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Neues EU-Verfahren gegen Österreich

Der Sprecher von Bildungskommissar Jan Figel, Frederic Vincent, begründete das neuerliche Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich und Belgien mit den Grundprinzipien des EU-Rechts.

Die EU feiere heuer das 50-jährige Jubiläum der römischen Verträge und 20 Jahre des Austauschprogramms Erasmus. „Es ist einfach nicht akzeptabel, dass es da noch Hürden für andere EU-Studenten an Universitäten geben kann“, sagte Vincent.

Im Fall Österreichs sei die Kommission eineinhalb Jahre nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH), mit dem die ursprünglichen Zugangsbeschränkungen für ausländische Studenten aufgehoben wurden, zu dem Schluss gekommen, dass Österreich mit dem neue Quotensystem dem Spruch der Luxemburger Richter nicht entsprechend nachgekommen sei. „Die Lösung ist weiterhin diskriminierend“, unterstrich der Sprecher.

Der Kommission sei sehr wohl bewusst, dass die Frage des Uni-Zugangs in einigen Mitgliedstaaten eine schwieriges und sensibles Thema sei. Österreich und Belgien seien offenbar aus geographischen Gründen Länder mit besonders starkem Zulauf ausländischer Studenten, deren Anteil in beiden Fällen über zehn Prozent liege. Die Kommission betont, dass sie deshalb offen für eine Fortsetzung des Dialogs mit den österreichischen und belgischen Behörden bleiben.

Grüne und ÖH für Transferzahlungen zwischen EU-Staaten

Grüne und Österreichische Hochschülerschaft (ÖH) haben sich zur Lösung des Uni-Zugang-Problems für Transferzahlungen zwischen den Mitgliedstaaten bei der Studentenmobilität ausgesprochen. „Eine europäische Regelung der Finanzierung grenzüberschreitender Studierendenströme ist die einzige faire Lösung, bei der kleinere Mitgliedstaaten nicht überfordert werden“, erklärte der Grüne Wissenschaftssprecher Kurt Grünewald am Mittwoch in einer Aussendung. Die ÖH sieht in einem „kostensolidarischen Finanzierungsmodell“ die einzige Möglichkeit.

Grünewald appellierte an Wissenschaftsminister Johannes Hahn (V), rechtzeitig zu handeln, um eine EU-rechtskompatible Lösung sicherzustellen. Transferzahlungen kann sich der Grün-Mandatar etwa so wie beim Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern in Österreich vorstellen.

Die beiden ÖH-Chefinnen Barbara Blaha und Lina Anna Spielbauer sprachen sich ebenfalls für eine europäische Lösung aus, die aber nicht erst wieder im letzten Augenblick gesucht werden dürfe. Es müsse schon jetzt mit Belgien und Dänemark gesprochen werden, die ähnliche Probleme haben. Ziel eines kostensolidarischen Finanzierungsmodells müsse sein, „EU-Bürger nicht zu diskriminieren, den freien Hochschulzugang als Grundprinzip zu verteidigen und als kleines Land nicht die Kosten für alle EU-Studierenden tragen zu müssen.“ Weil sich der Andrang der deutschen Studenten auf die Medizin-Unis beschränke, müssten außerdem die in anderen Studienrichtungen bestehenden Zugangsbeschränkungen aufgehoben werden, fordert die ÖH.

Der steirische Europaparlamentarier Reinhard Rack (V) kritisierte das erneute EU-Mahnverfahren. Sich bei einem so schwierigen Thema rein auf die Anrufung des Europäischen Gerichtshofes zurückzuziehen, könne man „nicht als engagierten und kompetenten Lösungsansatz bezeichnen“. Die Kommission übersehe, dass sie nicht nur für die Einhaltung der EU-Verträge zuständig sei, sondern auch „Motor der europäischen Integration“ sein sollte. Bei den so genannten Problemstudien Medizin oder Psychologie bewege sich das Interesse der deutschen Studierenden in Größenordnungen, die für eine Weiterführung des österreichischen Uni-Betriebs und die nachfolgende Versorgung der Bevölkerung mit qualifizierten Absolventen zum Problem geworden sei.

Auch die SPÖ-Europaabgeordnete Christa Prets zeigte wenig Verständnis für die Haltung der EU-Kommission. Es sei bedauerlich, dass die EU-Kommission bisher nicht in einen konstruktiven Dialog mit den betroffenen Mitgliedstaaten getreten sei und nicht den Schaden erkenne, der „durch eine kurzsichtige Auslegung des EU-Rechts in dieser Situation entstehen kann“, betonte sie in einer Pressinformation. Der freie Hochschulzugang in Österreich sei unverrückbar. Es sei inakzeptabel, dass durch „Numerus Clausus-Flüchtlinge“ aus dem EU-Ausland die ohnehin schwierige Situation der überlasteten heimischen Universitäten weiter verschlechtert werde. Die Quotenlösung wäre aus ihrer Sicht „ein adäquater Kompromiss in dieser heiklen Streitfrage gewesen“. Prets fordert, das Thema müsse so rasch wie möglich von den EU-Bildungs- bzw. Wissenschaftsministern diskutiert werden.

Argumente überzeugten Brüssel nicht

Die EU-Kommission betonte am Mittwoch, dass Österreich sehr viel Aufwand betrieben habe, um die Quotenregelung für ausländische Studenten in den Richtungen Medizin und Zahnmedizin zu begründen. Die Argumentation des Bildungsministeriums, die Homogenität des österreichischen Hochschulwesens sei bedroht und das Gesundheitswesen in Gefahr, hätten aber die Kommission nicht überzeugt.

Österreich hat unter anderem eine Studie zum Hochschulwesen mit rund 200 Seiten nach Brüssel geschickt. Hauptargument war laut Kommission das Prinzip, dass jedem Studienwilligen in Österreich ein Studienplatz an dem Ort, wo er wolle, zur Verfügung stehe. Auch der drohende Ärztemangel, sollten die ausländischen Medizin-Studenten nach Abschluss des Studiums in ihre Heimat zurückkehren, sei von Österreich ins Treffen geführt worden. Zahlen oder Beweise, dass früher oder später bestimmte Fachärzte fehlen könnten, seien allerdings nicht mitgeliefert worden. „Die Gefährdung der öffentlichen Gesundheitsversorgung müsste bewiesen werden“, sagte ein Experte in der EU-Kommission.

Aus Sicht der Kommission reicht der Ansturm auf „ein oder zwei Studienrichtungen“ alleine noch nicht aus, um das gesamte Hochschulsystem eines Landes in existenzielle Gefahr zu bringen. Daher seien Quoten kein verhältnismäßiges Mittel, um dagegen vorzugehen. Die Suche nach der Lösung des Problems sei aber nicht in der Kompetenz der Kommission, wurde neuerlich betont. „Das ist die Aufgabe des Mitgliedstaates“, so ein Experte der Brüsseler Behörde.

Österreich hat laut der Brüsseler Behörde nun drei Möglichkeiten auf den Mahnbrief zu reagieren: Die Regierung könnte die Quotenregelungen für bestimmte Studienrichtungen abschaffen, was allerdings als eher unwahrscheinlich angesehen wird. Sie könnte noch bessere Argumente vorbringen, um die Maßnahmen zu rechtfertig, was als schwierig gilt. Oder sie kann die Regelung verteidigen und das schwierige Problem letztlich wieder vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) klären lassen.

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