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Salzburger Festspiele: Friedensappell von Daniel Barenboim

Salzburg-Stadt - Star-Aufführungen und Skandale, fast überirdische Kunst und allzu menschliche Eifersüchteleien: Der Festakt zur Eröffnung der 90. Salzburger Festspielen widmete sich aber ganz dem Weltfrieden. Dirigent Daniel Barenboim appellierte als Festredner mehrfach an die Beteiligten am Nahost-Konflikt, endlich aufeinander zuzugehen. Die Festspiele sieht er gemäß ihrer Gründungsaufgabe als Friedensstifter nach dem Ersten Weltkrieg in der Verantwortung, solchen Diskussionen ein Forum zu geben.

Sich dem anderen anzunähern, sei eine langfristige Strategie, eine, “die sich in der Zukunft auszahlen kann; zu warten, bis der andere zu einem kommt, ist eine kurzsichtige Taktik, eine, die seit mehr als sechzig Jahren erfolglos geblieben ist”, sagte Barenboim, der seine Rede mit persönlichen Erinnerungen an seinen ersten Salzburg-Aufenthalt 1952 als Neunjähriger begann.

 ”Jedermann von Präsident Ahmadinedschad bis Präsident Obama redet heute über Frieden, aber warum sind wir dann so weit davon entfernt, ihn herbeizuführen”, fragte Barenboim. Friede sei mehr als der Zustand von Nicht-Aggression, man müsse etwas aktiv dafür tun: “Friede verlangt Perfektion, nämlich die Vollkommenheit von Gerechtigkeit, Strategie und Mitgefühl.”

Er appellierte eindringlich an Israelis und Palästinenser, endlich aufeinander zuzugehen: “Ein Missklang hängt seit Jahrzehnten in der Luft, und es wird mehr als eine Stimme nötig sein, um diese Dissonanz aufzulösen.” Barenboim engagiert sich bereits seit mehr als zehn Jahren mit seinem West-Eastern Divan Orchestra mit arabischen und israelischen Jugendlichen für Verständigung in der Region.


Der Konflikt im Nahen Osten nicht mit anderen vergleichbar

Friede könne nur erreicht werden, wenn eine für alle Beteiligten günstige Lösung gefunden werde, ” eine Lösung, die für alle gerecht, in strategischer Hinsicht für alle von Vorteil und in Bezug auf alle moralisch vertretbar ist. Zu warten stellt in keinem Fall eine Option dar.” Der Konflikt im Nahen Osten sei mit keinem anderen vergleichbar. Er unterscheide sich von anderen politischen Konflikten, bei denen es meistens um Grenzziehungen gehe oder um unentbehrliche Rohstoffe wie Erdöl oder Wasser, die entweder auf diplomatischem Weg oder mit militärischen Mitteln beendet werden können. “Es ist ein menschlicher Konflikt zwischen zwei Völkern, die beide felsenfest von ihrem Recht überzeugt sind, ein und dasselbe winzige Stückchen Land bewohnen zu dürfen”, so der Künstler. Es sei ein regionaler Konflikt, der aber die Stabilität der Machtstrukturen, wie sie zurzeit weltweit bestünden, bedrohe.


Frieden ist teuer aber unbedingt notwendig

Die Musik habe ihm viele Einsichten vermittelt, die man auch auf das Leben anwenden könne, sagte Barenboim. Eine davon sei, dass das zeitweise totale Vereinnahmtwerden durch etwas, das ungeheuer schön oder absolut unentbehrlich zu sein scheine, einem im nächsten Augenblick schon übertrieben oder sogar verkehrt vorkommen könne. Das könne auch auf den politischen Bereich angewandt werden: Ein Verzicht von Israel auf das, was im Augenblick unentbehrlich zu sein scheine, werde am Ende zu seiner eigenen Rettung beitragen. Die Alternative sei überhaupt keine: “Es gibt keine andere Lösung, wenn der Staat Israel eine Zukunft haben will und wenn die Palästinenser irgendwann in den Besitz ihrer Grundrechte gelangen sollen. Frieden ist teuer. Doch keinen Frieden zu haben, kommt noch teurer und führt in vielerlei Beziehung zu großer sinnloser Vergeudung”, sagte Barenboim. Bis beide Parteien dies erkannt hätten, würden sie den unvergleichlich höheren Preis des Kriegs zahlen, “unvergleichlich höher, weil sie ihn in einer Währung zahlen, die völlig unakzeptabel ist” – nämlich in Menschenleben.

Wenn Israel aufrichtig nach einem echten, dauerhaften Frieden und nicht einfach nur nach einem oberflächlichen verlange, dann werde es, um auf Palästina zugehen zu können, alle dort existierenden Fraktionen anerkennen müssen. Die wirklich brennende Frage sei nicht die, ob die Lösung in der Erschaffung eines Zweivölkerstaats oder in der eines legitimen und souveränen palästinensischen Staats bestehe. Die wirklich aktuelle Frage sei die, ob beide Parteien willens seien, aufeinander zuzugehen, meinte Barenboim.


Das “Schweigen” muss gebrochen werden

Nichts, was er sage, könne diesen Bruch heilen, keine Sonate, Symphonie oder Oper vermöge, die tiefe Kluft zwischen zwei Völkern schließen, “die nicht willens sind, die notwendigen Schritte zur gegenseitigen Annäherung zu machen. Jemand muss das Schweigen brechen.” Ein Missklang hänge seit Jahrzehnten in der Luft, “und es wird mehr als eine Stimme nötig sein, um diese Dissonanz aufzulösen”, so der in Buenos Aires mit jüdisch-russischer Abstammung geborene Barenboim. Man dürfe nicht auf den anderen warten, sondern müsse auf ihn zugehen. “Wir haben schon viel zu lange gewartet.”

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