Dem vorangegangen war eine Voraus-Meldung der Wiener Wochenzeitung “Falter”, die in ihrer aktuellen Ausgabe Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft Wien erhebt. Demnach soll ein Polizist bereits am 22. März per E-Mail einen “Arbeitsauftrag” von der Anklagebehörde eingefordert haben, um gegen den verhaltensauffälligen jungen Mann vorgehen zu können. Während die Justiz den gebürtigen Kenianer zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben hatte, hielt der 21-Jährige offenbar die Polizeiinspektion (PI) am Brunnenmarkt auf Trab.
Mordalarm am Brunnenmarkt: Sonderkommission soll Umstände klären
Unter Berufung auf 18 eingegangene Anzeigen und vier offene Strafverfahren soll der Polizeibeamte laut “Falter” Schritte von der Anklagebehörde erbeten haben, die seit der StPO-Reform Herrin des Ermittlungsverfahrens ist: Der “verschmutzte” und “verwahrloste” Mann sei schon wieder des Diebstahls, des räuberischen Diebstahls, der gefährlichen Drohung, des Widerstands gegen die Staatsgewalt und der Körperverletzung von Passanten dringend verdächtig. Die Staatsanwaltschaft habe – so der “Falter” – darauf nicht reagiert. Seitens der Anklagebehörde war trotz stundenlanger Bemühungen der APA keine Stellungnahme zu den Vorwürfen zu bekommen.
Brandstetter für “umgehende Prüfung”
Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) will mit der Sonderkommission “die medial transportierten Vorwürfe umgehend überprüfen” und “mögliche Versäumnisse” im Vorfeld der Bluttat am Brunnemarkt “restlos aufklären”, teilte er in einer der APA übermittelten Stellungnahme mit. Er sei “an der umfassenden Aufklärung der Umstände, wie es dazu überhaupt kommen konnte, interessiert”.
Wien. Die aktuelle Medienberichterstattung – angeblich soll die Staatsanwaltschaft Wien nicht auf ein Ersuchen eines Polizisten um einen “Arbeitsauftrag” reagiert haben – lasse sich “aus den uns vorliegenden Akten nicht nachvollziehen. Uns liegen teilweise widersprüchliche Informationen vor”, erläuterte Brandstetter. Die Ermittlungen wegen Mordes führe selbstverständlich weiter die Staatsanwaltschaft Wien. Aufgabe der Sonderkommission sei es, “die sozialen und psychiatrischen Umstände sowie den jeweiligen Kenntnisstand der betroffenen Behörden zu erheben, um allfällige Missstände aufzudecken und entsprechende notwendige Maßnahmen daraus abzuleiten”. Dazu soll die Kommission mit allen betroffenen Behörden auf Bundes- und Landesebene sowie auch der Volksanwaltschaft Kontakt aufnehmen und diese einbinden.
“Mögliche Versäumnisse in der Zusammenarbeit der zuständigen Behörden, insbesondere an den Schnittstellen von deren Zuständigkeiten, müssen restlos aufgeklärt werde”, bekräftigte Brandstetter. Zum Leiter der Sonderkommission wurde Helfried Haas, Vizepräsident des Landesgerichts für Zivilrechtssachen (ZRS) Wien, bestimmt.
(apa/red)