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Religionslehrer Ewald Häfele im Interview

Religionslehrer Ewald Häfele in seinem Element.
Religionslehrer Ewald Häfele in seinem Element. ©Tobias Häfele
Eigentlich könnte er seit drei Jahren seine Pension genießen. Doch dem ist nicht so: Einmal in der Woche steht Ewald Häfele immer noch in der Klasse und unterrichtet Religion.


Religionsunterricht als Lebenshilfe, der es jungen Menschen erleichtert, mit ihrem Leben klarzukommen.


Interview: 

 

Herr Häfele, Sie unterrichten seit 40 Jahren Religion an Pflichtschulen und sind zugleich in der Lehrerfortbildung tätig. Wie schaut Ihr beruflicher Werdegang aus?
Ewald Häfele: Nach meiner Lehre als Maschinenschlosser bei den Vorarlberger Illwerken war ich zwei Jahre bei den Mercedeswerken in Stuttgart Untertürkheim im Entwicklungsbereich tätig. Danach begann ich auf dem zweiten Bildungsweg ein Studium an der Religionspädagogischen Akademie in Innsbruck/ Schwaz. Das schloss ich 1974 mit dem Lehramt ab. Seit 40 Jahre unterrichte ich nun Religion an der Haupt- bzw. der Mittelschule Innermontafon Religion und 25 Jahre war ich an der Skihauptschule Schruns –Dorf tätig. Gleichzeitig habe ich 16 Jahre am Religionspädagogischen Institut und später an der Kirchlich Pädagogischen Hochschule in der Fort- und Weiterbildung Religionspädagogik gelehrt.

Herr Häfele, Sie haben sich für den Beruf eines Religionslehrers entschieden. Was war der Grund dafür?
Ewald Häfele: Ich denke, dass meine Erziehung bei einer Ersatzfamilie einen großen Einfluss auf mich hatte. Ich bin nämlich schon ab dem 2.Lebensjahr bei einer Ziehmutter aufgewachsen. Sie hat nicht viel über ihren Glauben geredet, sondern mit ihrer, auch an mir ausgeübten, tätigen Nächstenliebe gezeigt, was das Zentrum des Christseins eigentlich ausmacht. Mein Vater war leider, warum auch immer, von Alkohol abhängig. Deshalb musste meine Mutter alleine für drei Kinder sorgen und das Geld in der Fremde verdienen. Das war der Grund, warum ich bei einer Ersatzfamilie aufgewachsen bin. Ich meine, das hat mich später als Religionspädagoge sehr sensibel und verständnisvoll für Schüler, die aus zerrütteten Familienverhältnissen kommen, gemacht. Ich kannte ja die inneren Nöte und Ängste aus eigener Erfahrung. Solche Schüler liegen mir besonders am Herzen. Ich versuche ihnen Mut und Hoffnung in ihren harten Alltag zu bringen. Mein Credo an sie und an die Jugend überhaupt lautet daher: Eigenverantwortung, du musst dein Leben selbst in die Hand nehmen. Das Beste daraus machen, auch wenn die Lebenssituation es nicht so gut mit dir meint. Tue erst das Notwendige – im wörtlichen Sinne verstanden – dann das Mögliche und auf einmal schaffst du auch das Unmögliche! Ab einem gewissen Alter bist du nämlich für dein Leben selber verantwortlich und was du daraus machst.

Ausschließlich Religion zu unterrichten, ist sicher nicht immer ein Honiglecken. Was ist das Schöne am Religionsunterricht und was ist dir dabei wichtig?
Ewald Häfele: Das Schöne am Unterrichten ist, dass man in diesem Fach mit den Schülern über Gott und die Welt reden kann. Ich kann dazu meine persönliche Lebenserfahrung einbringen und vermittel, dass es – trotz großer Hoffnungslosigkeit bei Krankheit, Leid und Tod – jemand gibt, der einen stützt und begleitet. Das, was wir eben als Gott bezeichnen oder wie jeder das persönlich auch für sich benennen mag. Auch die Hoffnung, die in der christlichen Lehre steckt, dass es nach dem irdischen Leben in einer anderen Form weitergeht. Diese Botschaft darf den Kindern nicht vorenthalten werden. Spätestens beim Tod meines Sohnes Simon ist mir das besonders bewusst geworden. Der Tod ist nicht das schwarze Loch der Hoffnungslosigkeit, sondern der Übergang zu einem liebevolleren, besseren Leben. Aufgefangen von einem gütigen und barmherzigen Gott, der uns von Jesus verkündet wurde. Wir sollten unsere Kinder zur Vielfalt des Lebens, zu der auch der Tod dazugehört, und nicht zur Einfältigkeit einer Konsumgesellschaft erziehen.

Wie hat sich der Religionsunterricht im Laufe der letzten Jahrzehnte verändert? Ist es heute schwieriger dieses Fach zu unterrichten?
Ewald Häfele: Ganz sicher. Konnte man früher noch auf einem religiösen Fundament, das in der Familie gelebt und grundgelegt wurde, aufbauen, so muss heute das religiöse ABC den Schülern oft mühsam beigebracht werden. Das Christentum wird im Alltag kaum noch sichtbar erlebt und am Sonntag gemeinsam gefeiert. Areligiöses und materialistisches Leben und Denken sind heute in der Gesellschaft an die erste Stelle gerückt und dabei wird religiöses Leben oft ausgeklammert. Ich nenne da nur beispielhaft den heutigen Tanz ums Golden Kalb, das Geld. Wie heißt es so schön bei einem afrikanischen Sprichwort: „Um Kinder zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf”. Das gilt auch für die religiöse Erziehung. Zusätzlich ist in den letzten 25 Jahren das Kirchenimage auf einem Tiefpunkt angelangt. Nur ein paar Gründe dafür will ich hier aufzeigen: falsche Bischofsbesetzungen, Missbrauchsvorwürfe, das nicht ernstgenommene Kirchenvolksbegehren, der unbarmherzige Umgang mit Geschiedenen Wiederverheirateten – zu denen ich mich selber auch zählen muss. Viele Menschen haben dieser Art von Kirchenführung leise oder amtlich den Rücken zugekehrt und die Verabschiedung erklärt. Das hat natürlich ungeheure negative Auswirkungen auf den Stellenwert des Religionsunterrichtes hervorgerufen.

Hoffnung macht mir hingegen der neue Papst. Denn wo Franziskus drauf steht, muss auch Franziskus drinnen sein. Der hat ja bekanntlich die Kirche im Mittelalter reformiert und Jesus mit seiner eigentlichen Botschaft wieder in den Mittelpunkt gestellt und das, obwohl er nie Priester war, sondern Laie geblieben ist, so wie wir Religionslehrer/innen. Dies wäre auch heute dringend notwendig.

Obwohl Sie bereits in Pension sind, stehen Sie einmal in der Woche vor der Klasse. Was ist Ihre Motivation?
Ewald Häfele: Religion ist etwas elementar Wichtiges für uns Menschen. Sie ist Hilfe und Stütze um mit dem Leben auch in kritischen Lebensphasen besser zurechtzukommen, das gilt für Alt und Jung. Jesus hat es so formuliert: „Ich bin gekommen, dass sie das Leben in Fülle haben”. (Joh.10,10) Sie muss außerdem zu einer Wertschätzung und toleranten Haltung gegenüber anderen Religionen erziehen. Das wird für ein zukünftiges, friedliches Zusammenleben in einer multikulturellen Welt von entscheidender Bedeutung sein. Wichtig ist für mich die Nächstenliebe unverfälscht zu lehren, d.h. sie geht über die Österreicher hinaus, sonst ist es eine falsche und verkürzte Auslegung des Gleichnisses, das leider für politische Zwecke missbraucht wird. Weiters müssen wir Kinder und Jugendliche in ihren Eigenarten annehmen und ihnen zeigen, dass sie wichtig und wertvoll sind. Oft vergleiche ich meine Arbeit als Religionspädagoge mit der eines Gärtners. Junge Pflanzen, junge Menschen sollen mit viel, viel Geduld, Hausverstand und Liebe gehegt und gepflegt, gestutzt und gestützt werden. Nur so können sie kultiviert wachsen und gute Früchte ins Leben einbringen. Wir lassen uns leider oft viel zu schnell entmutigen, wenn der Unterricht und die Erziehung nicht gleich den von uns gewünschten Erfolg zeigen. Religiöse Erziehung ist die mühevolle Arbeit des Säens, nicht des Erntens. Was einmal daraus wird, ist völlig offen, denn das Wachstum dazu gibt nach meiner Überzeugung ein anderer, der unsichtbar und unberechenbar im Hintergrund bleibt, aber doch da ist und mitwirkt. Der nur für ein paar Jahre in der Person Jesu sichtbar und begreifbar geworden ist. All das ist für mich Motivation genug um mit jungen Menschen zusammenzuarbeiten. Oder wie ich es meinen Schülern scherzhaft gesagt habe: „Ich bin wie ein Oldtimer zu sehen, der mit jedem Jahr wertvoller wird”.

Über Reaktionen und Rückmeldungen würde ich mich freuen: ewaldhaefele@hotmail.com

Das Interview führte Helmut Reimann.

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