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Putins "schwarze Liste": Russen verweigern 89 Europäern die Einreise

Moskau überzieht europäische Politiker mit Einreiseverboten
Moskau überzieht europäische Politiker mit Einreiseverboten ©EPA
Der Kreml verschärft die Gangart gegenüber der EU und verbietet 89 EU-Politikern und Militärs die Einreise. Die Existenz einer solchen "schwarzen Liste" ist keine Überraschung. Erst jetzt ist klar, wem genau Moskau die Einreise verweigert. Aber warum? Darüber darf weiter gerätselt werden. Denn die Liste ist so prominent besetzt wie kurios.

Der eine fühlt sich in seinen Rechten verletzt, der andere nimmt es als Auszeichnung: “Das ist mir eine Ehre”, sagte der frühere tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg der Zeitung “MF Dnes”. Seiner ist einer von 89 Namen auf der “Schwarzen Liste” derer, denen Moskau die Einreise nach Russland verwehrt. Ebenso wie der des Grünen-Europapolitikers Daniel Cohn-Bendit: “Es ehrt mich, wenn mich ein totalitäres System wie Russland als Feind des Totalitarismus brandmarkt”, sagte auch er der “Bild”-Zeitung.

So prominent besetzt wie kurios

Die Liste ist prominent besetzt, aber doch auch kurios in der Zusammensetzung amtierender und ehemaliger Entscheidungsträger. Vor allem aber: Am Samstag konnte niemand sagen, wie alt die Aufstellung wirklich ist. Sie könnte auch schon vor einem Jahr geschrieben worden sein, als Reaktion auf die von der EU verhängten Sanktionen gegen Russland wegen der Annexion der Krim.

Wohl keine Österreicher auf Sperrliste des Kreml

Unter den 89 Europäern befinden sich offenbar keine Österreicher, aber acht Deutsche. Dazu gehören neben Karl-Georg Wellmann (CDU) und Rebecca Harms (Grüne), die in Moskau bereits abgewiesen wurden, unter anderen auch Michael Fuchs (CDU), Bernd Posselt (CSU) und eben Cohn-Bendit.

Pikant: Auch künftiger Europa-Berater Merkels auf Liste

Für Kenner besonders pikant: Auch Uwe Corsepius, der künftige Europa-Berater von Kanzlerin Angela Merkel, taucht dort auf. Und Katrin Suder, Staatssekretärin und Vertraute von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen.

So mancher Name auf der Liste gibt Rätsel auf

Mit dabei sind aber auch Namen wie die des 77-Jährigen Schwarzenberg, schon seit 2013 außer Diensten, des belgischen Ex-Premiers Guy Verhofstadt, protokollarisch besonders hochrangig, und des ehemaligen britische Vize-Regierungschefs Nick Clegg. Auffällig viele Polen und allein 20 baltische Namen. Und dann der französische Philosoph Bernard-Henri Levy. Warum?

Gegen “Bürger, die eine antirussische Politik betreiben”

Ein namentlich nicht genannter russischer Diplomat hatte vor wenigen Tagen der Staatsagentur Ria Nowosti gesagt, die Liste richte sich gegen “Bürger, die eine antirussische Politik betreiben”. “Jeder Name befindet sich aus einem ganz konkreten triftigen Grund dort.”

Von “Transparenz” bis “diplomatischer Eklat”

Die wohlwollende Interpretation, die auch von einigen auf deutscher Seite zu hören ist, lautet, dass die Russen mit der Übergabe der Liste nun “Transparenz” schaffen wollten. Jetzt wissen die Betroffenen also, was sie am Moskauer Flughafen erwartet. Andere sprechen dennoch von einem “diplomatischen Eklat”.

EU-Sanktionen und Russlands Retourkutsche

Klar ist jedenfalls, dass es sich um eine Retourkutsche für die Namensliste der Europäer handelt, die schon 2014 auf dem Höhepunkt der Ukraine-Krise Einreiseverbote für Russen verhängt hatten, unter ihnen enge Mitarbeiter von Präsident Wladimir Putin. Dabei gibt es allerdings grundsätzliche Unterschiede. Zum Beispiel die Tatsache, dass die EU-Liste gleich nach dem Beschluss bekanntgemacht wurde.

Steinmeier kritisiert Einreiseverbote

Das meinte Außenminister Frank-Walter Steinmeier, als er am Samstag bei einem Besuch in der Ukraine betonte: “Es wäre das mindeste gewesen, dass man den Betroffenen Mitteilung macht, welche Vorbehalte gegen sie bestehen und die Liste öffentlich macht. Ich halte es nicht für besonders klug, solche Einreiseverbote überhaupt auszusprechen. ”

Auf die Frage, ob diese Einschätzung auch für die EU-Einreiseverbote gelte, antwortete er nur: “Ich arbeite dafür, dass wir baldmöglichst wieder Umstände schaffen, in denen wir mehr miteinander reden als übereinander.”

Widersprüchliche Signale aus Russland in Ukraine-Krise

Die Bundesregierung war am Samstag bemüht, die “Schwarze Liste” nicht für eine weitere Verschärfung des Konflikts mit Moskau einzusetzen. Aus deutscher Sicht der Dinge gibt es aus Russland in Sachen Ukraine in letzter Zeit einigermaßen widersprüchliche Signale. Die Liste passt demnach nicht wirklich zu jüngsten Versuchen Moskaus, das Verhältnis zum Westen wieder zu verbessern.

Harms fordert Konsequenzen

Für manche Betroffene allerdings ist es eben nicht nur eine Ehre, als Feind Russlands aufgelistet zu werden. Es ist auch ein politisches Signal. Die Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms sprach von einem “schweren Schlag für die Beziehungen zu Russland”. Dies müsse Konsequenzen haben, fordert sie. (dpa/APA/red)

Die russische (nicht verifizierte) Visasperrliste finden Sie hier

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