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Risse in den Welten der Kriegskunst: Rift – Planes of Telara

Grafikpracht im neuen Setting: Rift - Planes of Telara
Grafikpracht im neuen Setting: Rift - Planes of Telara ©Waibel
World of Warcraft ging gerade im abgelaufenen Jahr mit dem neuesten Addon Cataclysm in eine neue Runde. Und doch ist das Setting mittlerweile ausgelutscht, das Nachreichen von neuem Content dauert vielen Gamern einfach zu lange. Ernsthafte Konkurrenzkandidaten zeigten sich bisher keine. Und doch könnte es ein bisher unbekanntes amerikanisches Entwicklerteam namens Trion Worlds mit seinem ambitionierten Titel „Rift – Planes of Telara“ schaffen, dem Platzhirsch ein paar Abonnenten abzujagen.
Rift - Planes of Telara

Fast überraschend zeigte sich im vergangenen Jahr mit dem MMO des kleinen aber feinen amerikanischen Entwicklerstudios ein Anwärter auf eine ernsthafte Abwechslung zu WoW. Dabei erfindet Trion Worlds, deren Team sich aus ehemaligen WoW- und Everquest 2 Designern zusammensetzt, das Rad nicht neu. Vielmehr scheint es, als wolle man Blizzard mit den eigenen Waffen schlagen. Rift ist ein Sammelsurium von guten Ideen, neu gemixt und modern aufgemacht, technisch rund und fertig wirkend. Da kann sich in technischer Hinsicht manches schon lange laufende MMO eine dicke Scheibe davon abschneiden. Das honorieren derzeit über eine Million Gamer weltweit mit Vorschusslorbeeren. Kaum hat sich ein Newcomer im MMO-Genre die letzte Zeit derart gut verkauft.

Die Ebenen von Telara, die von zwei opponierenden Fraktionen – den technikgläubigen Skeptikern und den Abgesandten der Götter von Telara, den Wächtern, bewohnt wird, ist im Aufruhr. Ständig entstehen zwischen Telara und den diesseitigen Welten Risse, durch die dann rasch Trupps von Dämonen und verschiedenste Elementarwesen über die relativ friedliche Welt von Telara herfallen. Überhaupt steuert Telara auf diese Weise dem Exodus entgegen, da auch uralte Drachen die Herrschaft über Telara anstreben und sowohl Skeptiker als auch Wächter ums blanke Überleben kämpfen. Ein Kampf der schließlich im Untergang der bekannten Welt gipfelt. Doch auf beiden Seiten wird dieser Untergang nicht einfach hingenommen, so begibt sich der Spieler früh nach Spielstart in die Vergangenheit, um einiges ins Lot zu bringen und den Untergang von Telara zu verhindern. Soweit so faszinierend.

Im Jetzt des Spieldaseins angekommen, streunt man an der Seite von unzähligen anderen Spielern durch die Anfangslandschaften, um durch das Erfüllen von Aufgaben und dem Erledigen von feindlich gesinnten Kreaturen an Erfahrung, Gold und Ansehen zu gewinnen und im Level aufzusteigen. Eine bekannte MMO-Mechanik eben. Ab Level 17 steht der erste Dungeon zur Verfügung, den es an der Seite von Mitstreitern zu erforschen gilt. Darüber hinaus bietet Rift noch ein spannendes weiteres Feature, das es zu einem Novum in dieser Konstellation im MMO-Genre macht. Bereits auf den ersten Streifzügen des Helden durch das Anfangsgebiet sieht sich dieser nämlich ständig sich öffnenden Rissen – den namensgebenden Rifts – konfrontiert. Aus diesen Rissen durch die Dimensionen strömen in der Folge Elementarwesen oder auch Abgesandte des Todes und des Lebens, die den Bewohnern der Gebiete ans Leder wollen. Besonders dabei ist, dass bei Nichtbekämpfen der Risse durch die Spieler jene mit der Zeit immer mehr und stärkere Angreiferwellen ausstoßen, die in der Folge nicht nur Spieler, sondern auch Questmobs und NPC-Dörfer mit Händlern und Questgebern überfallen und sogar übernehmen können. Eine untätige Community sähe sich in kürzester Zeit vor der Situation, keine Aufgaben mehr abgeben zu können, kein Handwerk mehr ausüben zu können und keinen sicheren Platz mehr zum Ausruhen zu finden. So muss man sich den Abwehrgruppen, die automatisch zusammengestellt werden, sobald man sich einem Event nähert, anschließen, ob man nun will oder nicht. Ein „stell Dir vor, es wäre Krieg und keiner ginge hin“-Verhalten führt hier geradewegs ins Disaster.

So viel Spaß es auch für eine gewisse Zeit macht, sich diesen schier übermächtigen Gegnermengen – insbesondere wenn mal wieder ein Oberfiesling einen Großangriff auf Telara ausgerufen hat und sich auf der Karte Rifts in hoher Konzentration zeigen – entgegenzustellen, mit der Zeit wirkt es ermüdend. Zeitweise legt Rift hier mehr Ähnlichkeit zu einem Egoshooter an den Tag, als zu einem klassischen MMO. Während man bei Genrekollegen gemütlich vor sich hindümpeln kann, hier ist Adrenalin ohne Pause angesagt.

Die Bedienung von Rift ist übrigens sehr intuitiv, wenngleich der Global Cooldown nervt. Aber selbst Genreneulinge finden gut ins Game, Spieler anderer MMOs finden sich rasch zurecht. Es gibt Fun-Pets und Mounts, darüber hinaus haben sehr viele Klassen, auch Zauberer und Krieger kämpfende Pets – ideal für Solisten.

Das Charakterdesign ist eine der Stärken von Rift. Statt fix festgelegter Talentbäume wie in anderen MMOs kann sich der Spieler hier zwischen mehreren sogenannten Seelen in der Grundklasse der Magier, Kleriker, Krieger oder Schurken entscheiden. Drei fixe Seelen werden festgelegt, die Punkteverteilung dazwischen erfolgt frei. Auch neu für ein MMO: Hier sind heilende Magier oder tankende Schurken kein Unding. Wohltuend ist jedenfalls, dass es wie in anderen MMOs übliche klassische Standard-Skillungen nicht gibt, sondern Spieler kreativ schalten und walten können.

Das Handwerk ist relativ banal ausgefallen, hier hätten die Designer, die an Everquest 2 mitgewerkelt haben, sich mehr einbringen sollen. Allerdings glänzt das Crafting durch in Rohstoffe zerlegbare Ausrüstung und Aufrüstung durch andere Items beim Fertigungsprozess. Auch das Färben von Ausrüstung ist möglich.

Technisch ist Rift, das im Wesentlichen auf der Gamebryo-Engine basiert, die unter anderem auch in Fallout 3 oder in Oblivion zum Einsatz kommt, eine Wucht. Das Spiel ist nicht nur derzeit eines der schönsten überhaupt, sondern läuft auch auf mittleren Systemen in hoher Auflösung sehr geschmeidig. Geschmeidiger übrigens als das 6 Jahre alte WoW, das zwar mit hohem Stimmigkeitsfaktor glänzt, aber bereits zu seinem Release grafisch recht simpel gestrickt war.

Fazit:

Ob Rift sich langfristig zu mehr als einem kleinen Appettithappen zwischen WoW und einem anderen MMO entwickelt, muss sich erst noch zeigen. Mit dem frischen Mix aus vielen Ideen, neu geschüttelt und zusammengerührt, kann man aber jedenfalls eine Menge Spaß haben. Mich persönlich ermüdet die hohe Dichte an Rift-Events, hier wäre weniger mehr. Dafür überzeugen die ersten Dungeons mit einer Stimmigkeit, die staunen lässt. Mir gefällt Rift, und ich kann mir vorstellen, dass viele Spieler wie ich dem Game mehr als nur den Gratismonat geben werden. Darüber hinaus steht Trion Worlds vor der Herausforderung, dem erfahrenen Team von Blizzard mit Kreativität Paroli zu bieten. Denn 2011 ist ein tolles Jahr für Gamer. Ich wünsche den Rift-Machern jedenfalls, dass sich ihr Baby am Markt etablieren kann. Wer die Nase voll hat von WoW, sollte jedenfalls in Rift hineinschnuppern.

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