AA

Reißverschlusssystem soll für mehr Frauen im Parlament in Wien sorgen

Ob nach der Nationalratswahl mehr Frauen im Parlament in Wien sitzen werden?
Ob nach der Nationalratswahl mehr Frauen im Parlament in Wien sitzen werden? ©APA (Sujet)
Derzeit ist knapp ein Drittel der Nationalratsabgeordneten weiblich. Im Wahlkampf wurde häufig verkündet, dass sich der Frauenanteil im neuen Parlament nach der Nationalratswahl erhöhen soll. Zumindest manche Parteien haben die Bundes- und Landeslisten im Reißverschlusssystem erstellt. Ob aber der neue Nationalrat wieder von einer Frau geleitet wird, ist unklar.

Aktuell beträgt der Frauenanteil im Nationalrat nicht einmal ein Drittel, 31,15 Prozent sind es genau. Selbst in der SPÖ-Fraktion waren zuletzt nur 17 von 51 Abgeordneten Frauen, was genau einem Drittel entspricht. In der neuen Legislaturperiode sollen es zumindest 40 Prozent sein, bei derzeitigem Mandatsstand würden es 44 Prozent, erklärten die SPÖ-Frauen zuletzt. Die Listen wurden statutengemäß im Reißverschluss besetzt, es musste auch keine der Landeslisten von der Bundespartei zurückgewiesen werden, hieß es.

Das Prinzip des Reißverschlusssystems

Dieses Prinzip, wonach einem Mann auf der Liste eine Frau folgt und umgekehrt, setzte auch die ÖVP bei der Reihung der Kandidaten um. Durcheinandergebracht werden könnte dies theoretisch durch die Vorzugsstimmen, denn die ÖVP unter dem neuen Obmann Sebastian Kurz gibt diesen eine besonderes Gewicht. Eine Umreihung bleibt aber trotz der Halbierung der gesetzlichen Hürden sehr schwer.

Die Listenersten freilich sind meist Männer. Auf Bundesebene schicken nur drei Parteien Spitzenkandidatinnen ins Rennen. Realistische Chancen auf den Einzug hat allerdings nur die Grüne Listenerste, Ulrike Lunacek. Auf Frauenpower setzen auch die Freie Liste Österreich mit Barbara Rosenkranz und die Weißen mit Isabella Heydarfadai – diesen beiden Gruppierungen werden allerdings wenig Chancen auf einen Parlamentseinzug attestiert.

Die Grünen und die KPÖ haben auf ihrer Bundesliste mit 60 Prozent den höchsten Frauenanteil unter den ersten zehn Kandidaten. Bei SPÖ und ÖVP gilt der Reißverschluss (50 Prozent), bei der FPÖ sind unter den ersten zehn Listenplätzen vier von Frauen besetzt. Es gibt keinen Reißverschluss bei den Freiheitlichen, die erste Frau auf der blauen Bundesliste ist auf dem vierten Platz gereiht. Die FLÖ, EUAUS und die Weißen kommen auf nur 20 Prozent Frauenanteil unter den ersten zehn Kandidaten.

Die NEOS und die Liste von Peter Pilz gehen ebenfalls mit Männern an der Spitze an den Start, haben unter den ersten zehn Kandidaten aber zumindest ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis. Die von Roland Düringer gegründete Liste GILT hat ihren männlichen Spitzenkandidaten verloren, auch der Listenzweite ist aber ein Mann. Die Sozialistische LinksPartei wird ebenfalls von einem Mann angeführt, das Geschlechterverhältnis unter den ersten zehn Plätzen ist ausgeglichen. Die Männerpartei hat wenig überraschend einen Spitzenkandidaten. Auf dem zweiten Listenplatz steht allerdings eine Frau, sie ist die einzige unter den neun Bundeslistenkandidaten.

Ob dem neuen Nationalrat eine Frau oder ein Mann vorsteht, hängt vom Wahlergebnis ab. Würde die SPÖ stärkste Partei, könnte Doris Bures ihre Aufgabe als Nationalratspräsidentin fortsetzen. Offen ist, wem die ÖVP als stärkste Fraktion diesen Posten übertragen würde. Karlheinz Kopf, aktuell Zweiter Nationalratspräsident, soll in Vorarlberg jedenfalls das Grundmandat im Wahlkreis Süd zurückholen.

ÖVP mit fünf Spitzenkandidatinnen in Ländern

Anders als auf den Bundeslisten, wo eher männliche Spitzenkandidaten dominieren, finden sich auf den Landeslisten durchaus auch bei den großen Parteien Frauen auf dem ersten Platz. Die ÖVP kann auf fünf Spitzenkandidatinnen auf Landesebene verweisen, die Grünen sogar auf sechs.

Das Reißverschlusssystem wurde von den Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP auch auf Landesebene durchgezogen. Die Regionalparteilisten hat die SPÖ allerdings von diesem Prinzip ausgenommen, hier folgen ganz vereinzelt zwei Männer oder wie beim Regionalwahlkreis Innviertel drei Frauen aufeinander. Damit soll austariert werden, um einen Mindestanteil von 40 Prozent Frauen zu erreichen, hieß es aus der Frauenorganisation.

Im folgenden eine Aufstellung aus den Bundesländern:

Wien

In der Bundeshauptstadt ist Bundeskanzler und Parteivorsitzender Christian Kern SPÖ-Spitzenkandidat. Auch die ÖVP hat mit Landespolizei-Vizepräsidenten Karl Mahrer einen Mann als Listenersten. Bei den Freiheitlichen ist es ebenfalls der Parteichef, der am ersten Platz kandidiert: Heinz-Christian Strache. Die Grünen in Wien haben die Bundes-Spitzenkandidatin auch als Landeslistenerste. Gleich drei Frauen stehen bei den NEOS an der Spitze, angeführt werden sie von Beate Meinl-Reisinger.

Die Gruppe “Obdachlose in der Politik” (ODP), GILT und die FLÖ haben Männer an der Spitze ihrer Landesliste. Ebenso die Sozialistische LinksPartei, die Weißen und EUAUS. Spitzenkandidat der EU-Austrittspartei ist Robert Marschall. Bei der Liste Pilz ist es mit Stephanie Cox eine Frau, ebenso bei der KPÖ. Bei letzterer handelt es sich um Flora Petrik, die frühere Chefin der Jungen Grünen.

Vorarlberg

In Vorarlberg geht die SPÖ mit einem Mann, Reinhold Einwallner, an den Start. Die einzige Landes-Spitzenkandidatin hat die ÖVP mit Martina Ess. Die FPÖ schickt den Abgeordneten Reinhard Bösch als Listenersten ins Rennen. Unter den ersten zehn auf der blauen Landesliste finden sich nur zwei Frauen, die erste auf dem Platz 5. Ausgewogen sieht es auf der Grünen Liste aus, angeführt wird diese allerdings von einem Mann, dem bisherigen Mandatar Harald Walser. Ebenfalls ein Abgeordneter, Gerald Loacker, steht an der Spitze der NEOS-Landesliste. Die Liste Pilz hat einen männlichen Spitzenkandidaten in Vorarlberg, zwei der sechs Kandidaten sind Frauen.

GILT, die Freie Liste Österreich (FLÖ), die KPÖ, die Neue Bewegung für die Zukunft (NBZ), die CPÖ sowie die Weißen schicken im westlichsten Bundesland ebenfalls Männer als Listenerste ins Rennen. Ebenso wenig überraschend die Männerpartei, auf dem zweiten Listenplatz kandidiert hier allerdings eine Frau.

Tirol

In Tirol setzen fünf Parteien auf Spitzenkandidatinnen, darunter SPÖ und ÖVP. Für die Roten geht Selma Yildirim ins Rennen, für die Schwarzen Kira Grünberg. Drei Frauen finden sich unter den ersten zehn der FPÖ-Landesliste, Spitzenkandidat ist ein Mann. Die Grüne Kandidatenliste in Tirol ist geschlechterparitätisch besetzt und hat eine Spitzenkandidatin – es ist dies die bisherige Abgeordnete Berivan Aslan. Vier Frauen unter den ersten zehn Listenplätzen, aber nicht auf Nummer 1, zählen die NEOS.

Recht wenige Frauen kann die Freie Liste Österreich von Karl Schnell in Tirol aufweisen, unter den ersten zehn finden sich nur zwei Frauen. Roland Düringers Liste GILT hat eine Spitzenkandidatin, unter den fünf Kandidaten gibt es noch eine zweite Frau. Ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis unter den ersten zehn weist die KPÖ auf, Spitzenkandidat ist ein Mann. Eine Frau an der Spitze hat hingegen die Liste Pilz, das Geschlechterverhältnis ist ebenfalls ausgewogen. Auf Platz 1 der knappen Liste der Weißen steht ein Mann.

Salzburg

Die SPÖ Salzburg machte bei der Landesliste zugunsten der Frauen eine Ausnahme vom Reißverschlusssystem: Unter den ersten zehn Kandidaten finden sich sechs Frauen, Listenerster ist jedoch ein Mann. Auch die ÖVP hat einen Spitzenkandidaten, Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner.

Die Salzburger Landesparteichefin Marlene Svazek ist die einzige blaue Landeslisten-Erste. Die Grünen haben in Salzburg ebenfalls eine Frau an der Spitze. Die NEOS reihten mit dem Abgeordneten Sepp Schellhorn einen Mann voran. Männliche Listenerste haben weiters die FLÖ, die KPÖ, GILT und die Weißen. Die Liste Pilz führt Biochemikerin Renee Schroeder an.

Kärnten

In Kärnten gibt es nur eine Spitzenkandidatin, es ist dies ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger. Für die SPÖ kandidiert der Abgeordnete Philip Kucher auf Platz 1. Die erste Frau auf der FPÖ-Liste findet sich auf Platz 5. Auch bei den Grünen ist der Listenerste mit dem Mandatar Matthias Köchl ein Mann. Die NEOS haben drei Frauen unter den ersten zehn Kandidaten, aber einen Mann an der Spitze.

Die Liste Pilz hat sich in Kärnten den bisherigen Grün-Abgeordneten Bruno Rossmann für den ersten Listenplatz geangelt, Frau findet sich keine unter den vier Kandidaten. Die FLÖ schickt ebenfalls einen Frontman ins Rennen, die erste Frau steht überhaupt erst auf dem zehnten Platz. In Kärnten ist Parteigründer Roland Düringer auf dem ersten Platz von GILT, unter den drei Kandidaten gibt es keine Frau. Die KPÖ hingegen hat sechs Frauen unter den ersten zehn, an der Spitze jedoch einen Mann. Die Weißen haben in Kärnten nur einen einzigen Kandidaten, es handelt sich um einen Mann.

Oberösterreich

SPÖ und ÖVP schicken in Oberösterreich zwei bereits bekannte Männer ins Rennen: Bei den Roten führt Sozialminister Alois Stöger die Liste an, bei den Schwarzen ÖAAB-Obmann August Wöginger. Die FPÖ hat ebenfalls einen Mann an der Spitze und nur drei Frauen unter den ersten zehn auf der Landesliste. Eine Listenerste weisen die Grünen auf, ebenso die NEOS und die Liste Pilz. Die NEOS haben sogar sechs Frauen unter den ersten zehn. Bei Pilz ist die frühere SPÖ-Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber Listenerste. Auch GILT schickt eine Frau ins Rennen. Männer an der Spitze der Landesliste haben hingegen die KPÖ, die FLÖ, die Sozialsitsche LinksPartei (SLP) und auch die Weißen. Deren sechs Landeslistenkandidaten sind alle Männer.

Steiermark

In der Steiermark gibt es gleich sieben Spitzenkandidatinnen, die SPÖ hingegen setzt auf Ministererfahrung und platzierte Jörg Leichtfried am ersten Rang. Für die ÖVP kandidiert Barbara Krenn am ersten Listenplatz, für die Grünen Sozialsprecherin Judith Schwentner. Die FPÖ hat einen Mann an der Spitze. Ebenfalls auf ein bekanntes weibliches Gesicht setzen die NEOS mit der früheren Bundespräsidentschaftskandidatin Irmgard Griss. Auch KPÖ, die Weißen, GILT und die FLÖ setzen auf Frauen. Bei letzterer kandidiert die bisherige Team Stronach-, und davor BZÖ-Abgeordnete, Martina Schenk. Bei der Liste Pilz ist es hingegen der Namensgeber Peter Pilz selbst.

Niederösterreich

Die niederösterreichische Landesliste der SPÖ wird von einer Ministerin, Sonja Hammerschmid, angeführt. Ebenfalls ein Regierungsmitglied, allerdings einen Mann (Wolfgang Sobotka) schickt die ÖVP als Ersten ins Rennen. Nur eine Frau findet sich unter den ersten zehn FPÖ-Landeslistenkandidaten, auch der Erste ist mit Walter Rosenkranz ein Mann. Ein Frauenüberhang (70 Prozent) zeigt sich unter den ersten zehn Grünen Landeskandidaten, angeführt wird die Liste vom Abgeordneten Dieter Brosz. Ebenfalls einen Mann an der Spitze – den Mandatar Nikolaus Scherak – haben die NEOS in Niederösterreich.

Ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis und eine männliche Spitze weist die Liste Pilz auf. Die Freie Liste Österreich hat mit Barbara Rosenkranz eine Frau am ersten Listenplatz, unter den ersten zehn Kandidaten findet sich dann noch eine zweite Frau. Eine Frau kandidiert auch für die KPÖ als Erste. Bei der Liste GILT ist es wiederum ein Mann, ebenso bei den Weißen.

Burgenland

Im Burgenland kandidieren für die SPÖ Minister Hans Peter Doskozil und für die ÖVP Gabriela Schwarz auf Platz 1. Auch FPÖ-Spitzenkandidat Norbert Hofer – Dritter Nationalratspräsident und Hofburg-Kandidat – ist bekannt. Gleich sieben Frauen unter den ersten zehn Kandidaten weisen die Grünen auf, sie haben mit der Abgeordneten Christiane Brunner eine Spitzenkandidatin.

Ebenfalls eine Listenerste, aber nur drei Frauen unter den ersten zehn, haben die NEOS im Burgenland. Für die Liste Pilz kandidiert ebenfalls eine Frau auf Platz eins. Die KPÖ und GILT haben Spitzenkandidaten. Die FLÖ weist keine einzige Frau unter den ersten zehn auf. Die Weißen haben nur einen Kandidaten im östlichsten Bundesland und dieser ist ein Mann.

Schittenhelm über Reißverschluss auf ÖVP-Listen erfreut

ÖVP-Frauenchefin Dorothea Schittenhelm ist über die Umsetzung des Reißverschlussprinzips auf den ÖVP-Listen zur Nationalratswahl erfreut. Die abwechselnde Reihung von Männern und Frauen sei ein Verdienst ihrer Frauenorganisation, meinte sie im Gespräch mit der APA. Ihr Wiedereinzug ins Parlament ist indes unwahrscheinlich, sie kandidiert selbst nur auf dem achten Platz auf der NÖ-Landesliste.

Nachdem sich die Bundesliste aus parteifreien Personen zusammensetzen sollte, sei für sie als langjährige Schwarze dort kein Platz mehr gewesen. “Wenn es gut läuft, geht es sich aus”, zeigte sie sich dennoch optimistisch über den achten Listenplatz der ÖVP Niederösterreich. Wichtig sei aber, dass auf allen Listen das Reißverschlusssystem umgesetzt wurde, so Schittenhelm. Sie hofft auch auf mehr Frauen aus den Regionalwahlkreisen.

Schittenhelm ist bis Ende nächsten Jahres Bundesleiterin der ÖVP-Frauen und unabhängig von ihrer beruflichen Zukunft erklärte sie: “Ich nehme das auch ohne das Mandat wahr.” Mit Nationalratsmandat ließe sich die Aufgabe zwar leichter bewältigen, als Frauenchefin sei sie aber nach wie vor Mitglied im Bundesparteivorstand. “Ich werde nach wie vor meine Stimme erheben, vielleicht noch lauter. Ich erfülle meine Aufgabe bis zum letzten Tag.”

Die Erstellung der Bundesliste für die Wahl am 15. Oktober wurde anders als in der Vergangenheit nicht mit den Bündechefs besprochen. Man sei schließlich über die jeweiligen Kandidaten informiert worden, der Parteiobmann Sebastian Kurz habe hierfür das Pouvoir bekommen, so Schittenhelm.

>> Mehr Nachrichten und Infos zur Nationalratswahl 2017

(APA/Red)

  • VIENNA.AT
  • Nationalratswahl
  • Reißverschlusssystem soll für mehr Frauen im Parlament in Wien sorgen
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen