“Wir sind vereint, aber noch nicht eins”, sagte die Ost-Beauftragte der deutschen Regierung, Wirtschaftsstaatssekretärin Iris Gleicke. Erfreulich sei, dass die Wiedervereinigung im Osten für 77 Prozent und im Westen für 62 Prozent der Bürger als persönlicher Gewinn gelte. Dass die Demokratie die beste Staatsform ist, akzeptieren 82 Prozent der “Ossis” und 90 Prozent der “Wessis”. Die Meinungsforscher von Infratest befragten dazu 2000 Deutsche ab 14 Jahren.
Bürger mit praktischer Politik weniger zufrieden
Mit der praktischen Politik sind die Bürger aber weniger zufrieden. Politiker, Parteien und EU-Parlament werden im ganzen Land gleich gering geschätzt. Spannend sind die Einstellungen der Ostdeutschen zur DDR-Vergangenheit: 70 Prozent sagen heute klar, dass das politische System der DDR eine Diktatur war. Die Ansicht, dass die DDR auch ein “Unrechtsstaat” war, teilen aber nur 46 Prozent.
Die Autoren der Studie “Sind wir ein Volk?” glauben, dass viele Ostdeutsche im Rückblick ihren eigenen Lebenslauf nicht entwerten wollten. “Natürlich war die DDR ein Unrechtsstaat”, meinte die Thüringerin Gleicke. Im Westen müsse jedoch endlich anerkannt werden, dass die große Mehrheit der Ostdeutschen einfach versucht habe, für sich und ihre Familien in der Diktatur etwas aufzubauen.
Westen hat auch vom Osten gelernt
Beim Frauen- und Familienbild habe der Westen nach der Wende stark vom Osten profitiert, wo berufstätige Frauen und Ganztags-Kindergärten schon zu DDR-Zeiten normal waren. “Der Westen hat vom Osten gelernt”, sagte der Forschungsdirektor am ZSH, Prof. Everhard Holtmann. Ostdeutsche Frauen und Männer seien in Sachen Emanzipation aber noch heute weiter als Westdeutsche.
Mit dem Beitritt der ostdeutschen Länder zur Bundesrepublik war die staatliche Einheit Deutschlands am 3. Oktober 1990 vollzogen worden, knapp elf Monate nach dem Fall der Berliner Mauer. Das Gebiet der ehemaligen DDR entspricht etwa 30 Prozent des deutschen Staatsgebiets, dort leben aber nur noch etwa 17 Prozent der heutigen deutschen Bevölkerung.