch-Iraner hatte entgegen ersten Polizeiangaben das Manifest Breiviks nicht auf seiner Festplatte, jedoch Recherchen zur Tat des norwegischen Massenmörders angestellt und ein eigenes schriftliches “Manifest” verfasst, sagte der Präsident des bayerischen Landeskriminalamts, Robert Heimberger. Der Täter habe sich seit einem Jahr auf seine Tat vorbereitet. Er habe auch Winnenden besucht, den Ort eines früheren Amoklaufs. Dort habe er Bilder gemacht.

Nach Angaben der Ermittler spielte der Täter intensiv gewaltverherrlichende Videospiele wie “Counterstrike”. Das sei typisch für Amokläufer. Die Münchner Bluttat fand am fünften Jahrestag des Amoklaufs Breiviks statt, bei dem der norwegische Rechtsextremist 77 Menschen tötete.

Waffe aus dem Darknet beschafft

Am Freitag hatte sich die norwegische Bluttat zum fünften Mal gejährt. Bei der Tatwaffe vom Typ Glock 17 und einem Kaliber von neun Millimetern handelt es sich dem Bericht zufolge um eine Theaterwaffe, die zunächst unscharf und später wieder gebrauchsfähig gemacht wurde. Die Waffe trage ein Prüfzeichen aus der Slowakei, der Täter habe sie sich aus dem Darknet beschafft, wo sich Internetnutzer fast unerkannt bewegen können. Die “SZ” berief sich dabei auf Informationen aus Ermittlerkreisen. Der Täter hat am Tatort fast 60 Schüsse abgegeben. 57 Hülsen seien dort entdeckt worden, die “eindeutig” der Tatwaffe zugeordnet werden könnten, sagte Heimberger.

In München schwebten am Sonntag noch drei Menschen in Lebensgefahr. Insgesamt gab es laut Landeskriminalamts 35 Verletzte. Der Amoklauf sorgt weltweit für Entsetzen und Anteilnahme.

Tat auf Facebook angekündigt

Die Ermittler wissen noch nicht, warum der Amokläufer das Einkaufszentrum als Tatort und den Tatzeitpunkt ausgesucht hat. Zur Aufklärung der Tat wurde eine mehr als 70 Personen starke Sonderkommission gebildet. Mit einem Fake-Account bei Facebook habe der Täter angekündigt, dass er bei McDonald’s eine Runde spendieren werde, sagte Heimberger. “Das war wohl der Versuch, Personen dorthin einzuladen.” Nach bisherigen Ermittlungen gehörten die Menschen, zu denen der Täter auf Facebook Kontakt hatte, aber nicht zu den späteren Todesopfern.

Der Todesschütze von München hat sich nach Angaben der Polizei nach einem Kontakt mit Streifenbeamten unvermittelt erschossen. Am Samstag seien weitere Details zum Tatablauf zusammengetragen worden, teilte das Polizeipräsidium München am Abend mit. Dabei seien auch viele Beamte befragt worden, die während der Bluttat vom Vorabend im Dienst gewesen seien.

Täter erschoss sich nach Kontakt mit Polizei

“Gegen 20.30 Uhr hatte demnach eine Streife der Münchner Polizei nördlich des Olympiaeinkaufszentrums Kontakt zum mutmaßlichen Täter”, heißt es in der Mitteilung. “Als Reaktion auf die Ansprache der Beamten zog er unvermittelt seine Schusswaffe, hielt sie sich an den Kopf und erschoss sich.”

Die Warnhinweise an die Bevölkerung seien danach trotzdem aufrecht gehalten worden, weil es Zeugenhinweise zu weiteren möglichen Tätern gegeben habe, erläuterte die Polizei. Auch hätten zahlreiche “Anrufe beim Polizeinotruf zu zusätzlichen Ereignissen im Stadtgebiet erst genau überprüft und mit Sicherheit ausgeschlossen werden” müssen. Eine Zivilstreife hatte den Täter zuvor bereits am Parkhaus des Einkaufszentrums entdeckt und auf ihn geschossen, doch der junge Mann war unverletzt geblieben und konnte zunächst fliehen.

Schüler erschießt neun Menschen und sich selbst

Der 18-jährige Schüler David Ali S. hatte am Freitagabend beim Münchner Olympia Einkaufszentrum (OEZ) neun Menschen und dann sich selbst erschossen. Nach Erkenntnissen der Polizei handelte es sich um den Amoklauf eines Einzeltäters.

Am Freitagabend war aber zwischenzeitlich von bis zu drei Tätern die Rede gewesen. Außerdem kursierten Gerüchte über weitere Schüsse an anderen Orten der bayerischen Landeshauptstadt. Die Polizei hatte die Bevölkerung daher aufgerufen, öffentliche Plätze und Straßen im Münchner Stadtgebiet zu meiden.

Innenminister Thomas de Maiziere am Samstag am Tatort.
Innenminister Thomas de Maiziere am Samstag am Tatort. /ASSOCIATED PRESS

München für de Maiziere: “Explosionen von Gewalt”

Für den deutschen Innenminister Thomas de Maiziere waren es “Explosionen von Gewalt”, die in München zum Tod von neun unschuldigen Menschen führten. Eine Verbindung zum islamistischen Terrorismus sehen die Ermittler nicht. In der Wohnung des jungen Mannes sei Material gefunden worden, das Verbindungen zum Amoklauf von Winnenden 2009 und zum Massenmord des Norwegers Anders Behring Breivik vor genau fünf Jahren vermuten lasse, sagte de Maiziere weiter.

Amokläufer bei Polizei unbekannt

Der Amokläufer war für die Sicherheitsbehörden ein unbeschriebenes Blatt. “Gegen ihn waren bisher keine polizeilichen Ermittlungen bekannt”, sagte de Maiziere. “Und es gibt auch keine Erkenntnisse der Nachrichtendienste über diese Person.”

De Maiziere, der am Samstagabend den Tatort besichtigte, lehnte rasche Debatten über gesetzgeberische Reaktionen auf die Bluttat ab: “Heute ist nicht die Stunde für Konsequenzen, schon gar nicht, wo die Ermittlungsergebnisse noch nicht vollständig vorliegen.” Er machte brutale Internetvideos und Computerspiele für Gewaltexzesse wie in München mitverantwortlich.

Landesregierung will Polizei besser ausstatten

Die bayerische Landesregierung will nach dem Amoklauf die Polizei besser ausstatten, wie Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) nach einer Sondersitzung des Kabinetts in München sagte. In der Innenstadt von München war am Freitag Panik ausgebrochen. An mehreren anderen Stellen war von Schüssen die Rede. Dabei handelte es sich aber um Fehlalarme.

Ermittlungen: Absichtliche Falschinformationen eingegangen?

Die Polizei ermittelt, ob auch absichtliche Falschinformationen aus der Bevölkerung eingingen. Auch am Samstagabend kam es in der Münchner Innenstadt zu einer erneuten Terrorwarnung von Unbekannten, die sich als Fehlalarm herausstellte.

Am kommenden Samstag wird es im Münchner Maximilianeum einen gemeinsamen Trauerakt des Landtags, der Landesregierung und der Stadt München geben. Zum Gedenken an die Opfer und Verletzten gibt es am Sonntag kommender Woche zudem einen ökumenischen Gottesdienst im Münchner Liebfrauendom.

(APA)

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