Das Schreckliche wird nicht durchlebt sondern nacherzählt
Ideal für die Rolle: Klaus Maria Brandauer
Abseits dessen ist der Abend jedoch immer wieder enttäuschend. Dem Kraftakt der Übersetzung konnte Stein keinen Rekordwurf der Inszenierung folgen lassen. Ödipus’ Kinder bewältigen den mitunter schmalen Grat zwischen Tragik und unfreiwilliger Komik mal besser (Katharina Susewind als Antigone und Anna Graenzer als Ismene), mal schlechter (Dejan Bucin als Polyneikes). Christian Nickel als weiß gewandeter, steif einherschreitender und nahezu emotionslos artikulierender Theseus, der Ödipus in Athen letztes Asyl gewährt, ist ebenso blass wie seine begleitende Schar weißer Ritter lächerlich.
Auch der im Rollstuhl vorfahrende König Kreon (Jürgen Holtz) wird von soldatisch gewandeten Jünglingen begleitet, die freiwillig wohl keiner Fliege etwas zuleide tun würden. Das linkische Ringen um Ödipus und seine Begleitung ist dieses ehemaligen Regiemeisters aller Klassen nicht würdig. Auch der Chor, immerhin neben Ödipus der Hauptakteur in dem Stück, überzeugt nicht. Zwölf gut behütete (Kostüme: Moidele Bickel), wie von einem griechischen Marktplatz auf die Perner-Insel transferierte Männer kommentieren und marschieren, murmeln und jammern, wogen hin und hier – bleiben aber Erfüllungsgehilfen einer ausgeklügelten Stein’schen Choreographie, ohne Eigenleben und damit Wucht und Tragik zu entfalten.
Nachdem man am Eingang Ohrenstöpsel ausfassen konnte, wartete man gespannt auf heftige Attacken auf die Zuschauerohren. Indes: Wirkliche Knalleffekte blieben rundum aus, von jenem Donnergrollen, mit dem sich Gott Zeus schlussendlich ins Geschehen einschaltete, wäre man auch ohne Schutz nicht taub geworden. Die grell aufblitzende, direkt ins Publikum gerichtete Scheinwerfer-Batterie, machte für jene, denen Mutterliebe und Vatermord fremd sein mögen, sekundenlang schon eher Ödipus’ Schicksal nachempfindbar.
“Absolute Weltklasse” hatte Oberender für diesen, in Koproduktion mit dem Berliner Ensemble entstandenen Abend versprochen. Dass die keine Garantie für Kantersiege ist, sieht man nach der WM in Südafrika nun auch bei den Festspielen in Salzburg. Einen Punktegewinn gab es jedoch zweifellos. Dank eines starken Einzelspielers.