Am Mittwoch musste sich im Wiener Neustädter Schlepper-Prozess erneut ein Dolmetsch den kritischen Fragen der Verteidiger-Riege stellen. Die Anklageschrift gegen die acht Asylanten, darunter auch einige Servitenkloster-Flüchtlinge, basiert zum Großteil auf den Übersetzungen von Telefonmitschnitten der angeklagten Asiaten.
Kritik an Übersetzung der Überwachung
Bereits an anderen Verhandlungstagen waren Zweifel an korrekten Übersetzungen bei den polizeilichen Telefonüberwachungen hochgekommen. Nicht zuletzt waren diese Mitschnitte auch der Grund gewesen, weshalb Richterin Petra Harbich Ende März den Prozess vertagt und Staatsanwältin Gunda Ebhart die Enthaftung der sechs noch in U-Haft sitzenden Angeklagten beantragt hatte. In einer früheren Verhandlung war das erste Mal publik geworden, dass die von der Polizei eingesetzten Dolmetscher Wortkreationen quasi erfunden hatten. Am Mittwoch kam dies wieder zur Sprache. War in den mitgeschnittenen Telefonaten von “Burschen” die Rede, wurde das vom Dolmetsch mit “Schleppungswillige” übersetzt.
Schlepper-Prozess geht weiter
“Es ist schon ein Unterschied, wenn ich einen Akt bekomme und darin lese, ‘Die Burschen sind gekommen’ oder die ‘Schleppungswilligen sind gekommen’ “, stieß sich auch die Staatsanwältin an dieser Interpretation des Dolmetschers. Warum er nicht wortwörtlich übersetzt habe, wollte die Staatsanwältin wissen. Das sei die “Problematik exotischer Sprachen”, erklärte der Dolmetsch. Oft gäbe es keinen eindeutigen Begriff in den von den Angeklagten (Afghanen, Pakistani, Inder, Anm.) gesprochenen Sprachen, der einem deutschen Wort entspräche. Aus dem Kontext wäre es aber klar gewesen, dass es sich um Schleppungswillige gehandelt habe, wenn man von “Burschen” sprach.
Als Beispiel zitierte der Dolmetsch im Zeugenstand folgendes: “Wenn in den Telefonaten von ‘Karton’ gesprochen wird, dann weiß ich, dass damit ein Reisepass gemeint ist, weil es ganz einfach kein Wort für Reisepass in dieser Sprache gibt.” Der Schlepper-Prozess in Wiener Neustadt wird am 22. Mai fortgesetzt. Dann sollen Polizisten befragt werden, die im Ermittlungsverfahren tätig waren.
(APA)