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Prozess: Aliyev-Vertrauter fühlt sich als "Staatsfeind"

Aliyev-Prozess in Wien fortgesetzt.
Aliyev-Prozess in Wien fortgesetzt. ©APA
Nach dem Ex-Chef des kasachischen Geheimdiensts KNB, Alnur Mussayev, hat auch Rakhat Aliyevs langjähriger persönlicher Assistent Vadim Koshlyak im Wiener Straflandesgericht seine Schuldlosigkeit betont. Am dritten Verhandlungstag im Aliyev-Prozess stellte der 42-Jährige am Freitag in Abrede, im Jänner 2007 die Banker Zholdas Timraliyev und Aybar Khasenov verschleppt zu haben.
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Laut Anklage soll er die beiden gemeinsam mit Aliyev, dem früheren Schwiegersohn des kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew, zu dessen Residenz gebracht, misshandelt und am 9. Februar erdrosselt haben. Koshlyak will von diesen Vorgängen und einer vorangegangenen Entführung, die nach 24 Stunden abgebrochen wurde, überhaupt nichts mitbekommen haben.

Dass er als angeblicher Doppelmörder vor Gericht stehe, habe einen einzigen Grund: “Weil ich lange Zeit mit Aliyev zusammengearbeitet habe. Wir wurden zu Staatsfeinden deklariert.” Dass er von mehr als einem halben Dutzend Personen – darunter auch ehemalige Mitarbeiter Aliyevs – belastet werde, führte der Angeklagte darauf zurück, diese würden von kasachischer Seite unter Druck gesetzt: “Es gibt sehr viele Methoden. Druck, Zwang, Folter.”

Mordvorwürfe abgestritten

Fest steht, dass zwei nunmehrige, an den inkriminierten Tathandlungen angeblich ebenfalls beteiligte kasachische Belastungszeugen ursprünglich und über Jahre hinweg die Mordvorwürfe abgestritten und sich als politische Verfolgte dargestellt hatten. Mittlerweile haben sie Geständnisse abgelegt und bezeichnen Koshlyak sowie den ehemaligen KNB-Chef Alnur Mussayev als Mittäter. Die beiden leben inzwischen in Österreich. “Ihre Schwestern und Brüder befinden sich noch in Kasachstan. Niemand will da in einem Konflikt mit dem Staat sein”, sagte dazu Koshlyak.

Folgt man der Anklageschrift, hat Koshlyak bei Aliyevs “Bestrafungsaktionen” einen wesentlichen Tatbeitrag geleistet. So soll er bereits am 18. Jänner 2007 mit von der Partie gewesen sein, als der Nurbank-Vorstandsvorsitzende Abilmazhen Gilimov und sein Vize Timraliyev in einen Sport- und Sauna-Komplex in Almaty gebracht wurden und Aliyev die beiden mit angeblich abhandengekommenen Bankvermögen – die Nurbank dürfte sich zumindest mehrheitlich im Eigentum der Präsidentenfamilie befunden haben – konfrontierte. Die Manager sollen am Ende zur Übertragung von Nurbank-Aktien an Aliyevs damalige Ehefrau, die Tochter von Staatschef Nasarbajew, zum Verkauf eines Bürogebäudes und Gilimov zur Einreichung seines Rücktritts gezwungen worden sein.

Banker verschleppt?

Während ihrer 24-stündigen Gefangenschaft soll Koshlyak unter anderem Timraliyev persönlich mit Handschellen an ein Trainingsgerät gefesselt und beide Banker bewacht und am Verlassen der Räumlichkeiten gehindert haben. Vor den Geschworenen (Vorsitz: Andreas Böhm) schilderte der 42-Jährige demgegenüber den Aufenthalt in der Sportanlage als eine Art Kurzzeit-Urlaub. An sich hätte er Aliyev auf eine Dienstreise nach Moskau begleiten sollen, die jedoch auf dem Weg zum Flughafen kurzfristig abgeblasen wurde. Aliyev habe darauf “zu sich ins Sportstudio eingeladen”. Dort habe er, Koshlyak, sich in einen “Erholungsraum mit einem Fernseher, wo man sich entspannen kann” begeben.

Von Streitgesprächen, einem Unter-Druck-Setzen oder gar einer Misshandlung der anwesenden Banker habe er nichts mitbekommen: “Wir sind da gesessen und haben Alkohol getrunken. Aliyev sorgte sich um seine Tochter, die krank war. Als er weg war, haben wir stärkere Getränke konsumiert.”

Aliyev habe “Angst vor Anschlägen” gehabt

Die zweite Entführung, die laut Anklage Timraliyev und Khasenov, den Leiter der Verwaltungs- und Wirtschaftsabteilung der Nurbank, das Leben kostete, soll laut Koshlyak gar nicht stattgefunden haben. In Wahrheit habe Aliyev am 31. Jänner 2007 überstürzt das Bürogebäude verlassen, in dem sich auch die Zentrale der Nurbank befindet, weil er sich “unsicher” fühlte. Aliyev habe “immer Angst vor Anschlägen gehabt und dass man ihn beseitigen will. Er war der Ansicht, dass das heute oder morgen passieren kann”, merkte sein langjähriger Vertrauter an.

Nach einer einstündigen Pause weigerten sich Koshlyak und Mussayev, Fragen der Privatbeteiligten-Vertreter zu beantworten. Sie unterstellten Wolfgang Moringer und Gerald Ganzger ein Naheverhältnis zum KNB. Die Kanzlei Lansky, Ganzger und Partner (LGP) vertritt über den Opfer-Verein “Tagdyr” die Witwen der ermordeten Banker. Mussayev behauptete am Freitagnachmittag, LGP habe ihm “mehrmals finanzielle Hilfe angeboten”. Von einer Kanzlei-Mitarbeiterin habe er auch Bargeld bekommen: “Sie gab in Almaty meiner Familie Geld. Und hier. Circa 15.000 Euro.”

Prozess geht weiter

Gerald Ganzger wies diese Darstellung noch im Großen Schwurgerichtssaal als unwahr zurück. Zu Mussayevs Aussage, LGP habe als Opfer-Vertretung das Honorar seiner früheren Rechtsvertreterin übernommen, “damit ich immer unter Kontrolle war”, bemerkte Ganzger, man habe ausschließlich im Interesse der Witwen gehandelt. Mussayev habe durchblicken lassen, den Ort zu kennen, an dem die Leichen der verschwundenen Banker vergraben wurden. Deren Ehefrauen, die zu diesem Zeitpunkt über das Schicksal ihrer Männer noch im Unklaren waren, hätten diesen Ort naheliegender Weise unbedingt in Erfahrung bringen wollen. Daher habe man Mussayev – getragen von der Hoffnung, dass er sein Wissen preisgebe – eine Rechtsberatung durch eine erfahrene Anwältin vermittelt, erläuterte Ganzger.

Der Prozess wird am kommenden Mittwoch im Saal 303 des Straflandesgerichts fortgesetzt.

(APA)

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