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Schweiz: Hanfbauer im Hungerstreik

Bernhard Rappaz, ein umtriebiger und eigenwilliger Schweizer Biobauer aus dem Kanton Wallis, befindet sich - mit einer kurzen Unterbrechung - seit über hundert Tagen in Haft und im Hungerstreik.

Der Grund dafür ist eine Gefängnisstrafe von fünf Jahren und acht Monaten, die er einem schweren Verstoß gegen das Schweizerische Betäubungsmittelgesetz verdankt. Eines der Delikte: Er baute im großen Stil Hanf an und handelte damit. Für Rappaz ist die Strafe viel zu hoch, berichtet die Schweizer Presse.

Der 57-jährige Delinquent ist der Ansicht, dass sein Fall von der Walliser Justiz sehr viel härter bestraft wurde, als ähnliche Fälle in anderen Kantonen. Seinen Hungerstreik will er notfalls bis zum Ende durchziehen. Aktuell befindet er sich im Berner Inselspital, nachdem er zuvor in der Gefangenenabteilung des Genfer Universitätsspitals lag.

Mehrmals bekräftigte der geschwächte Rappaz jüngst in einem schriftlich geführten Interview, dass sein Hungern auch der Legalisierung von Hanf gelte. Auf die Frage, ob das Leben nicht wichtiger sei als Hanf, antwortete Rappaz: “Es ist besser aufrecht zu sterben, als liegend zu leben.”

Der Fall hat eine Debatte ausgelöst, ob der Staat einen Häftling sterben lassen darf. Und mittendrin sorgt Rappaz für die eine oder andere Provokation: Im Mai ordnete die sozialdemokratische Walliser Justizdirektorin (Landesrätin) Esther Waeber-Kalbermatten eine Haftunterbrechung an, damit er sich von den Folgen des Hungerstreiks erholen könne. Notabene hatte der 57-jährige Hanfbauer vor Beginn seines Aktion eine Erklärung unterschrieben, die besagt, dass er nicht künstlich ernährt werden möchte, sollte er aufgrund des Hungerstreiks ins Koma fallen.

“Es war für mich eine Frage um Leben und Tod”, rechtfertigte die Regierungsrätin Ende Mai ihren Entscheid. Sie war vor einem Dilemma gestanden. Das Grundrecht auf persönliche Freiheit schließe nämlich mit ein, dass sich jemand zu Tode hungern darf. Aber ein Häftling befinde sich in der Obhut des Staates, und der Strafvollzug darf nicht zum Tod führen, schrieb die Presse dazu.

Im Nachhinein fühlte sich die für ihren Beschluss bisweilen arg kritisierte Waeber-Kalbermatten von Rappaz getäuscht. Denn kaum war der angeblich arg geschwächte Biobauer aus dem Spital entlassen, erklärte er auf seinem Hof, es gehe ihm wieder gut, und arbeitete mit dem Traktor auf dem Feld. “Er hält uns zum Narren und spielt mit seiner Gesundheit und seinem Leben”, sagte die Gesundheitsdirektorin damals. Rappaz habe nun “die letzte Chance verspielt”, die sie ihm mit der Strafunterbrechung gewährte.

Vergangenen Montag wurde der streitbare Bauer vom Unispital Genf ins Berner Inselspital überführt, wo er notfalls zwangsernährt werden soll, falls er ins Koma fällt. Das Genfer Unispital hatte dies abgelehnt. Inzwischen hat das Schweizerische Bundesgericht indirekt eine Zwangsernährung von Rappaz gestützt: Der Kanton Wallis müsse ihn am Leben erhalten, ordnete es an. Dazu müsse der Kanton jede nötige Maßnahme ergreifen, welche die Verfassung zulasse.

Am Freitag druckten Schweizer Zeitungen das schriftlich geführte Interview mit Rappaz ab. Darin unterstrich der Hanfbauer, er denke nicht an ein Ende seines Hungerstreiks. Seit er in Bern liegt, fühle er sich zudem ängstlich. Aus Rappaz’ Sicht kommt eine Zwangsernährung einem Verstoß gegen die Menschenrechte gleich. Und es würde auch nichts bringen: “Wenn man mich zwangsernährt, verlängert das nur die Qual.” Angst habe er nicht vor dem Sterben. Er fühle sich aber nicht als Märtyrer.

Dem Bauern wird angelastet, er habe von 1997 bis 2001 auf mindestens 30 Hektar Hanf anbauen lassen. Der größte Teil davon sei für den Betäubungsmittelhandel bestimmt gewesen. Insgesamt habe er einen Gewinn von zwei Mio. CHF (1,48 Mio. Euro) erzielt, hielten die Richter 2006 im erstinstanzlichen Urteil fest. Das Walliser Kantonsgericht bestätigte zwei Jahre später diesen Schuldspruch.

Nachdem auch das Schweizerische Bundesgericht den Hanfbauern hatte abblitzen lassen, musste Rappaz im März 2010 seine Haftstrafe antreten. Sofort machte er dort seine Drohung wahr und trat in den Hungerstreik. Nach einigen Wochen war sein Zustand derart schlecht, dass er ins Genfer Unispital überführt wurde. Dort sagte er einem Westschweizer Fernsehjournalisten, er habe überall Schmerzen, doch das hindere ihn nicht daran, seinen Hungerstreik fortzusetzen: “Ich gehe bis zum Ende.”

Zwangsernährung angeordnet

Bernard Rappaz soll nun zwangsernährt werden. Das hat die für den Fall zuständige Walliser Staatsrätin Esther Waeber-Kalbermatten entschieden und dem Berner Inselspital mitgeteilt. “Ich habe am Freitagnachmittag dem Spital ein entsprechendes Fax geschickt”, sagte die SP-Politikerin am Sonntag gegenüber der Nachrichtenagentur SDA.

Gegenüber der Westschweizer Zeitung “Matin Dimanche” erklärte sie erneut, dass der Entscheid, Rappaz zwangszuernähren, von einer Anordnung des Bundesgerichts abgeleitet worden ist. Dieses habe von ihr gefordert, “dass ich nicht nur alles unternehmen müsse, um ihm das Leben zu retten, sondern dass ich auch seine körperliche Integrität bewahren muss”. Waeber-Kalbermatten wusste am Sonntag nicht, ob Rappaz bereits zwangsernährt wird. “Es ist jetzt an den Ärzten, über die notwendige Vorgehensweise zu entscheiden.”

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